"Geistige Freihandelszone Österreich"

ABFAHRT DER HERREN IN KITZBUEHEL - SCHWARZENEGGER -
ABFAHRT DER HERREN IN KITZBUEHEL - SCHWARZENEGGER -APA
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Wie kann Österreich sein Profil in der Welt schärfen? "Die Presse am Sonntag" fragte Persönlichkeiten aus Politik, Kultur, Wirtschaft.

So ein Tellerrand kann eine ganz schön hohe Angelegenheit sein. Manchmal so hoch, dass man kaum darüber hinausblicken kann. Provinziell, auf sich selbst bezogen, ignorant: Nicht nur Thomas Bernhard hat dies Österreich und den Österreichern immer wieder vorgeworfen. Wozu auch sich um die Welt kümmern, wenn man ohnehin deren Nabel ist.

Doch was davon stimmt heute noch? Wie international ist unser Land, und, vor allem, wie kann es internationaler werden? Wie sein Profil in der Welt schärfen, kann und soll es sich besser verkaufen? Die Antworten fielen – zum Glück – recht unterschiedlich aus. Ein wichtiger Punkt, auf den sowohl der Künstler André Heller als auch Ex-Vizekanzler Erhard Busek hinweisen: Mit Verkaufen ist nichts erreicht. Solange keine Substanz da ist, wird Marketing nichts bringen, nach dem einfachen Prinzip: Wo nichts ist, kann auch nichts verstärkt werden.

Diplomatin und Ex-Außenministerin Ursula Plassnik warnt vor Selbstzufriedenheit. Ebenso wie der Modeschöpfer Atıl Kutoğlu weist sie darauf hin, dass man sich nicht zurücklehnen dürfe, die Konkurrenz schlafe schließlich nicht. Zurücklehnen ist wiederum genau das, was Niki Lauda empfiehlt, in dem Sinn, dass er rät, am bewährten Konzept nichts zu ändern. Die Schriftstellerin Barbara Frischmuth weist darauf hin, dass das Internationale etwa in Gestalt von Flüchtlingen und Migranten schon hier sei, und man dieses Potenzial nur besser nützen müsse. Wir sind internationaler, als wir glauben, meint schließlich der ehemalige Verwaltungsgerichtshof-Präsident Clemens Jabloner.

André Heller

„Wir sollten uns nicht trickreich verkaufen. Wir sollten einfach tatsächlich etwas glaubwürdig repräsentieren, was wunderbar ist. Wenn Karl Kraus von einer Versuchsstation des Weltuntergangs sprach, dann würde ich von einer Versuchsstation für Gelungenes reden. Was die Schweiz für Geld ist, könnten wir für Kreativität sein. Wenn einer Inspiration in Sachen verantwortungsvolles Verwirklichen benötigt, dann sollte ihm Österreich einfallen: eine Art geistige Freihandelszone, ein Ideenumschlagplatz, und zwar auf allen Gebieten, auf die es in der Gegenwart und der Zukunft ankommt: zum Beispiel in der Forschung, der Bildung, der Ökologie, der Spiritualität, der Ernährung, der Medizin und auch der alternativen Medizin. Letztere gilt hierzulande leider als etwas Anrüchiges. Dass exzellente Heilpraktiker nicht zugelassen sind, ist ein großer Schaden für Kranke und Gesunde.

Sich vorteilhaft nach außen darzustellen ist zumeist ein Bluff, Werbung hat ja ganz selten etwas mit Wahrheit zu tun. Man kann einen Ziegelteich nicht als den Indischen Ozean verkaufen. Man sollte etwas zutiefst sein, nicht etwas scheinen. Wir können Milliarden in unser Image investieren, wenn wir aber keine Qualität sind, sondern das nur behaupten, sind wir eine Lachnummer. Im Prinzip ist das wie auch bei anderen, unehrlichen Beziehungen: Zwei heiraten, sie machen sich etwas vor, am Ende scheitert die Ehe. Wenn wir nicht essenziell spannend, lernfähig, fantasiegeladen, qualitätsorientiert, dankbar, authentisch, behutsam, liebevoll und dadurch anziehend sind, dann können wir die besten Agenturen der Welt beauftragen, und es wird uns nichts nützen.


