„Die Börse kann mehr Nachschub vertragen“

Kuras , Buhl
Kuras , Buhl(c) Die Presse - Clemens Fabry
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Eine Volkswirtschaft ohne Kapitalmarkt ist wie ein Fünfsternhotel ohne Frühstück, sagen die beiden Wiener-Börse-Vorstände Birgit Kuras und Michael Buhl – und fordern mehr Unterstützung von der Politik für den Wiener Markt ein.

Die Presse: Auf dem internationalen Kapitalmarkt sind Konzentrationstendenzen unübersehbar. Braucht ein kleines Land wie Österreich in diesem Umfeld überhaupt eine eigene Börse?

Birgit Kuras: Und wie! Für die Unternehmen wird es wegen schärferer regulatorischer Bestimmungen für die Banken immer schwieriger, Kredite zu bekommen. Da muss der Kapitalmarkt einspringen. Und Wachstum sollte grundsätzlich mit Eigenkapital finanziert werden, weil das flexibler ist. Eine Volkswirtschaft ohne eigenen Kapitalmarkt ist wie ein Fünfsternhotel ohne Frühstück: Da werden die Sterne bald weg sein.

Und wir können die Sterne halten?

Kuras: Der Kapitalmarkt erfüllt derzeit seine Funktion. Aber er könnte sie viel besser erfüllen, wenn die Rahmenbedingungen das unterstützen würden. Da könnte man noch deutlich mehr machen. Etwa Eigenkapital dem Fremdkapital, das ja steuerlich absetzbar ist, gleichstellen. Kleine Unternehmen, die sich bei der Eigenkapitalbeschaffung schwerer tun,könnte man mit Absetzbeträgen für den Börsengang unterstützen.

Kann man Kleinen den Börsenzugang wirklich mit bloßen Absetzbeträgen ebnen?

Kuras: Das hängt von der Definition von Klein- und Mittelbetrieben ab. International gesehen sind ja selbst unsere Großunternehmen nur Mittelbetriebe. Es geht schon um Unternehmen, die börsenfähig sind. Für Kleinstbetriebe und für Start-ups gibt es andere Instrumente. Etwa Corporate Bonds oder Private Equity.

Michael Buhl: Und auch hier gibt es in Österreich noch viel zu tun. Venture Capital und Private Equity, mit denen man Start-ups finanzieren kann, sind in anderen Ländern wesentlich besser geregelt. Da gibt es von politischer Seite definitiv zu wenig Bewusstsein.

Die Politik ist schuld?

Kuras: Von politischer Seite gibt es definitiv zu wenig Unterstützung. Das fängt schon im Atmosphärischen an. Kein Politiker sagt, wir brauchen den Kapitalmarkt für die Unternehmensfinanzierung. Dafür wird ständig von Spekulation gesprochen. Niemand sagt, dass börsenotierte Unternehmen zehn Prozent der Arbeitsplätze stellen. Für die Unternehmen ist es extrem wichtig, dass nicht ständig gegen die Aktie gehetzt wird.

Und im Hintergrund droht auch noch die Finanztransaktionssteuer.

Buhl: Die wird jedenfalls die Finanzmärkte belasten und am Ende des Tages natürlich auch den Privatanleger. Wenn man sie einführt, müsste man sie, um Verzerrungen zu vermeiden, auf alle Finanzinstrumente und weltweit auf alle Finanzplätze, auch auf außerbörsliche Plattformen, einführen. Davon sind wir weit entfernt.

Die Regierung scheint aber wild dazu entschlossen zu sein.

Buhl: Amerika und einige wesentliche europäische Länder werden aber nicht mitspielen. Da werden die Märkte einfach ausweichen. Das sind Umsätze, die wir nicht wiedersehen. Wenn schon, dann sollte man den außerbörslichen Bereich stärker besteuern. So könnte man Umsätze aus dem intransparenten außerbörslichen in den transparenten Handel an der Börse umleiten. Sollte die Steuer nur auf Aktien eingeführt werden, wäre das für uns ein extremer Nachteil. Österreichische Politiker sollten verstehen, dass man damit den eigenen Kapitalmarkt schwerstens belasten würde.

