UMP: Grabenkampf um Sarkozy-Nachfolge

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Parteikrise. Nach dem Abschied von Nicolas Sarkozy gehen in der konservativen UMP bereits die Anwärter für die nächste Präsidentenwahl in Position.

Ich bereite mich darauf vor, wieder ein Franzose unter Franzosen zu sein." Nicolas Sarkozy trat Sonntagabend, weniger als eine halbe Stunde nach Bekanntgabe des offiziellen Wahlergebnisses, vor seine Anhänger und gestand seine Niederlage ein. Gerade habe er mit François Hollande gesprochen, um ihm zum Sieg zu gratulieren und ihm für die Präsidentschaft viel Glück zu wünschen. Seine Mitstreiter rief er dazu auf, das „demokratisch zustande gekommene" Ergebnis zu akzeptieren und bat sie daran zu denken, dass es etwas Größeres gibt: „Das Vaterland, Frankreich".

Unter den „Merci, Merci"-Rufen war der abgewählte Präsident oft kaum zu verstehen. Für seine Niederlage will Sarkozy die volle Verantwortung übernehmen und kündigte seinen politischen Rückzug an.
In seiner Partei UMP werden unterdessen bereits die Messer gewetzt: Mehrere Persönlichkeiten bringen sich öffentlich für die Präsidentschaftskandidatur in fünf Jahren in Stellung und machen sich die Führung der Opposition streitig. Die Eintracht der drei wichtigsten Exponenten bei einer gemeinsamen Wahlveranstaltung am Donnerstag war darum trügerisch und gespielt.

„Neues Kapitel in Parteigeschichte"

Außenminister Alain Juppé empfing als Bürgermeister von Bordeaux in seiner Stadt Premierminister François Fillon und UMP-Chef Jean-François Copé. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die drei sich hinter den Kulissen bereits einen erbitterten Kampf um die Nachfolge von Sarkozy liefern. Nicht etwa, dass sie dessen Niederlage gewünscht haben, aber für 2017 glaubt jeder der drei, die besten Karten in der Hand zu haben.

Copé stellte sogar indirekt die bis gestern unbestrittene Autorität des bisherigen Staatschefs infrage. Es sei jetzt schon nötig, „ein neues Kapitel in der Geschichte der UMP zu beginnen", sagte er und schlug dazu vor, für die Nominierung des Präsidentschaftskandidaten das nächste Mal „Primärwahlen" zu organisieren - wie das die Sozialisten mit großem Erfolg im letzten Herbst vorgemacht haben. Copé fordert auch, in der Partei organisierte Strömungen zuzulassen, um so der politischen Meinungsvielfalt innerhalb der bürgerlichen Rechten mehr Platz zu gewähren als bisher. Er selbst möchte dabei den Pluralismus an der Spitze garantieren. Er weiß, dass durch die Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen und dem jetzt zu befürchtenden Debakel bei den Parlamentswahlen die Einheit der UMP auf dem Spiele steht. Die Frage möglicher Wahlabsprachen mit der extremen Rechten könnte nun zur Zerreißprobe werden.

Zusammenarbeit mit Front National?

Vor allem mit der Kampagne seit dem ersten Wahldurchgang hat Sarkozy sich dem Front National (FN) von Marine Le Pen zumindest rhetorisch so weit angenähert, dass viele UMP-Mitglieder nicht verstehen, weshalb ihre Partei nicht offen mit den Rechtspopulisten gegen die linken Gegner gemeinsame Sache macht.
Unvereinbare grundlegende Meinungsverschiedenheiten sehen dagegen Vertreter der Mitte wie der Radikale Jean-Louis Borloo oder traditionelle Gaullisten wie Dominique de Villepin. Sie betrachten den schwindenden Abstand zum FN kritisch. Ähnlich fällt auch die Analyse des Zentrumsdemokraten François Bayrou aus, der Sarkozys Rechtswende hin zu den FN-Wählern als Verrat an den Grundwerten der liberalen und gaullistischen Rechten verurteilt und deswegen „faute de mieux" Hollande gewählt hat.

Wie Marine Le Pen spekuliert François Bayrou wohl auf eine Krise der UMP nach dieser Niederlage, die im bürgerlichen Lager eine personelle und ideologische Neuausrichtung zur Folge haben dürfte. Im besten Fall bekommt Frankreichs politische Rechte dabei ein Chance zur Erneuerung; wahrscheinlich ist es aber auch, dass diese nur um den Preis einer tiefe Krise möglich ist, bei der es nicht nur um die Führung und Orientierung gegenüber einer triumphierenden Linken geht, sondern um die politische Identität. Sarkozy hat in der Vergangenheit angekündigt, dass er sich im Fall einer Niederlage ganz aus der Politik zurückziehen wolle, um sich anderen beruflichen Aktivitäten - er ist Anwalt und Mitbesitzer einer Advokatur - zu widmen. Sein Abgang schafft nun kein Vakuum, im Gegenteil: Er würde den Platz für eine personelle und politische Verjüngungskur der Partei frei machen.

Für UMP schlägt Stunde der Wahrheit

Seit Jahrzehnten ließ sich auch Frankreichs Rechte in der sakrosankten Tradition von General de Gaulle vom Glauben an die staatliche Intervention leiten. Sarkozy wollte dieses Tabu brechen, kam aber nicht über ein paar Provokationen hinaus und kapitulierte letztlich wie sein Vorgänger auch vor der Macht der Gewohnheit und dem Widerstand korporatistischer Interessen. Für die UMP schlägt jetzt die Stunde der notwendigen Lehren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2012)

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