Neuer Sexskandal: Tory-Minister soll Heimkinder missbraucht haben

(c) FABRY Clemens
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Ein ehemaliger Zögling eines Kinderheimes in Großbritannien will von einem einst mächtigen konservativen Minister über Jahre sexuell genötigt worden sein - und noch diese Woche seinen Namen nennen.

Der Premier ist „betroffen“, die Innenministerin „mächtig schockiert“: Ein hochrangiger konservativer Politiker, ehemaliges Kabinettsmitglied und Vertrauter der früheren Tory-Premierministerin Margaret Thatcher, soll in den 1970er- und 1980er-Jahren Mitglied eines Pädophilenrings gewesen sein und mehrere Zöglinge in einem Kinderheim in Wrexham (Wales) über Jahre missbraucht haben.

Noch ist die Identität des Politikers geheim: Ein Richter hat eine Nachrichtensperre verhängt, an die sich die Medien bisher halten, wenngleich im Internet verschiedene Personen als Verdächtige gehandelt werden. Doch ein angebliches Opfer, der heute 49-jährige Steven Messham, will den Namen seines Peinigers noch diese Woche bei der Polizei zu Protokoll geben. Als 13-Jähriger seien er und ein paar weitere Burschen immer wieder sonntags von Männern aus dem Heim geholt und in ein Hotel gebracht worden, sagte Messham in Interviews. Dort sei er von mehreren Männern, darunter einem „sehr hochrangigen Mitglied der Konservativen“, vergewaltigt worden. Der Tory habe ihm gar gedroht, ihn zu töten, falls er zur Polizei gehen sollte.

Ein weiteres mutmaßliches Opfer, das heute im Stadtrat der Waliser Gemeinde sitzt, wo sich die Missbrauchsfälle ereignet haben sollen, erklärte der BBC, er sei von Parlamentsabgeordneten, Richtern, Fabrikanten, Ladenbesitzern und sogar Polizisten misshandelt und missbraucht worden.

Regierung nach BBC-Skandal in Zugzwang

Innenministerin Teresa May versprach am Dienstag eine Untersuchungskommission. „Kindesmissbrauch ist ein abscheuliches Verbrechen, wir müssen alles tun, damit die Vorwürfe nicht unbeantwortet bleiben“, sagte sie. Die Regierung will jeden Eindruck vermeiden, man nehme die Vorwürfe nicht ernst. Schließlich hat Premier Cameron kürzlich die BBC für ihr Krisenmanagement im Fall Jimmy Savile kritisiert: Der 2011 verstorbene Starmoderator hatte jahrzehntelang Mädchen befummelt und vergewaltigt. Der Sender hatte entsprechende Hinweise nie verfolgt, einen Bericht über die Vorwürfe auch nach Saviles Tod zurückgehalten.

Auch die Vorwürfe gegen das Heim in Wrexham sind nicht neu. Ende der 90er hatte deshalb auf Geheiß des damaligen Wales-Ministers und heutigen Außenministers William Hague bereits eine Kommission jahrelang getagt. Doch der leitende Richter erklärte abschließend, es habe zwar Missbrauch und Misshandlungen gegeben, aber keinen Pädophilenring – das sei eher „Fantasterei“.

Haben die Behörden vertuscht?

Über die Namen von 28 Personen, die in den Skandal verwickelt waren, verhängte er, wie in Großbritannien üblich, eine Nachrichtensperre, um mögliche Prozesse nicht zu gefährden. Doch dazu kam es nie: Der erwähnte „konservative Politiker“ wurde im Bericht nur beiläufig als „schattenhafte Figur von hohem Ansehen“ erwähnt. Die Opfer werfen den Behörden daher Vertuschung vor.

Der betroffene anonyme Tory, von britischen Medien „Mr. X“ getauft, erklärte derweil gegenüber dem „Daily Telegraph“ die Vorwürfe für absurd: Er sei nie in dem Heim und auch nur einmal in Wrexham gewesen: im dortigen Büro der Konservativen.

Auf einen Blick

Ein heute 49-jähriger früherer Zögling eines Kinderheims in Wales will in den kommenden Tagen den Namen eines Mannes nennen, der in einen Skandal um sexuelle Übergriffe auf junge Burschen in dem Heim in den 1970er- und 80er-Jahren verwickelt sein soll. Bei dem Verdächtigen soll es sich um einen mächtigen früheren Minister der konservativen Partei handeln – die britische Justiz hat allerdings eine mediale Nachrichtensperre bezüglich seines Namens verhängt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2012)

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