Schlampiger Umgang mit der Natur.
Mit dem, womit unsere Touristikbranche für gewöhnlich protzt, gehen wir ja oft ganz besonders schlampig um. Natürlich ist Österreich landschaftlich schön und immer noch auffallend gesegnet, aber wir verhütteln viele Orte, noch die krudesten Projekte erhalten Baugenehmigungen, die Alpen werden von Schneekanonen regiert usw. Ich glaube, dass wir innovative Kreative aus Nord, Ost, West und Süd durch ideale Arbeitsbedingungen und Steuerklugheit anlocken sollten, so wie das Irland eine Zeit lang tat, indem es allen Künstlern im Ansiedlungsfall Steuerfreiheit gewährte. Man redet zum Beispiel über Bhutan, weil in der dortigen Verfassung das Bruttonationalglück verankert ist. Ob der Wunsch dort Realität ist, weiß ich nicht, aber schon, dass sie die Ambition haben, erscheint Millionen Menschen auf der Welt interessant. In der Nazi-Verbrecherzeit gab es immer wieder Orte, zum Beispiel in Südfrankreich oder in den USA, wohin viele Emigranten geflohen sind. Plötzlich hatte es da eine lokale Dichte von 25 Weltdichtern. Österreich könnte ja im Positiven so umfassend attraktiv sein, dass die Menschen von überall her freiwillig zu uns kommen, weil man gern in Wien oder Salzburg oder Tirol Aufenthalt mit dieser Lebensqualität und diesem üppigen Angebot an inspirierenden Zwischentönen nehmen möchte.

Abschottungssüchtiges Volk. Wir müssten uns natürlich zur Herstellung einer solchen Situation intensiv und dauerhaft verwandeln, und es ist einigermaßen utopisch, dass dies mit dem vorherrschenden Bewusstsein bei Politikern und Wählern geschehen kann. Wir sind auch tragischerweise ein ziemlich abschottungssüchtiges Volk und wehren sehr viel an sogenanntem Fremden ab und instrumentalisieren es für Angstszenarien. Es ist absurd, immer nur im anderen sich selbst begegnen zu wollen, und nicht dem Lehrreichen, Besonderem, das ihn von uns unterscheidet. Ich rate bei diesem Thema zu Anregung statt Aufregung. Meine persönliche Ambition ist es, so gut wie irgend möglich, mir selbst und der Welt auf den Grund zu gehen.“

Dies ist kein von André Heller geschriebener Text, sondern Ergebnis eines Telefonats, in dem er spontan Fragen der „Presse am Sonntag“ beantwortet hat.

Ursula Plassnik

Nicht allein im Weltdorf: Kampf der Mittelmäßigkeit

„Österreich als eine internationale Marke zu stärken ist eine Teamleistung von Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Kunst, Medien und Zivilgesellschaft“, meint Ex-Außenministerin Ursula Plassnik: „Es ist wie im Sport: In allen Disziplinen um die Spitzenplätze mitkämpfen wollen – von der Bildung bis zur Europapolitik, vom Tourismus bis zur Infrastruktur. International verlässliche Präsenz zeigen, auch dort, wo es schwierig ist, etwa bei Auslandseinsätzen und der Entwicklungszusammenarbeit.“

Keine Selbstprovinzialisierung. Freilich, Österreich sei „nicht der einzige erfolgreiche Mittelständler im Weltdorf“, weist die derzeitige Botschafterin in Paris auf die nicht schlafende Konkurrenz hin. Man müsse daher „von den Besten lernen und sich an den Besten messen“. Einerseits gehe es um einen „Kampf gegen die Mittelmäßigkeit“, andererseits dürfe man sich aber auch „nicht kleiner machen, als man ist“. „Grenzüberwindung statt Selbstprovinzialisierung“ sei gefragt: „Viele „stille Champions“ in der Wirtschaft zeigen, wie man mit Topqualität und Ausdauer Nischenprodukte auf dem Weltmarkt platziert. „Europäischer werden, globaler denken“, rät Plassnik, nach der Devise „Fenster auf – raus aus der Selbstzufriedenheit!“ Es brauche Lust auf Neuentdeckungen und Neuentwicklungen, man müsse schon in der Topliga mitmachen wollen.

