Der Heilige Krieg der heutigen Blockwarte gegen die Raucher

Den zahlreichen selbst ernannten „Rauchersheriffs“ geht es nicht um den Schutz der Nichtraucher, sondern ums Verbieten.

Dass wir stückweise die in einer Demokratie selbstverständliche und mühsam errungene Freiheit an der Garderobe abzugeben scheinen, ist nichts Neues: von Flughafenkontrollen, Fingerprints und Körperscannern, Videoaufzeichnungen auf allen möglichen öffentlichen Plätzen bis zur Überwachung am Telefon; ganz zu schweigen von der Auswertung der Spuren, die Bankomat, Kreditkarten und vor allem unsere Arbeit an den Computern hinterlassen.

Die EU hat – neben vielen grotesken Verordnungen wie zur Gurken- und Bananenkrümmung, zum Streit um die Bezeichnung „Marmelade“ bis zum Glühbirnenverbot – sich auch mit Einschränkungen profiliert, die bis zur Verbannung des Rauchens gehen. Dabei ergibt sich manch paradoxe Situation, für die die jüngste Raucherverordnung in Ungarn ein besonders markantes Beispiel darstellt.

Der Feldzug gegen die Raucher, dessen „Endsieg“ ihre totale Vernichtung sein soll, hat neben den üblichen Aggressionen eine neue Nuance erhalten: Als die neue Westbahn ein Raucherabteil einrichtete, dessen technische Finessen jedwede Schädigung anderer Passagiere ausschließt, hagelte es dennoch Anzeigen durch selbst ernannte „Rauchersheriffs“. Das ist eine durchaus zutreffende Bezeichnung, die daran erinnert, dass Sheriffs zur Einhaltung der Rechtsordnung verpflichtet sind, aber nicht selten dieses Recht selbst in die Hand nehmen und nach Belieben damit verfahren.

Lange Tradition im Denunzieren

Zuletzt sind die Anti-Raucher- Fundis mit der Forderung aktiv geworden, Rauchpausen einzuarbeiten, wobei ihnen schon die vernünftige Regelung in der Gastronomie in Österreich ein Dorn im Auge ist. Dass Österreich eine lange Tradition im Vernadern und Denunzieren aufweist, ist nichts Neues. Man erinnere sich an die Lust am Denunzieren, welche bereits die Blockwarte des Dritten Reiches auszeichnete. Die Fundamentalisten der Anti-Raucher-Bewegung schießen dabei weit über das verständliche Ziel hinaus, Nichtraucher zu schützen. Denn es geht ihnen offenbar nicht um den Schutz der Nichtraucher, sondern ums Verbieten.

Moralische Bevormundung

Hier hilft auch der Verweis auf die inzwischen zum religiösen Dogma aufgestiegene Anbetung der Gesundheit nicht. Denn neben den Schädigungen, die durch Rauchen entstehen können, sind die Schäden durch Alkohol, fettreiches Essen, aber auch durch Sport statistisch gesehen in der Überzahl.

Gesundheit, ein an sich harmloser Begriff, ist schwer zu definieren. Hinter der gesundheitlichen Fürsorge verbirgt sich nur allzu leicht die Tendenz zu einer moralischen Bevormundung. Eine solche stellt eine größere Bedrohung dar als die Gefährdung der Gesundheit durch das Rauchen.

Die in dieser Diskussion gern angeführten Studien und Untersuchungen stehen letztlich auf tönernen Füßen, wie bereits der deutsche Philosoph Günter Ropohl nachgewiesen hat, indem er gezeigt hat, dass dabei statistische Korrelationen unreflektiert zu Kausalerklärungen umgedeutet werden. Die Gefahr des Passivrauchens wird als unglaubwürdiges statistisches Konstrukt entlarvt.

Was in diesem Feldzug gegen die Raucher erschreckt, ist nicht das Bemühen, nicht rauchende Personen vor der Belästigung durch Rauch zu schützen, sondern der jeden Fundamentalismus auszeichnende Unfehlbarkeitsglaube. Der lässt keine Ausnahmen zu und geht so weit, Minoritäten nicht nur aus einer vernünftigen Diskussion auszuschließen, sondern ihnen letztlich Rechte abzusprechen.

DDr. Peter Kampits ist Professor am Institut für Philosophie der Universität Wien.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2012)

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