Kommission gibt nach: Parlamente dürfen über Ceta abstimmen

Das Handelsabkommen CETA sorgt für Disput zwischen Kommission und Nationalstaaten.
Das Handelsabkommen CETA sorgt für Disput zwischen Kommission und Nationalstaaten.REUTERS
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Das Handelsabkommen mit Kanada wird doch nicht als reine EU-Angelegenheit eingestuft. Damit haben die nationalen Parlamente Mitspracherecht.

Es wäre wohl zum offenen Streit zwischen EU-Kommission und einigen Mitgliedsländern gekommen, doch die Kommission lenkte ein. Trotz eines anderslautenden, juristischen Gutachtens wird das Handelsabkommen mit Kanada (Ceta) nicht als reine EU-Angelegenheit eingestuft - das bedeutet: die nationalen Parlamente dürfen mitbestimmen, bzw. müssen über das Abekommen abstimmen. Das verkündete Handelskommissarin Cecilia Malmström am Dienstagnachmittag.

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte beim EU-Gipfel vorige Woche noch erklärt, die Behörde sehe Ceta als reines EU-Abkommen und wolle daher keine direkte Mitentscheidung auf nationaler Ebene. Dies war auf massiven Protest in den Mitgliedstaaten gestoßen.

Malmström sagte, die EU-Kommission sei weiter der Ansicht, dass es sich bei Ceta rein rechtlich um ein EU-Abkommen handle, so wie Kommissionschef Jean-Claude Juncker dies beim EU-Gipfel in der Vorwoche erklärt habe. "Aber wir schlagen es als gemischtes Abkommen vor", sagte Malmström. Anders gäbe es dazu keine Einigkeit. Die EU-Kommission wolle, dass die EU-Staaten Verantwortung angesichts der Globalisierungskritik und der Stimmungsmache gegen Ceta und den geplanten EU-US-Handelspakt TTIP übernehmen.

"Es wird die Ratifizierung durch das österreichische Parlament und die Parlamente der anderen Mitgliedstaaten brauchen", sagte Malmström. Das Abkommen könne dann mit vorzeitiger Wirkung in Kraft treten. Die EU-Kommission hoffe darauf, dass der EU-Gerichtshof im Frühjahr nächsten Jahres Leitlinien gebe, wenn er beim EU-Singapur-Handelsabkommen über die Frage der Zuständigkeit entscheide.

Vizekanzler und Wirtschaftsminister Mitterlehner begrüßte die Entscheidung: "Unser Einsatz hat sich gelohnt. Damit ist die Einbindung der nationalen Parlamente gesichert. Das ist ein Erfolg für Österreich und andere Mitgliedsländer, die sich massiv gegen die Einstufung als reines EU-Abkommen ausgesprochen haben. Es war auch eine Frage von Treu und Glauben, damit das Vertrauen in Europa gewahrt bleibt", sagte er laut Aussendung.

Kritik an Kommissions-Alleingang

Österreichs Kanzler Christian Kern (SPÖ) hatte vorige Woche seine Kritik an dem Vorschlag, die nationalen Parlamente bei der Ratifizierung des Handelspakets nicht einzubeziehen, bekräftigt. Wenn die EU darüber diskutiere, wie sie Vertrauen von der Bevölkerung zurückgewinne, "ist das kein guter Beginn, die nationalen Parlamente hier in die Ceta-Beschlussfassung nicht einzubeziehen", meinte er vorige Woche nach dem EU-Gipfel.

Das Abkommen hätte aber in jedem Fall vom EU-Parlament abgesegnet werden müssen, also von den gewählten Parlamentariern der noch 28 EU-Mitgliedstaaten.

Kritik aus Österreich an Ceta

ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas sagte, Juncker sei sehr enttäuscht über den Druck der EU-Mitgliedstaaten in dieser Frage gewesen. Es gehe nun um Aufrichtigkeit in der Diskussion. "Wir müssen die Globalisierung nach unseren Standards, Werten und Rechtsprinzipien regeln. Österreich hat bisher immer von Handelsabkommen profitiert. Zwei Drittel unseres Wohlstands erwirtschaften wir außerhalb Österreichs", so Karas. Alle inhaltlichen Bedenken und Forderungen Österreichs seien nunmehr erfüllt.

Kritik an Ceta äußerte die SPÖ-Europaabgeordnete Karoline Graswander-Hainz am Dienstag vor der Entscheidung der EU-Kommission. "Ceta ist in vorliegender Form für mich nicht akzeptabel", erklärte sie im Namen der SPÖ-Delegation. Die Abgeordnete kritisierte insbesondere den Investorenschutz und unklare Formulierungen, etwa zum Umweltschutz.

Der grüne Europaabgeordnete Michel Reimon forderte Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) auf, Stellung zu beziehen. "Wir brauchen bis zur Ratsabstimmung im September eine klare österreichische Regierungsposition. Bundeskanzler Kern sollte der berechtigten Kritik seiner EU-Abgeordneten glauben und sicherstellen, dass Österreich im Rat gegen Ceta stimmt." Reimon hält allerdings das geplante vorzeitige Inkrafttreten von Ceta im Jänner für das größere Problem.

Klar für Ceta sprach sich die NEOS-Abgeordnete Angelika Mlinar aus. Das eigentliche Ziel der Forderungen, warum Ceta zu einem "gemischten Abkommen" erklärt werden sollte, sei es, dass der Handelspakt zu Fall gebracht werden soll, kritisierte Mlinar. Gegen Ceta sprach sich auch die FPÖ aus. "Zum jetzigen Zeitpunkt sind wir klar dagegen", so der FPÖ-Europaabgeordnete Georg Mayer.

(APA/Reuters)

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