Österreich 2050: Über die Menschen, die Freiheit und die Teleportation

Das Jahr 2050 scheint mir heute so weit in der Zukunft zu liegen, dass in meiner Phantasie Bilder aus Sci-Fi-Filmen entstehen: mein Handy würde meine Gedanken hören und den Befehlen folgen. Man würde per Skype den anderen mithilfe bestimmter Geräte berühren und sogar küssen können. Die Teleportation würde nicht mehr nur Teil der Harry-Potter-Romane sein, sondern man würde sich zweimal pro Tag überall hin teleportieren können (damit man am Abend nach Hause zurückkehren kann und auch damit kein Chaos entsteht).
Stellen Sie sich vor, morgens stehen Sie in ihrem Haus in Polen, der Türkei, Bulgarien oder China auf und Sie teleportieren sich nach Wien, um zur Arbeit zu gehen oder um eine Vorlesung zu besuchen. Den ganzen Tag sind Sie in Österreich und abends teleportieren Sie sich nach Hause, wo Ihre Geliebte, ihr Geliebter, die Kinder, die Familie und Ihr Hund auf Sie warten. Klingt das nicht perfekt? Na ja, diese Vorstellung mag ein bisschen verrückt erscheinen, aber so gäbe es etwa das Problem mit den Migranten nicht. Die Menschen würden gleichmäßig verteilt werden, Wien hätte keine Probleme auf dem Wohnungsmarkt oder mit dem Parkpickerl und jeder würde dort leben und arbeiten, wo er will. Bedeutet das aber, dass die Menschen durch diese absolute Freiheit ihre Denkweise und Weltwahrnehmung ändern würden?

Am 21.12.2012 sollte die Welt untergehen. Nachdem Hollywood ein bisschen Geld dadurch gewonnen hatte, wurden andere Hypothesen gestellt, dass es sich eigentlich um eine Art Wiedergeburt des menschlichen Geistes handle und dass wir in eine neue Entwicklungsphase eintreten würden. In diesem Sinne bin ich geneigt, zu glauben und zu hoffen, dass die Menschheit auf einem guten Weg ist. Die letzten ein paar Jahre sind durch viele Rebellionen, Wandel, Naturkatastrophen und -kataklysmen charakterisiert. In solchen Krisenzeiten ist meiner Meinung nach der Mensch „am menschlichsten“. Heutzutage besteht das Problem, dass wir in einer immer mehr vom Materiellen beherrschten Welt leben. Und das Schreckliche dabei ist, dass diese Tendenz steigt. Das entfernt uns mehr oder weniger von den Dingen und den Werten, die wirklich eine Bedeutung haben. Früher hatte man um seine Freiheit, seine Rechte und um sein Land zu kämpfen. Heute leben wir, zumindest in Österreich, froh und glücklich, weil jemand das alles für uns gemacht und für uns gelassen hat. Denken Sie daran nächstes Mal, wenn sie in Schönbrunn laufen gehen oder wenn Sie Ihre Mitgliedskarte für die Nationalbibliothek erneuern, wenn Sie (liebe Damen) eine Hose anziehen und wählen gehen oder wenn Sie „Die Presse“ morgens öffnen. Deswegen ist es unsere Aufgabe, für die künftigen Generationen das alles aufzubewahren und weiterzuentwickeln. Österreich erfüllt diese Pflicht sehr bewusst. Das Land steht seit Jahrhunderten als Zeichen für Kultur und Prächtigkeit. 2050 würde sich meiner Meinung nach daran nicht vieles ändern. Denn je mehr Zeit vergeht und je mehr Wunder der Technologie geschaffen werden, desto verstärkter neigen wir dazu, die Geschichte zu analysieren, die Gegenwart mit der Vergangenheit zu vergleichen und dabei nach Ähnlichkeiten zu suchen. Österreich wird daher 2050 immer noch viel Wert auf das Kulturerbe legen und der jungen Generation beibringen, warum das so wichtig ist.

