Es reicht, Tal Silberstein!

Tal Silberstein missbraucht das Thema Antisemitismus erneut. Eine Widerrede auf dessen Essay in der Zeitung von „Addendum“.

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„Yesh Gwul!“, sagt man in Israel gern, und das heißt: „Es gibt eine Grenze!“ Zu beteuern, er hätte „absolut nichts“ mit dem Ibiza-Skandal zu tun gehabt und erst aus den Medien davon erfahren, ist durchaus in Ordnung. Ich wäre persönlich auch froh darüber – Tal Silberstein hat auch ohne Ibiza-Video bereits genug Schaden in Österreich angerichtet. Dabei hat er vor keinem Mittel haltgemacht. Auch nicht vor dem Gebrauch des Antisemitismus.

Tal Silberstein missbraucht dieses Thema nach Belieben. Vor zwei Jahren für seine damaligen Auftraggeber, um Sebastian Kurz zu schaden. Heute zu seiner eigenen Verteidigung. „Yesh Gwul“, Tal Silberstein! Nur die Tatsache, Israeli und Jude zu sein, gibt einem nicht das Recht, diese in Österreich besonders sensitive Thematik nach Lust und Laune auszunutzen. Die besondere Perfidie von Silbersteins Agieren: Im Wahlkampf 2017 betrieb Tal Silberstein im Auftrag der SPÖ antisemitische Seiten und Fake-Profile in sozialen Medien, die vorgeblich von Unterstützern Sebastian Kurz' stammten, um damit Sebastian Kurz anzuschwärzen.

Ich empfand dies damals als unglaublich spannenden Beweis dafür, wie sehr sich die politische Kultur in Österreich gedreht hatte. Hatten wir noch vor 30 Jahren in Österreich erlebt, wie eine Wahl mit der Mobilisierung von antisemitischen Vorurteilen gewonnen werden konnte, geschah ja 2017 genau das Umgekehrte: Man versuchte eine Wahl zu gewinnen, indem man dem Gegner vorwarf, antisemitische Anhänger zu haben.

Wunderbar, sagte ich damals oft in Diskussionen, es ist also in Österreich endlich so weit, dass man mit dem Antisemitismusvorwurf den politischen Gegner diskreditieren kann. Und eben nicht mehr so, dass man damit Wahlen gewinnen kann.

Vorwurf gegen Kurz

Zwei Jahre später missbraucht Tal Silberstein das Thema Antisemitismus in einem Text der gedruckten Ausgabe von „Addendum“ wieder. Er beschuldigt Sebastian Kurz, die Nennung seines Namens „als Synonym für Schlechtes“ für „dunkle Zwecke“ zu verwenden. Jeder versteht den wenig getarnten Vorwurf: Sebastian Kurz wolle im Zuge der bevorstehenden Wahlen antisemitische Vorurteile in der österreichischen Bevölkerung bedienen. Unverschämt vergleicht er dann auch noch die Kampagne in Ungarn gegen George Soros mit der Kritik an ihm.

„Yesh Gwul“, Tal Silberstein! Wollte Sebastian Kurz tatsächlich antisemitische Gefühle in Österreich bedienen, dann hätte er nicht über viele Jahre hindurch jede Gelegenheit nutzen dürfen, um der jüdischen Gemeinde und Israel seine tiefe Sympathie zu bekunden. Mit einer bei einem österreichischen Bundeskanzler noch nie beobachteten Vehemenz hat er sich zur Verantwortung Österreichs zum Holocaust bekannt, gegen jede Form von Antisemitismus und Antizionismus in Österreich und in der EU gewandt, zahlreiche Einladungen in der jüdischen Gemeinde angenommen und umgekehrt viele Gelegenheiten genützt, Vertreter der jüdischen Community im Bundeskanzleramt zu empfangen. Nicht zuletzt hat ihn der Premierminister Israels in der vergangenen Woche anlässlich seines Besuchs in Jerusalem als „riesigen Freund des Staates Israel“ und „Vorkämpfer gegen Antisemitismus“ begrüßt.

Wer Österreich nicht nur aus der Ferne kennt, der weiß: Mit all diesen Handlungen hat sich Sebastian Kurz fürwahr nicht als Identifikationsfigur für antisemitische Wähler qualifiziert. Wissend um die Person von Sebastian Kurz, seine Wertehaltungen und seine Bereitschaft, sich dafür immer und immer wieder, auch ganz demonstrativ, einzusetzen, kann man die Vorwürfe von Tal Silberstein nur als eines bezeichnen: grotesk!

Der Autor

Mag. Martin Engelberg (geb. 1960) sitzt seit November 2017 für die ÖVP als Abgeordneter im Nationalrat. Der Psychoanalytiker ist zudem geschäftsführender Gesellschafter der Vienna Consulting Group, Lehrbeauftragter an der WU Wien und war Herausgeber des jüdischen Magazins „NU“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2019)

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