Hat Italien Regeln des internationalen Seerechts verletzt?

Flüchtlinge zurück in Libyen.
Flüchtlinge zurück in Libyen. (c) REUTERS (HANI AMARA)
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Ein Schiff unter italienischer Flagge brachte Flüchtlinge zurück nach Libyen – wo ihnen in überfüllten Lagern menschenunwürdige Zustände drohen. Die Regierung in Rom bestreitet jedoch, überhaupt in den Fall involviert gewesen zu sein.

Wien/Rom/Tripolis. „Die Standards sind in Libyen nicht erfüllt.“ Die Antwort der EU-Kommission lässt keine Fragen offen – auch wenn sie den konkreten Fall offiziell nicht kommentieren will: Anfang der Woche hatte ein italienisches Versorgungsschiff mit dem Namen „Asso Ventotto“ im Mittelmeer gerettete Migranten zurück nach Libyen gebracht – in einen Hafen Nahe der Hauptstadt Tripolis. In den Flüchtlingslagern des Landes herrschen oft völlig menschenunwürdige Zustände, wie Menschenrechtsorganisationen regelmäßig beklagen. Internationale Konditionen des Seerechts schreiben jedoch vor, dass das Leben der betroffenen Flüchtlinge nicht länger gefährdet sein darf, wenn sie an einem Ort abgesetzt werden, erinnerte die zitierte Kommissionssprecherin. Zudem muss sichergestellt sein, dass Unterkunft, Verpflegung und medizinische Versorgung gewährleistet sind.

In der Brüsseler Behörde betont man außerdem, dass EU-Schiffe gerettete Migranten nach internationalen Regeln auch dann nicht nach Libyen bringen dürften, wenn der Rettungseinsatz in dem Meeresgebiet erfolgt, für das sich Libyen zuständig erklärt hat. Erst Ende Juni hatten libysche Behörden eine Such- und Rettungszone eingerichtet, die sich auch auf internationale Gewässer vor der Seegrenze des Bürgerkriegslandes erstreckt. Im Fall der Fälle müssten sich Schiffskapitäne demnach Anweisungen der libyschen Küstenwache widersetzen und selbst nach einem sicheren Hafen suchen.

Für libysche Ölplattform im Einsatz

In dem konkreten Fall behauptete die spanische NGO Proactiva Open Arms zunächst, die „Asso Ventotto“ habe auf Anweisung der italienischen Küstenwache die Kollegen in Libyen kontaktiert und in Folge die Anweisung erhalten, den Hafen Tripolis anzulaufen. Das bestreitet Italiens Innenminister jedoch vehement: „Die Rettung ist nicht von der italienischen Küstenwache koordiniert worden, wie eine ausländische NGO behauptet“, so Matteo Salvini.

Tatsächlich ist das Schiff zwar unter italienischer Flagge, aber für eine libysche Offshore-Ölplattform im Einsatz. An Bord sollen unbestätigten Gerüchten zufolge libysche Küstenschützer gewesen sein, die direkt mit den libyschen Behörden Kontakt aufgenommen haben.

Sollte sich jedoch bestätigen, dass Italien die Anweisung zur Ausschiffung nach Libyen gegeben hat, käme das wohl einer Verletzung internationalen Rechts gleich. Schon einmal, im Jahr 2012, war Italien wegen der Abschiebung von im Mittelmeer geretteten Afrikanern vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt worden. In der Begründung hieß es damals, mit der Rückführung habe Rom diese Menschen der Gefahr unmenschlicher Behandlung ausgesetzt.

EU bildet Libyer aus

Doch auch die EU selbst muss sich im aktuellen Fall den Vorwurf der Doppelzüngigkeit gefallen lassen: So bildeten Einsatzkräfte im Auftrag Brüssels in den vergangenen Monaten 230 libysche Küstenwächter dazu aus, Menschen auf hoher See zu retten – und in das Bürgerkriegsland zurück zu bringen.

So und durch eine Reihe anderer Maßnahmen – erwähnt seien nur die viel zitierten Hot Spots in den Transitländern Nordafrikas – sollen die Flüchtlingsankünfte in Europa mittelfristig drastisch reduziert werden. Während die Zahlen der Ankömmlinge auf italienischem Boden tatsächlich zurückgegangen sind, versuchen immer mehr Menschen, über die Route im westlichen Mittelmeer Richtung Spanien ihr Ziel Europa zu erreichen. (aga/ag).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2018)

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