Frühförderung, Autonomie: Ein Bildungspaket zur Ablenkung

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Das Dauerthema Gesamtschule sollte keinen Platz bei der Regierungsklausur haben. Die Regierung präsentierte lieber ein Sechs-Punkte-Programm.

Reinhold Mitterlehner ist dort angelangt, wo er sein will. Na ja, fast zumindest. Das „Vize“ könnte bei seiner Jobbeschreibung aus seiner Sicht vielleicht noch verschwinden. Aber sonst genoss er bei seiner ersten Klausur als Vizekanzler und ÖVP-Chef sichtlich die Aufmerksamkeit. Bei der Abschlusspressekonferenz am Samstag in Schladming wurde gescherzt und gelacht – vor allem von Mitterlehner selbst. Die gute Laune färbte aber auch auf den Kanzler ab. Werner Faymann wurde nicht müde zu betonen, wie gut die Zusammenarbeit zwischen den beiden sei: „Man hat das Gefühl, es ist ein Team, nicht zwei oder drei, die zusammenarbeiten“, sagte er.

Auch inhaltlich machte sich der schwarze Obmannwechsel bemerkbar – zumindest in Sachen Bildung. „Wir gehen entspannt an das Thema Gesamtschule heran“, sagte Mitterlehner. Nun wolle er zuerst die Evaluierung der Neuen Mittelschule (NMS) abwarten, die im Jänner 2015 abgeschlossen sein sollte, und dann könne man darüber reden, ob man weitere Modellregionen zur Gesamtschule schaffe. Eine Äußerung, die man von Ex-ÖVP-Obmann Michael Spindelegger so keinesfalls gehört hätte. Im Gegenteil: Ihm missfiel es einst gewaltig, dass das schwarze Bundesland Tirol ankündigte, im Zillertal eine Modellregion zur Gesamtschule zu starten. Da spielte es auch keine Rolle, dass es im Zillertal bisher ohnehin nur Haupt- und Neue Mittelschulen gab und damit kein Gymnasium betroffen war. Es ging eben um die Symbolik.

Doch auch Mitterlehner wollte das ideologisch geprägte Thema nicht überstrapazieren. Immerhin sollte bei der Klausur gezeigt werden, dass man die Diskussion im Bildungsbereich von einzelnen Begriffen, wie der Gesamtschule, gelöst habe. Selbst Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), erklärter Fan der Gesamtschule, vermied es augenscheinlich, über das Thema zu reden. Wie könnte eine Ablenkung vom Dauerthema Gesamtschule besser gelingen als mit der Präsentation eines großen Bildungspakets?

Programmpunkte. Die Regierungsspitze präsentierte dementsprechend gemeinsam mit der Bildungsministerin ein Sechs-Punkte-Programm. Auf dieses konnten sich SPÖ und ÖVP vor allem deshalb ohne größere Reibereien einigen, da die Punkte großteils bereits lange vor der Klausur bekannt waren. Einige davon finden sich sogar im Regierungsprogramm. So etwa der erste Punkt, der sogenannte Schulstart neu. Die Regierung will die Übergangsphase vom Kindergarten in die Volksschule reformieren. Volksschullehrer sollten die Kindergärten besuchen – und umgekehrt. Das Ziel: eine bessere Abstimmung. Ganz neu ist das nicht. Schon jetzt läuft an 35 Standorten ein solcher Versuch. Bis 2016/17 soll das Modell flächendeckend umgesetzt sein.

Einen eigenen Reformpunkt und damit Punkt zwei im Konzept widmen die Regierungspartner der Sprachförderung. Doch auch hier war schon vorab bekannt, dass in diese künftig 45 Millionen Euro pro Jahr investiert werden sollen. Der dritte Punkt ist der Bildungsministerin ein besonderes Anliegen: der Ausbau der Schulautonomie. Die einzelnen Standorte sollen sowohl in pädagogischer als auch personeller Hinsicht mehr Gestaltungsspielraum erhalten. Und: Was plakativ als Abschaffung der 50-Minuten-Einheit propagiert wird, ist in Wahrheit ein Abbau von Bürokratie, was die zeitliche Autonomie der Schulen betrifft. Auch jetzt können Stunden geblockt werden, um Projektarbeiten durchzuführen. Künftig sollte das aber organisatorisch einfacher werden.

Angekündigt wurde auch eine Qualitätsoffensive bei den Ganztagsschulen. Geplant sind Betreuungspläne, in denen Kriterien für die Qualität der Freizeit sowie der Lernzeit festgeschrieben werden. Außerdem wünscht sich die Regierung eine Qualitätskontrolle durch die Schulaufsicht. Auch das Dauerthema „Tägliche Turnstunde“ durfte im Konzept nicht fehlen. Künftig solle diese in jeder ganztägigen Schule Realität werden. Ein Vorhaben, das die damalige Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) schon im April 2013 ankündigte. Und zu guter Letzt widmete sich die Regierung in ihrem Papier der Erwachsenenbildung. Hier wurde festgelegt, dass das Nachholen von Pflichtschulabschlüssen in den kommenden drei Jahren kostenlos bleiben soll. Die Details des Sechs-Punkte-Programms soll nun eine achtköpfige Arbeitsgruppe– pro Partei zwei Vertreter vom Bund, zwei von den Ländern – klären.

Die wenigen Neuigkeiten versuchte die Regierung jedenfalls mit dem neuen Zusammenhalt zu kompensieren. Etwa beim gemeinsamen Abendessen auf der Schafalm: Da sangen die Minister Andrä Rupprechter und Johanna Mikl-Leitner (beide ÖVP) gemeinsam Volkslieder, auch Sabine Oberhauser (SPÖ) gesellte sich dazu. Sogar ein gemeinsames Morgenprogramm gab es: Die beiden Klubobleute, Andreas Schieder (SPÖ) und Reinhold Lopatka (ÖVP), trafen sich morgens zum Laufen.

6 Punkte

Schulstart neu.Bessere Zusammenarbeit von Kindergarten und Schule.

Sprachförderung.45 Millionen Euro pro Jahr werden investiert.

Schulautonomie.Die Schulen sollen mehr selbst entscheiden können.

Ganztagsschulen.Es soll Qualitätskriterien für Freizeit und Lernzeit geben.

Tägliche Turnstunde.Diese soll in Ganztagsschulen Realität werden.

Erwachsenbildung.Pflichtschulabschlüsse sollen weiter gratis nachgeholt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2014)

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