EU-Austritt

Merkel fordert Wirtschaft zum Schulterschluss im Brexit-Kampf auf

Merkel und May
Merkel und MayAPA/AFP/POOL/MICHAEL SOHN
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Wirtschaft und Politik müssten gemeinsam gegen eine mögliche "Rosinenpickerei" nach dem Brexit handeln. May dürfte in ihrer Grundsatzrede einen Ausstieg aus dem Binnenmarkt ankündigen.

Einen Tag bevor sich die britische Premierministerin Theresa May in einer Grundsatzrede zum Austritt Großbritanniens aus der EU äußern wird, forderte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel einen engen Schulterschluss von Politik und Wirtschaft bei den Brexit-Verhandlungen. Sicher sei man aus vielen Gründen weiter an einem guten Verhältnis mit Großbritannien interessiert, sagte sie am Montagabend beim Neujahresempfang der IHK Köln. Aber wenn Großbritannien die vier Grundfreiheiten des EU-Binnenmarktes nicht akzeptieren wolle, dann könne es keinen vollen Zugang mehr erhalten, sagte Merkel.

"Ich bitte Sie als Vertreter der Wirtschaft, dass wir da gemeinsam handeln", appellierte Merkel an die Unternehmen. "Denn wenn sich einmal herausstellt, dass man den vollen Zugang zum Binnenmarkt auch bekommen kann, wenn man sich bestimmte Dinge aussucht, dann wird sehr schnell der Binnenmarkt als solcher (...) in Gefahr geraten, weil sich jedes Land dann seine Rosinen herauspickt", sagte sie mit Blick auf die anderen 27 EU-Staaten. Das müsse verhindert werden. "Deshalb müssen Politik und Wirtschaft hier sehr gemeinsam agieren und handeln."

May will "harten Brexit"

Theresa May dürfte ihrer deutschen Kollegin laut übereinstimmenden britischen Medienberichten entgegenkommen. Sie werde sich am Dienstag in ihrer Rede zu einem "harten Brexit" bekennen. May wolle ihr Land aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion mit den anderen 27 EU-Staaten führen, berichteten britische Medien in der Nacht auf Dienstag unter Berufung auf den Redetext Mays.

Es werde keine Teil-Mitgliedschaft in der EU noch sonstige Konstrukte geben, die Großbritannien "halb drinnen" oder "halb draußen" ließen, betonte May demnach. "Wir wollen eine neue und gleichberechtigte Partnerschaft - zwischen einem unabhängigen, selbstregierten, globalen Großbritannien und unseren Freunden und Verbündeten in der EU." Eines der zentralen Themen vom Mays Brexit-Strategie werde sein, die Kontrolle über die britischen Grenzen zurückzugewinnen.

Sie wünsche sich, dass Großbritannien ein "Magnet für internationale Talente" und eine "großartige globale Handelsnation" sei, heißt es weiter in den Auszügen. May werde aber auch betonen, dass es im britischen Interesse sei, dass die EU erfolgreich bleibe. Details zu den Vorstellungen Mays über die künftigen Handelsbeziehungen mit der EU waren in den Auszügen aus dem Redetext nicht enthalten. Medienberichten zufolge strebt May jedoch auch an, Großbritannien aus dem Zuständigkeitsbereich des Europäischen Gerichtshof zu entfernen.

Zankapfel Freizügigkeit für EU-Bürger

Bisher hat sich May kaum dazu geäußert, welches Abkommen sie mit der EU anstrebt. Die "Sunday Times" hatte berichtet, May wolle einen "klaren und harten" Brexit, wozu der Austritt aus dem gemeinsamen Markt und der Zollunion gehören würde. Das sorgte an den Börsen für Kopfzerbrechen bei den Anlegern und drückte den Kurs des Pfund. Zeitweise war die britische Währung so billig wie zuletzt vor dreieinhalb Monaten. Die Brexit-Sorgen schickten am Dienstag auch den japanischen Nikkei-Börsenindex auf Talfahrt.

Das Problem für Großbritannien ist, dass die EU als Gegenleistung für den vollen Zugang zum gemeinsamen Markt die Freizügigkeit für ihre Bürger verlangt. Die Beschränkung der Einwanderung war aber für viele Briten der Hauptgrund, für den Brexit zu stimmen. Finanzminister Philip Hammond hatte gesagt, sollte es keine Einigung mit der EU über einen Zugang zum gemeinsamen Markt geben, könnte das Land sein Wirtschaftmodell überdenken. Diese Äußerungen wurden als Warnung interpretiert, Großbritannien könnte Unternehmenssteuern als Druckmittel bei den Brexit-Verhandlungen einsetzen. May will den formellen Austrittsprozess bis Ende März in Gang setzen.

Schützenhilfe für London aus den USA

Schützenhilfe könnte London in den Brexit-Verhandlungen von den USA bekommen. Der designierte US-Präsident Donald Trump hat nämlich einen raschen amerikanisch-britischen Handelspakt angekündigt. Er bezeichnete den Brexit in einerm Interview als "großartig" und äußerte die Erwartung, dass weitere EU-Staaten dem Beispiel Londons folgen werden.

Offenbar im Hinblick auf Trumps Äußerungen kündigte Merkel am Montag auch einen harten Kampf für den internationalen Freihandel und die Offenheit der Märkte an. Die Staatengemeinschaft habe die Finanzkrise durch Offenheit und Zusammenarbeit gemeinsam bewältigt. Aber heute würde einige schon wieder Auswege im Protektionismus suchen, sagte Merkel, ohne den künftigen US-Präsidenten Donald Trump namentlich zu erwähnen, der gedroht hatte, Strafzölle auf deutsche Autos zu verhängen. "Ich bin da sehr entschieden. Aber die Zahl derer, die Zweifel anmelden, wird größer", sagte sie mit Hinweis auf Freihandelsabkommen. Sie sei zutiefst davon überzeugt, dass Offenheit sowie die Akzeptanz von Wettbewerb die beste Voraussetzung zum Erhalt des Wohlstands in der Welt seien.

(APA/Reuters)

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