"True Detective": Es ist Zeit!

Marty Hart (Woody Harrelson) und Rust Cohle (Matthew McConaughey)
Marty Hart (Woody Harrelson) und Rust Cohle (Matthew McConaughey) (c) Jim Bridges/HBO (JIm Bridges)
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Was die neue US-Serie so großartig macht. Also einer der vielen Gründe.

Achtung, Spoiler bis einschließlich Folge sechs!

Man kennt das von Fernsehserien: Eine Staffel erstreckt sich auf ein (Schul-)Jahr, oder auf jene Zeit, die auch real parallel zur Ausstrahlung vergeht. Man denke an Thanksgiving- und Weihnachtsfolgen, die in Europa gerne im Sommer ausgestrahlt werden. Aus dem Muster Serienzeit = Realzeit auszubrechen ist schwierig. Wegweisend (etwa für "Desperate Housewives") war erstaunlicherweise die Teenie-Soap "One Tree Hill" (eine "guilty pleasure", wie ich zugegeben muss). Sie hat zwischen Staffel vier und fünf einen Fünfjahressprung gemacht und ist so die lästige College-Zeit umgangen. Danach kehrte sie allerdings wieder in das starre Zeitmuster zurück.

Selbst Qualitätsserien laborieren an Zeitproblemen. Wenn "Breaking Bad" eine Schwäche hatte, dann war es wohl die Zeitstruktur. Irgendwie schaffte es die Serie einfach nicht, glaubwürdig viel Zeit vergehen zu lassen. "True Blood" ist zwar bewusst trashig, aber auch hier konzentriert sich die Handlung auf eine trotz aller übernatürlichen Phänomene völlig unwahrscheinlich kurze Zeitspanne.

"True Detective", die beste der neuen Serie, hat dieses Zeitproblem für sich gelöst. Die achtteilige erste Staffel bricht mit diesen Strukturen und macht sich dadurch neue Handlungsräume auf.

Am Anfang gibt es zwei Zeitebenen: Rust Cohle (einfach nur großartig: Matthew McConaughey) und Marty Hart (gewohnt gut: Woody Harrelson), inzwischen Ex-Polizisten, erzählen 2012 von einem Mordfall aus dem Jahr 1995.

Dazwischen liegen 17 Jahre. Und allerlei Möglichkeiten.

So unkonventionell auch ermittelt wird, wirkt "True Detective" zu Beginn doch wie ein gut gemachter, kluger und unkonventioneller Krimi (ich meine hier den Genrebegriff). Am Ende der dritten Folge zeichnet sich ein Verdächtiger ab, und irgendwie habe ich damit gerechnet, dass die beiden diesen nun jagen und stellen, circa in Folge sieben, in Folge acht (dem Finale) sich der Plot noch mal wendet und gleichzeitig im 2012er-Handlungsstrang der Fall aufgelöst und in die Gegenwart geführt wird. Wobei ich nur mit einer partiellen Auflösung gerechnet habe, Staffel zwei ist ja schon in Arbeit.

Doch Folge fünf bricht mit dieser Struktur.

Rust und Marty stellen (1995er-Strang) den Verdächtigen, töten ihn, werden als Helden gefeiert und sieben Jahre vergehen, bis Rust sich im neuen 2002er-Strang erneut in den Fall verbeißt. Geichzeitig wird das Modell der Nacherzählung (2012er-Strang) variiert. Rust und Marty weigern sich, dem Verhörduo noch mehr über Damals zu reden. Das Verhörduo bittet also Martys Ex-Frau Maggie (Michelle Monaghan) zum Gespräch, die sich nicht sonderlich auskunftsfreudig zeigt.

Ein weiterer Bruch folgt in Folge sechs, jener zwischen Rust und Marty 2002, und wie wir aus dem 2012er-Strang wissen, bleibt dieser bestehen. Zumindest bis zum Zeitpunkt der Gespräche/Verhöre der beiden.

"True Detective" wird vom Krimi zur Charakterstudie

Gleichzeitig überlagern die Abgründe der beiden Hauptfiguren, vorrangig natürlich jene Rusts, zunehmend den Mordfall. "True Detective" wird vom Krimi zur Charakterstudie, einem Doppelporträt zweier ungewöhnlicher Figuren.

Folge sieben habe ich noch nicht gesehen - vor dem Oscar gehören meine Abende den Filmen. Ich bin mir aber sicher, dass auch sie mich überraschen wird.

Qualitätsserien werden gerne mit Romanen verglichen - mit "True Detective" agiert eine Serie endlich auf der Zeitebene ebenso frei wie ein Roman. Natürlich ist es schwierig, die Schauspieler zu verjüngen oder altern zu lassen (perfekt gelang das bei McConaughey, weniger gut bei Monaghan). Aber egal, ich nehme das Problem einer nur mittelmäßigen Maske gerne in Kauf, wenn mir dabei eine so spannende (und zwar nicht vordergründig Cliffhanger-spannend), dichte wie tiefgehende Geschichte erzählt wird.

Nach dem Vorbild "True Detective" gilt also: Raus aus den Mustern, lasst endlich Zeit vergehen!

Großartig: Matthew McConaughey als Rust Cohle in ''True Detective''
Großartig: Matthew McConaughey als Rust Cohle in ''True Detective''(c) Sky

In Österreich ist "True Detective" im Pay-TV zu sehen: finale Folge nächsten Montag auf Sky Go und am Dienstag auf Sky Anytime, sowie alle Folgen auf Abruf. Ab 17. April im linearen TV auf Sky Atlantic HD jeden Donnerstag um 21.00 Uhr

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