Niki Lauda


Am Erfolgsmodell etwas zu ändern wäre riskant

Niki Lauda glaubt gar nicht, dass Österreich groß etwas ändern sollte: „Wir sind gut in der Welt aufgestellt. Ja, verbessern kann man immer etwas, aber grundsätzlich haben wir ein sehr gutes Image, und zwar in allen Bereichen: Politisch, vor allem aber im Tourismus, im Wintersport, in der Kultur, Stichwort: Salzburg, Wien.“ Da solle man am besten gar nicht groß herumdoktern. Und das, was ihn in Österreich stört – die innenpolitischen Querelen–, die merke man im Ausland ja ohnehin kaum. Österreich habe das positive Image, das man in der Welt habe, seit Jahrzehnten bewahrt: „Deshalb würde mir wirklich nichts einfallen, was man da ändern sollte. Wenn man da nicht das Richtige findet, dann kann dieser Schuss nach hinten losgehen.“

Barbara Frischmuth

Ideal: Weltbekannt durch mehr Menschlichkeit

„Es wäre schön, wenn eines der reichsten Länder Europas einmal seine Asylversprechungen einlösen würde, wenn es einen besseren Umgang mit Flüchtlingen und Asylanten gäbe“, meint die Schriftstellerin Barbara Frischmuth: „Überhaupt sollte man die menschlichen Ressourcen besser nützen, gut ausgebildeten Leuten mehr Chancen geben. Man müsste einfach, ohne Rücksicht auf Herkunft, Hautfarbe, oder was da sonst noch als Kriterium benutzt wird, dafür sorgen, dass diese Menschen, das, was sie gelernt haben und an Fertigkeiten mitbringen, auch anwenden können, die meisten sind ja mehrsprachig! Das würde uns schlagartig weltbekannt machen.“

Dem steht freilich manches entgegen: „Natürlich gibt es da zu viel Bürokratie– und zu wenig vorhandenen Willen.“ An wem man sich da vielleicht ein Beispiel nehmen könnte? „Es gibt Länder, gerade im Nahen Osten, die im Moment unglaublich viele Flüchtlinge aufnehmen, das kann man sich bei uns gar nicht vorstellen.

Warum nicht einmal positiv auffallen? Da in Europa alle Länder zögerlich damit umgehen, ließe sich da international schnell ein guter Ruf erwerben, da würden alle auf uns aufmerksam werden. Man könnte ja auch einmal positiv auffallen, nicht immer nur dadurch, dass man gemahnt wird, wenn man die Quoten nicht erfüllt.“

Clemens Jabloner


Sind viel internationaler, als wir glauben.

„Ich finde, Österreich hat bereits ein scharfes Profil in der Welt. Es geht weniger darum, dass wir am äußeren Erscheinungsbild arbeiten. Wir müssen nur schauen, dass wir diesem Profil, das ja auch unser Selbstbild ist, entsprechen. Das bedeutet, dass wir in unsere Stärken investieren: Das ist einerseits der gewerblich-technische Bereich, die Feinarbeit, da gibt es viele exportorientierte mittelständische Betriebe, die „Werkstatt Österreich“; das ist andererseits der kulturell-wissenschaftliche Bereich, wobei etwa die Krise der Bundestheater nicht zum Anlass genommen werden darf, das Niveau zu senken, so wie das im Rechnungshof-Bericht antönt. Man muss in Bildung, Wissenschaft und Forschung investieren, damit wir eine Stätte europäischer Bildung und Wissenschaft werden. Da hinken wir schon ein bisserl nach.

