Anwalt Gehmacher wusste bei der Telefonberatung nicht, dass die Bank in Gefahr war. Er dachte an eine Person von öffentlichem Interesse, die ein Kreditproblem habe.
Beim zweiten Bawag-Prozess hat der damalige Bawag-Anwalt Florian Gehmacher über vier Telefonate mit dem ehemaligen Bawag-Vorstand und dem später dazugekommen Aufsichtsratspräsidenten Günter Weninger, der auf der Anklagebank sitzt, vom 27. Oktober 1998 ausgesagt. Es war ungewöhnlich, dass der gesamte Vorstand und der Aufsichtspräsident der Bank bei einem Telefongespräch dabei waren, so Gehmacher. Er nahm, dass es sich um "eine Person von öffentlichem Interesse" handle, die ein Kreditproblem hätte, und nicht, dass die Bank in Gefahr wäre. Den genauen Sachverhalt habe er damals nicht erfahren.
An die Gespräche konnte sich Gehmacher wie beim ersten Prozess nicht mehr erinnern, allerdings rekonstruierte er einige Dinge aus seinem damals verfassten Aktenvermerk, den Buchhaltungsunterlagen und der Telefonanlage seiner Kanzlei. Am 27. Oktober 1998 telefonierte er wahrscheinlich dreimal am Vormittag mit dem Bankvorstand und einmal am Nachmittag, weil nachmittags AR-Präsident Weninger dazugekommen war, so Gehmacher. Die Telefongespräche sollen zwischen drei und neun Minuten gedauert haben, Hauptansprechpartner war Elsner. Er habe sich bei Gehmacher über den undichten Aufsichtsrat beschwert.
"Person von öffentlichem Interesse"
Elsner schilderte einen Problemfall bei einem Kredit, berichtete der Anwalt. Es wäre sehr ungünstig gewesen, wenn dieser an die Öffentlichkeit käme, soll Elsner Gehmacher damals erzählt habe. Gehmacher dachte, dass es "um eine Person von öffentlichen Interesses" ginge. Es könnte unangenehm für einen Kreditnehmer werden, wenn so etwas publik würde, so der Anwalt. Später habe er die Vorgespräche dem am Nachmittag dazugekommenen Weniger wahrscheinlich summarisch mitgeteilte, ob es Zusatzfrage gegeben habe, könne er nicht ausschließen.
Ob die Umstände eine gewisse Größe des Kredits impliziere?, wollte Richter Christian Böhm von Gehmacher wissen. Er habe sich schon damals gedacht, dass es sich um keinen Bagatellfall handle, eine Gefahr für die Bank habe er aber nicht vermutet. Wenn er gewusst hätte, worum es ginge, hätte er sicher keinen Ratschlag gegeben, sondern es hätte eines Gutachtens bedurft, sagte Anwalt Gehmacher. Zu weiteren Details konnte er kaum Auskunft geben, weil er sich nicht mehr erinnerte.
Dass die Telefonate aus dem Jahr 1998 Gegenstand von strafrechtlichen Ermittlungen waren, habe er 2005 nach einem Anruf der Bawag-Rechtsabteilung erfahren und dann begonnen zu recherchieren, berichtete der Anwalt.
(APA)