Medienlandschaft - 3: Viele Blätter, wenig Bäume

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Print, TV und Online. Österreichs Medienlandschaft ist vom Ungleichgewicht zwischen dem ORF und den Privatmedien geprägt. Der Politik gefällt es, wenn die Medienmacher betteln.

Das Glas ist für die einen halb voll, für die anderen halb leer. Österreich hat gemessen an der Bevölkerungszahl eine hohe Dichte an Zeitungen und Magazinen, doch hoch ist auch die Medienkonzentration: viele Blätter, aber wenig Bäume. Das Land gab 2003 als eines der letzten in Europa das Monopol des staatlichen Rundfunks auf, erst seit damals gilt, was überall sonst seit den Achtzigern normal war: das duale Rundfunksystem, also das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern.

Die Langzeitschäden dieser Verzögerung sind groß: Das Privatsendernetz ist immer noch überschaubar, der Medienmarkt durch die gesetzliche Ungleichbehandlung der beiden Marktteilnehmer verzerrt, die Atmosphäre zwischen ORF und den privaten Sendern kühl bis frostig. Während in Deutschland ARD und die Privaten wie ProSieben oder RTL bei Songcontest-Vorausscheidungen oder Kanzler-Duellen kooperieren, werden hierzulande juristische Klein- und Großkriege zwischen den Rundfunk-Rivalen ausgefochten. Aber, so mancher Beobachter sieht sogar in diesem verzerrten Rundfunkmarkt wieder das Glas halb voll. So sei der späte Einstieg der Privatsender in den österreichischen Medienmarkt zumindest für die Verleger ein Segen. Sie würden davon profitieren, dass sich das Werbegeld, das lange nur in den ORF und die Zeitungen floss, bis heute eher dort hält. Vielleicht spürt die Printbranche auch deshalb globale Trends wie sinkende Werbeumsätze und Reichweiten immer mit etwas Verspätung im Vergleich zu den deutschen Nachbar.

Die Wunschliste der Medienmacher

Träge und eitel ist die heimische Medienpolitik. Den Regierjng gefällt sichtlich, dass jene Branche, die sich gerne selbstbewusst als vierte Gewalt im Staat bezeichnet, ständig betteln kommt: Der ORF wünscht sich ein paar Extramillionen zu den 600 Millionen Euro Gebühren und den Werbeeinnahmen. Die Verleger wollen mehr Geld im Pressefördertopf und ein Lizenz-Werkzeug, um gegen Suchmaschinenbetreiber wie Google vorzugehen, gleich dazu. Immerhin, zu ein bisschen Transparenz hat sich die Bundesregierung vor zwei Jahren durchgerungen. Seither müssen Ministerien, Gemeinden und staatsnahe Betriebe vierteljährlich offenlegen, in welchen Medien sie für wie viel Geld Anzeigen geschaltet haben. Was nichts daran ändert, dass vor allem die Wiener Boulevardmedien eine Spezialbehandlung erfahren. Nur dank des halbherzig und erst auf Druck nach der Inseratenaffäre rund um Asfinag und ÖBB eingeführten Transparenzgesetzes bekommt die heimische Medienpolitik gerade noch ein Genügend.
Und die Medieninhalte, wie gut sind die? Der ORF frohlockt gerade, dass er Europas größten Liederwettbewerb nach Österreich gebracht hat. Andere Programmhighlights gelangen ihm zuletzt selten, wobei die in einem Jahr mit Olympia und Fußball-WM schwerer finanzierbar sind. Mit den Samba-Tänzerinnen und der gesamten WM-Berichterstattung hat man sich nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert. Dafür punktet der ORF verlässlich mit Comedy, auch wenn der jüngste Wurf „Bösterreich“ mit Robert Palfrader und Nicholas Ofczarek nicht so gelang wie davor „Braunschlag“. 

Glänzen kann der ORF aber in der Information. Die Wahlberichterstattung im Herbst 2013 war so gut, dass die Regierung nach der Wahl behauptete, der ORF sei schuld an ihrem schlechten Abschneiden. Innovativ war auch die Roadshow „Wahlfahrt“ mit Hanno Settele. Interessanterweise punkten auch die Privatsender vor allem in der Information: Puls 4 mit seiner Diskussionssendung „Pro & Contra“ und den Wahl-Duellen, ATV bis vor Kurzem mit „Am Punkt“. Schade, dass der Sender seinen einzigen politischen Talk nun abgesetzt hat. Sonst sind die heimischen Fernsehmacher Meister im Abschreiben und Kopieren. Der ORF holt immer noch die Bestquoten mit Stangen-Shows wie „Dancing Stars“ und „Die große Chance“, Puls 4 mit der Austro-Version von „Germany's Next Topmodel“. Und Daily-Soaps sind wirklich nicht das Spezialgebiet Österreichs Fernsehmacher: Nach dem ORF-Desaster mit „Mitten im Achten“ scheiterte gerade ATV mit „Wien – Tag und Nacht“.

Die Printbranche durchlebt derzeit vermutlich den größten Wandel ihrer Geschichte. Dennoch bleibt Österreich ein Land der Zeitungsleser. Das liegt nicht nur an der Abonnement-Tradition, sondern auch an den Bemühungen der Verlage, die ihre Marken mittlerweile auf alle Plattformen tragen – ins Internet, aufs Tablet, aufs Handy – und die gleichzeitig durch Sparprogramme der internationalen Krise am Printmarkt erfolgreich trotzen konnten. Nachzügler sind die Printhäuser beim Thema Bezahlinhalte im Netz. Während in Deutschland schon 100 Zeitungen und Magazine Geld für ihre Texte im Netz verlangen, tun das in Österreich weniger als eine Handvoll.

Viel hat sich in der Medienbranche im vergangenen Jahrzehnt getan: Zwei Gratiszeitungen wurden gegründet, eine Sonntagszeitung, der ORF bekam zwei Spartensender dazu, ATV einen Zweitsender, Dosenhersteller Red Bull stieg mit ServusTV und dem gleichnamigen Magazin ins Mediengeschäft ein, und gerade bastelt die „NZZ“ an einem Österreich-Ableger. Für Inhalte und Gründungsmut bekommen die Medien ein Gut. Macht gemeinsam mit der Medienpolitik also ein Befriedigend.

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