Integration - 3: Erkannt - Integration passiert nicht von allein

Islamische Frauen in der Bergwelt
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Nachdem Integrationsbemühungen lange Zeit vernachlässigt wurden, kam es vor drei Jahren mit der Bildung eines Staatssekretariats zu einem Umdenken mit großen Fortschritten. Die Versäumnisse belasten das Klima aber bis heute.

Selbstbewusstsein aufzubauen ist nicht einfach, wenn einem jahrzehntelang mehr oder weniger subtil das Gefühl gegeben wird, unwillkommen zu sein. Daher ist es auch nicht besonders verwunderlich, dass beispielsweise türkischstämmige Migranten einer aktuellen Studie zufolge der Meinung sind, dass Österreicher ein negatives Bild von ihnen hätten - und sie für „fremdenfeindliche", „religiöse" und „schwache" Menschen hielten, die das Sozialsystem ausnutzen wollten.

Dass es so weit gekommen ist, liegt unter anderem daran, dass die Politik Integrationsbemühungen lange vernachlässigte - in der naiven Hoffnung, dass Integration von alleine passieren würde. Ein zweiter Aspekt: Es gab lange kaum Identifikationsfiguren für Zuwanderer. Weder in der Person von Role Models, zu denen sie aufblicken konnten, noch in der von Interessenvertretern - denn die meisten der sogenannten Integrationsexperten zeichneten in der öffentlichen Diskussion ein Bild von Migranten als Personen, die hilfsbedürftig seien und beschützt gehörten. Womit sie vor allem ihre Opferidentität verfestigten, statt ihnen Selbstwertgefühl zu verleihen.

Erst vor drei Jahren kam es in der Regierung zu einem längst fälligen Umdenken. Mit einem Integrationsstaatssekretariat wurde nicht nur eine bundesweite politische Zuständigkeit installiert, sondern mit Sebastian Kurz an seiner Spitze auch jemand präsentiert, der von Zuwanderern nicht mehr nur als Außenseiter sprach. Sein Team stellte eine Gruppe erfolgreicher Österreicher mit Migrationshintergrund zusammen, begleitete sie in Schulen und stellte „Integration durch Leistung" in Aussicht.

Womit der Nerv der Migranten getroffen wurde, die nicht aufgrund ihrer Herkunft beurteilt werden wollen. Und auch jener der Mehrheitsgesellschaft, der damit vermittelt wird, dass Zuwanderer arbeiten wollen - und nicht das System ausnützen. Dadurch wechselte man vom angstvoll-defensiven zu einem aktiven Integrationskurs, wodurch in den vergangenen Jahren mehr geschehen ist als in den fünf Jahrzehnten zuvor. Von der vereinfachten Anerkennung im Ausland erworbener akademischer Qualifikationen über die sprachliche Frühförderung bis hin zu den erwähnten Role Models.

Migrationshintergrund als Plus

Diese „Integrationsbotschafter", darunter Schauspieler Mike Galeli und Moderatorin Arabella Kiesbauer, erzählen in Schulklassen von ihrer Erfolgsgeschichte, um zu demonstrieren, dass ein Migrationshintergrund nicht nur kein Hindernis ist, sondern sogar ein Vorteil für die Karriere sein kann. Dass also der soziale Status keinesfalls vererbt werden muss.

Welchen Effekt eine ernst gemeinte Integrationspolitik haben kann, zeigt der aktuelle Bericht zu Migration und Integration, wonach sich in Österreich lebende Türken zu 82 Prozent „völlig heimisch" oder „eher heimisch" fühlen. Vor vier Jahren waren es noch 72 Prozent. Dass es nicht noch mehr sind, ist auf die Versäumnisse der Vergangenheit zurückzuführen. Genau die werden die Einwanderungsgesellschaft wohl auch in den nächsten Jahren noch belasten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2014)

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