Bachelor – ein Titel unter der Wahrnehmungsschwelle

(c) AP (Joerg Sarbach)
  • Drucken

In den meisten Studien ist der Bachelor schon eingerichtet. Trotzdem trauen ihm viele Studierende (noch) nicht über den Weg.

Viele Studienanfänger trauen der gar nicht mehr so neuen Dreiteilung des Studiensystems – festgeschrieben im sogenannten Bologna-Prozess – noch nicht so recht über den Weg. Zwar lockt mit dem Bachelor bereits nach drei Jahren ein vollwertiger Hochschulabschluss, so manchem ist das für einen Berufseinstieg jedoch noch zu wenig. Die Mehrzahl der Studenten – das ergab ein „UniLive“-Rundruf – hat zumindest einen weiterführenden Master-Abschluss im Visier.

Die 19-jährige Vera Ulmann etwa ist sich nach einer Podiumsdiskussion an der Universität Wien ziemlich sicher, dass sie selbst gerne einen Master-Studiengang abschließen möchte. Denn wie sie gerade erfahren hat, werden am Arbeitsmarkt vornehmlich Bachelors der Studienrichtungen Wirtschaft oder Technik händeringend gesucht. In einer geisteswissenschaftlichen Studienrichtung hingegen sei mit einem Bachelor nicht sonderlich viel anzufangen, ist Ulmann überzeugt. Um sich am Arbeitsmarkt überhaupt behaupten zu können, sei deshalb eine längere Ausbildung (ein Master-Studium nach dem Bachelor dauert in der Regel vier Semester; Anm.) sinnvoll.

PhD „sicherheitshalber“

Auch Daniel Capek zeigt sich skeptisch, nachdem er mehr als eine Stunde einem Vizedekan und anderen Lehrenden zugehört hat, die versuchten, Vorzüge der neuen Studienarchitektur zu erläutern. Selbst will der Studierende der Biologie und Keltologie nicht vor dem Doktordiplom (PhD) aufgeben. Er glaubt, dass erst die Zeit zeigen werde, was ein Bachelor eigentlich wert sei, und bis dahin mache er „sicherheitshalber“ ein Doktoratsstudium.

Thomas Marchart, 23-jähriger Philosophie-Student, glaubt sogar, dass man überhaupt erst ab dem Master in der Arbeitswelt wahrgenommen wird.

Wozu also ist ein Bachelor dann überhaupt gut? Ist er etwa ein Trostpflaster für Studienabbrecher? Wenn man Vizerektor Arthur Mettinger, an der Universität Wien für Entwicklung der Lehre und Internationalisierung zuständig, zuhört, gewinnt man einen ganz anderen Eindruck. Rund 50 Bachelor und 100 Master-Studiengänge bietet Österreichs größte Uni derzeit an. Und auch wenn Barbara Hamilton, StudienprogrammLeiterin für Molekulare Biologie, einräumt, dass die Studierenden anfangs im neuen System etwas orientierungslos und verloren wirkten, so bestätigt sie doch, dass sich die Möglichkeiten für die Studierenden inzwischen erweitert haben.



„Haben Sie den Mut,

nach dem ersten Semester zu gehen.“

Für Barbara Hamilton, Studienprogrammleiterin für Molekulare Biologie, ist der Bachelor keine Alternative zum Abbruch.

Bis auf die Studienrichtungen Psychologie, Pharmazie, Rechtswissenschaften und Teile der Theologie sei die neue Architektur inzwischen flächendeckend eingeführt. Vom neuen System dürften die Studierenden eine bessere Durchlässigkeit zur Arbeitswelt und auch mehr Anreize zur Mobilität erwarten, weil die Abschlüsse im Ausland ja anerkannt würden, zumindest in der Theorie.

Hier hält Vizerektor Arthur Mettinger mehr Toleranz bei der Anrechnung von Abschlüssen für notwendig. Denn nicht nur die Ausbildung der eigenen Uni sei das einzig Seligmachende. Woran sich aber nach wie vor nichts geändert habe, sei der Umstand, dass die Universität Berufsvorbildung und nicht Berufsausbildung anbiete.

Von Vorteil sei aber, dass Studierende nunmehr an der Erstellung der Lehrpläne mitarbeiten könnten und somit auch mehr Mitspracherecht hätten. Dass Bachelors nach ihrem Abschluss kaum Chancen am Arbeitsmarkt hätten, ist laut Mettinger eine unbegründete Sorge.

In der Sinologie etwa verzichten demnach viele Studierende nach ihrem Abschluss auf das weiterführende Masterstudium, weil sie am Arbeitsmarkt bereits so gefragt sind, dass das Weiterstudieren nicht mehr reizvoll erscheint, berichtet Nikolaus Ritt, Vizedekan der Wiener Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät.

Empfehlung: Mut zum Abbruch

Was die Studienabbrecher anbelangt, so hat Studienprogramm-Leiterin Barbara Hamilton den Eindruck, dass viele einen Absprung zu lange vor sich herschieben. „Haben Sie den Mut, nach dem ersten Semester zu gehen“, ermutigt sie Maturanten, für den Fall, dass Sie feststellen sollten, das Uni-Studium sei nicht das Richtige für sie. „Verbummelte erste zwei Jahre sind einfach nicht nötig.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.