Mut zu Neuem. In der Kultur müssen wir weiter im Spitzenfeld mithalten. Wir dürfen da allerdings nicht zu populistisch werden. Natürlich kann man Musiker in Kostüme des 18.Jahrhunderts stecken und sie die „Kleine Nachtmusik“ oder etwas aus der „Zauberflöte“ aufführen lassen. Damit kann man schon die Kassen füllen, aber wir müssen uns auch profilieren, und das kostet Geld. Man muss auch einen gewissen Mut haben, in diese überkommenen hochkulturellen Produkte Neues hineinzumischen. Das geht mit einem gewissen Risiko einher, aber das passiert ja schon!“ Und wie kann Österreich internationaler werden? „Wir sind ja viel internationaler, als wir glauben. Wenn man mit offenen Augen durch Wien geht, sieht man das ganz deutlich. Wien ist jünger und vielfältiger geworden. Und das gilt sicher auch für die Bundesländer, auch wenn man das von Wien aus nicht täglich erlebt.

Atıl Kutoğlu

Immer am Ball bleiben, die Konkurrenz schläft nicht.

„Ich finde, Österreich müsste mehr in Sachen Mode machen: etwa eine größere internationale Modewoche mit internationalen Topmodels veranstalten oder es schaffen, dass viele international bekannte Persönlichkeiten rund um das Thema Mode nach Wien kommen – und darüber müsste dann auch berichtet werden. Die österreichischen Designer müssen professioneller werden, wir brauchen größere Brands“, sagt Modeschöpfer Atıl Kutoğlu.

So viel zu seinem angestammten Metier. Und allgemein? „Man sollte mehr Projekte mit internationalen Künstlern machen, das kann im Architekturbereich sein oder eine große Veranstaltung à la Art Basel. Wobei: In manchen Bereichen gibt es das ja schon, etwa die Salzburger Festspiele, den Life Ball oder den Opernball. Die erregen internationales Aufsehen, ziehen Persönlichkeiten aus vielen Bereichen an. Aber das reicht nicht. Es müssen hundert solcher Veranstaltungen und Organisationen her! Und die Konkurrenz schläft nicht, sie hat auch großartige Ideen, da muss man immer am Ball bleiben, um international ein respektiertes und prestigeträchtiges Land zu sein.“

Erhard Busek

Österreichs Tendenz ist es, sich abzumelden.

„Das internationale Profil schärfen? Das ist mit Sicherheit nötig, denn wir haben eher eine Tendenz, uns da abzumelden als anzumelden“, sagt der ehemalige Vizekanzler (ÖVP): „Es gibt ein paar Standardpräsenzen, in der Kultur, etwa die Salzburger Festspiele, im Sport das Skifahren, aber wenn es darum geht, sich um die Probleme dieser Welt zu kümmern, sind wir nicht sehr stark vertreten. In der Ukraine oder im Nahen Osten, da ist es doch eher so, dass wir versuchen, den Eindruck zu erwecken, gar nicht auf der Welt zu sein. Das fängt schon damit an, dass wir nach 1995 nicht verstanden haben, unseren Beitrag zu Europa zu formulieren. Dieses „hinter meiner, vorder meiner, links, rechts güts nix“ ist ja eine gewisse österreichische Grundtendenz.

Mehr um Nachbarn kümmern. Ich wäre ja schon froh, würden wir uns mehr um die Nachbarn kümmern, das gilt für den Balkan, für Ungarn, das gilt aber auch für die Ukraine und Russland. Eine Voraussetzung, damit Österreich internationaler werden kann: „Dass wir von den anderen überhaupt Bescheid wissen. Die Kenntnis der Nachbarschaft ist ja sehr bescheiden. Dass man sich aber besser verkaufen müsste, darauf will Busek keinen so starken Fokus legen: „Ich glaube, es ist weniger eine Frage der Werbung, auch wenn es sicher notwendig ist, seine USP herauszuarbeiten. Aber sichtbarer wird man im Grunde nur, wenn man auch selbst etwas tut.“

André Heller,
Künstler

Ursula Plassnik, Diplomatin, frühere Außenministerin

Niki Lauda,
Ex-Rennfahrer,
Unternehmer

Barbara Frischmuth, Schriftstellerin

Clemens Jabloner, Verwaltungsgerichtshof-Präsident bis 2013

Atıl Kutoğlu,
Modeschöpfer

Erhard Busek,
Ex-Vizekanzler, Osteuropaexperte
APA (3), Fabry (3), Jenis

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2014)

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