Ein anderer zentraler Punkt meiner Vermutungen ist die Natur. Das Konzept der Nachhaltigkeit wurde in Österreich schon 1852 durch Kaiser Franz Josef gesetzlich manifestiert. Zuerst auf die Nutzung der Wälder bezogen, hat sich die Grundidee dieses Konzepts bis heute auf alle Aspekte des menschlichen (Zusammen-)Lebens in Österreich ausgedehnt. 2013 beinhaltet die österreichische Nachhaltigkeitsstrategie 20 Ziele, die von Wirtschaft bis hin zu Lebensqualität reichen und die nicht nur auf das Land selbst gerichtet sind, sondern auch auf Europa und die Welt. Ich vermute, dass in 37 Jahren die „Nachhaltigkeit der Nachhaltigkeit“ in Österreich fortbestehen und sich weiterentwickeln würde.

Am interessantesten und auch für alle anderen Aspekte am entscheidendsten bleibt jedoch die Entwicklung des Menschen. Wie oben schon erwähnt, neigen wir in unserem Alltag vermehrt dazu, an unseren materiellen Besitz zu denken. Die jungen Erwachsenen treffen ihre Studienwahl viel öfter nach den Berufsmöglichkeiten und dem zu erwartenden Gehalt bzw. der Wahrscheinlichkeit eines hohen Lebensstandards. Deswegen sind Studien der Betriebswirtschaftswissenschaften in Österreich (oder zumindest in Wien) zu Massenstudiengängen geworden. Und wer könnte den jungen Menschen Vorwürfe machen? In der Gesellschaft, in der sie aufwachsen, und hier ist nicht nur Österreich gemeint, wird dem Geld eine allzu hohe Stellung zugewiesen. Ich wünsche mir, dass sich in Österreich 2050 mehr Leute damit beschäftigen, was ihnen wirklich am Herzen liegt und was sie glücklich macht. Das könnte dazu führen, dass die Menschen auch mehr an ihre Mitmenschen denken, offener und hilfsbereiter werden. Denn genau das fehlt teilweise 2013 – Offenheit und Akzeptanz fremder Kulturen und Lebensweisen. Ja, wir haben Vienna Pride, es wird zugelassen, dass ein Protest türkischer Staatsbürger gegen die Regierung in ihrer Heimat am Freitagabend den Wiener Ring sperrt, Kinder mit einer anderen Erstsprache als Deutsch werden vor und in der Schule sprachlich gefördert. Aber das Problem befindet sich im Kopf. Wir haben alle Vorurteile und halten uns auch an diese, anstatt zu versuchen, die Dinge aus der Perspektive des anderen zu sehen. Das gilt sowohl für die Einheimischen als auch für die Neuankömmlinge. Wenn wir die Feindseligkeit mit Interesse an der Fremdheit und dem Anderssein tauschen würden, würden wir es viel leichter haben. Ich bin glücklich, in so einer bunten und facettenreichen Stadt wie Wien leben zu können. 2050 wird es meiner Meinung nach noch mehr Migranten in Österreich geben. Ich hoffe, dass man in dieser (nicht so) fernen Zukunft die Menschen schon längst nach ihren persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten beurteilen würde, und nicht nach dem Pass. Österreich ist ein stolzes Land und das finde ich absolut gerecht. Es könnte aber viel mehr von ihren „dauerhaften Gästen“ profitieren als momentan. Lernen wir alle miteinander zusammenzuleben, so würde Österreich 2050 ein noch schönerer Wohnort sein, und Wien – zum 41. Mal die Stadt mit der besten Lebensqualität. Und meine letzte Vermutung für das Jahr 2050 lautet: Wir werden eine neue Stimme in den Öffis haben.

Die obigen Vorstellungen mögen ein bisschen utopisch klingen, aber wenn man über die Zukunft nachdenkt, möchte man sich immer auf das Gute fokussieren. Wenn man abends im Bett liegt, stellt man sich immer vor: „Oh, wie schön wäre es, wenn...“, nicht wahr?
Ich erinnere mich an etwas, was ich neulich auf der East Side Gallery in Berlin gelesen habe: Viele kleine Leute, die in vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können das Gesicht der Welt (von Österreich 2050) verändern...


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