Kopftuchjäger

Im Moment, in dem ein Staat Kopftücher verbietet, hört er auf, neutral zu sein. Über Populismus und Rechtfertigungsversuche, die an Widersprüchen scheitern.

Der Vorstoß von Sebastian Kurz für ein Kopftuchverbot in öffentlichen Einrichtungen ist verständlich: Duftmarken, die „unser“ Revier gegen unerwünschte Fremde abgrenzen, bringen Stimmen. Und ohne Stimmen keine Gestaltungsmacht. Aber gibt es auch sachliche Gründe für ein Verbot? Der Initiator der Idee, Heinz Faßmann vom Expertenrat für Integration, ein kluger und nachdenklicher Mann, nennt im Interview mit den „Salzburger Nachrichten“ zwei: die Neutralität des Staates. Und: Ein Kopftuch sei „nicht nur ein Stück Textil, sondern auch eine Botschaft“, die eine Gegenbotschaft braucht. Diese Gründe stehen aber im Widerspruch zueinander. Welche Botschaft hat denn das Kopftuch? Ist es, wie Alice Schwarzer sagt, die „Flagge des Islamismus“? Dann müsste der Staat es überhaupt verbieten. Nicht, weil er neutral ist, sondern im Gegenteil: weil er angesichts einer Kultur des Hasses und der Unterdrückung nicht neutral bleiben kann, sondern die Gegenkultur zu verteidigen hat. Eine „Flagge des Islamismus“ bloß aus dem Erscheinungsbild öffentlicher Ämter zu verdrängen, wäre lächerlich unangemessen.

Aber was, wenn die Botschaft des Kopftuches zumeist einfach nur die ist: Muslimin zu sein, ist Teil meines Wesens – und ich drücke in meinem Anziehen aus, was ich bin? Ist es dann neutral zu sagen: Sei von mir aus Muslimin, aber dein Anziehen hat gefälligst auszudrücken, wie dich die Gesellschaftsmehrheit haben möchte?

Oder ist die Botschaft des Kopftuchs jene der Unterdrückung der Frau? Wie richtig ist es dann, die Frau dem Modediktat des Vaters oder Ehemannes zu entreißen und jenem des Außenministers zu unterstellen? Sollte man bei Unterdrückungen nicht eher gegen die Unterdrücker vorgehen statt gegen ihre Opfer?

Wenn Kurz „Ich halte euch den Islam vom Leib!“ signalisieren will, dann sollte er das auch offen sagen. Versteckt er sich hinter Argumenten der Liberalität, endet er in Widersprüchen: bei Fremdbestimmung im Namen der Emanzipation. Und beim Entfernen jeglicher religiösen Präsenz aus dem öffentlichen Raum, auch der Kreuze. Was nicht neutral wäre, sondern antireligiös – und genau das Gegenteil von dem, was die umworbene Zielgruppe will. Die sieht ja schon im Rauschebart des Nikolos und in jedem Christkindkitsch ein unaufgebbares Bollwerk unserer Kultur gegen die Islamisierung.

Kopftuchverbote sind ein Rückschritt von jener Liberalität, die sie zu verteidigen vorgeben. Wäre der Islam als solcher wirklich ein Feind, wären sie Augenauswischerei. Ist er es nicht, sind sie Gängelung. Verantwortliche Politik ist beides nicht.

Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/cultureclash

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2017)

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