Rot-Blau spaltet Rot-Grün (weiter)

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Die rot-blaue Koalition im Burgenland ist besiegelt und stürzt die Wiener SPÖ vier Monate vor der Wahl in eine Krise. Vom grünen Koalitionspartner kommt Spott und Häme.

Die rot-blaue Koalition im Burgenland ist fix – und die SPÖ Wien fix und fertig. „Ich habe bis zum Schluss gehofft, dass es ein Schmäh Niessls ist, oder eine Strategie, um vom schlechten Wahlergebnis in der Steiermark abzulenken“, sagt die Stellvertretende Vorsitzende des SP-Rathausklubs Tanja Wehsely. „Aber so ein guter Genosse war er dann doch nicht, sondern hängt uns diesen Wahnsinn kurz vor den Wahlen um.“

Für sie ist das Verhalten ihres Kollegen im Burgenland unentschuldbar. „Das ist gegen die Linie der Partei, gegen Werner Faymann und alles, wofür die SPÖ ideologisch stehen sollte.“ Nachsatz: „Aber anscheinend sind einige aus dieser Partei ideologisch nicht gefestigt.“ Sie fordert wiederholt den Rücktritt von SP-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos, der Donnerstag im Ö1-Interview von einem „gelungenen Experiment“ gesprochen hat.

Gemeinsame Grundwerte sind für die Wiener Roten gerade jetzt wichtig, denn am 11. Oktober gilt es, mit vereinten Kräften eine Wahl gegen die erstarkende FP zu schlagen. Die derzeitige Strategie: sich möglichst klar von den Blauen abgrenzen. Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler und alle SP-Stadträte versuchen nun, die Partei nach Niessls Tabubruch auf Einigkeit einzuschwören. In sozialen Netzwerken tauschen die Politiker ihre Profilbilder gegen „Rot-Blau-Nein!“-Grafiken. Ein Video mit Wiener Abgeordneten, die gegen den burgenländischen Pakt demonstrieren, ist in Planung. Niedermühlbichler bekräftigt gegenüber der „Presse“: „Wir werden der FPÖ die Tür keinen Spalt öffnen.“

Häme vom Koalitionspartner

Den ersten Ausreißer gibt es aber schon: Josef Kalina war SP-Bundesgeschäftsführer und ist Michael Häupls Wahlkampfberater. Er kann dem burgenländischen Modell durchaus etwas abgewinnen, schreibt er in sozialen Netzwerken. Kalina tritt für die SP am 11. Oktober auf Listenplatz 96 an. „Ich schätze Joe Kalina sehr“, sagt Tanja Wehsely. Und wörtlich weiter: „Aber da hat er Unrecht. Wenn man FP-Anträge anschaut, sieht man, was sie wollen: die Dritte Republik.“

„Warum die SP Wien plötzlich so tut, als wäre eine Zusammenarbeit mit der FPÖ undenkbar, finde ich einigermaßen verwunderlich“, sagt der Grüne Klubchef David Ellensohn, denn auf Bezirksebene brächten SPÖ und FPÖ ständig zusammen Anträge ein. „Der Koalitionspartner hängt in den Seilen wie ein mit blauen Flecken übersäter Boxer. Darum bleibe ich höflich.“ Anders als einige seiner Parteikollegen auf Bundesebene (siehe Seite 1), die nach den Wahlniederlagen mit Kritik und Häme an der SPÖ nicht sparten.

Georg Niedermühlbichler reagierte scharf auf die Kritik des Koalitionspartners. „Die Grünen sollen sich lieber überlegen, warum die Protestwähler nicht zu ihnen gewechselt sind“, sagt er. „Auch für Wien gilt: Sie haben kein Konzept, sie können der FPÖ nichts entgegensetzen. Ja, sie dürfen auch ein bisschen mitspielen, aber lösen kann das nur die SPÖ mit Michael Häupl. Diese ewigen Moralapostel bringen uns auch nicht weiter.“ Man wolle künftig „gegen die Hoffnungslosigkeit“ in der Stadt vorgehen, das Sozialsystem stärken, den Gratiskindergarten erhalten und Wohnungen bauen. Im Wahlkampf solle eine positive Grundstimmung für ein gutes Zusammenleben verbreitet werden.

Der grüne Landessprecher, Georg Prack, schießt wiederum zurück: „Niedermühlbichler soll vor seiner eigenen Tür kehren: Im Wohnbauressort haben sie es nicht geschafft, auf steigende Mieten mit der viel früheren Wiedereinführung des Gemeindebaus zu reagieren – das hätte der FPÖ das Wasser schon lange abgraben können.“ Und: „Ich glaube Michael Häupl, dass er nicht mit der FPÖ zusammenarbeiten will. Die Frage ist, ob er das nach der Wahl noch entscheidet. Rot-Blau im Burgenland zeigt, wie schnell die SPÖ ihre Prinzipien für den Machterhalt aufgibt.“

Tanja Wehsely reagiert auf derartige Vorwürfe ungehalten und postet auf Facebook: „Jeder frustrierte Bobokoffer, der aus Trotz seine Stimme zurückzieht und auf die böse, böse SPÖ eindrischt, spielt zwar auch dem Salonprojekt Grüne in die Hände, aber im Wesentlichen nimmt er Gewicht aus der linken Wahlschale.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2015)

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