Wo sehen Sie denn in diesem Umfeld die Wiener Börse in zehn Jahren?

Buhl: Ich glaube, dass kleinere Börsen, im Verbund mit anderen, durchaus ihre Nischen haben. Wir haben in Österreich ja viele Weltmarktführer, Hidden Champions, denen wir an einer kleinen Börse ein besseres Service bieten können. Und wir fokussieren uns nicht nur auf den Handel, sondern entwickeln ein Reihe von Spezialprodukten.

Ist die Nachfrage von den Unternehmen her befriedigend? Es gibt ja kaum neue Börsengänge.

Kuras: Die Börse kann natürlich mehr Nachschub vertragen. Wir gehen jedenfalls sehr aktiv auf die Unternehmen zu, von denen wir glauben, dass sie börsenfähig sind. Ein Problem ist, dass viele glauben, dass sie durch die Publizitätspflichten eines börsenotierten Unternehmens der Öffentlichkeit zu viel mitteilen müssen.

Das alte Problem mit den Familienunternehmen...

Kuras:Von denen aber viele sehr positive Beispiele liefern.Bei Palfinger, Rosenbauer und so weiter funktioniert das hervorragend. Fast alle börsenotierten Unternehmen sagen, dass sie dieser Schritt in eine andere, internationale Liga gebracht hat und dass es leichter ist, hoch qualifiziertes Personal zu bekommen. Denn Börsenotierung ist ja so etwas wie eine Zertifizierung.

Die kleinen Privatinvestoren scheinen hierzulande nicht richtig anzuspringen.

Buhl: Vier Prozent des privaten Geldvermögens ist auf dem Aktienmarkt veranlagt. Da hat die Krise ihre Spuren hinterlassen. Wir waren schon bei sieben Prozent, aber auch das ist unbefriedigend. Im angelsächsischen Raum und in Skandinavien geht das in Richtung 50 Prozent. Wir führen diese Entwicklung auf ein kapitalmarktfeindliches Umfeld zurück.

Kuras: Man muss fairerweise sagen, dass in den vier Prozent die indirekten Aktieninvestitionen über Fonds nicht enthalten sind. Trotzdem: Den Anlegern ist zwar bewusst, dass in diesem Zinsumfeld mit einem Sparbuch nichts mehr geht. Die Hemmschwelle gegenüber Aktien, bei denen abgesehen vom Kurspotenzial allein die durchschnittliche Dividendenrendite schon bei drei Prozent liegt, ist aber noch zu groß.

Sehen wir da ein Informationsdefizit?

Kuras: Ein Problem liegt in den Schulen, in denen es ja immer noch kein eigenes Fach Wirtschaft gibt. Wir bieten umfangreiche Schulungen an, aber wenn die Lehrer das nicht bringen wollen, hat man keine Chance. Meine Tochter ist 28 Jahre alt, aber wenn sie nicht in eine Aktienfamilie hineingeboren worden wäre, hätte sie nie erfahren, was eine Aktie ist.

Und wie bringt man das private Interesse an Aktien jetzt in Schwung?

Buhl: Eine Möglichkeit wäre, die Aktien-KESt, die vom Steueraufkommen her ja nicht gewaltig ist, abzuschaffen oder zumindest, so wie früher, wieder eine Behaltefrist einzuführen, nach deren Ablauf der Ertrag steuerfrei wäre. Und man sollte nicht in das Thema Vermögensteuer hineinstechen. Man könnte auch das Angebot verbessern: Wenn der Bund und die Länder bei ihren Beteiligungen auf 25 Prozent zurückgehen, dann hätten wir ein hohes Privatisierungsvolumen. Allein beim Bund würde das fünf Milliarden Euro ausmachen.

ZUR PERSON

Veröffentlichen auch Sie Ihre besten Ideen für Österreich: diepresse.com/99ideenBirgit Kuras (57) ist seit März 2012 Vorstandsmitglied der Wiener Börse AG. Die studierte Betriebswirtin (WU Wien) hatte zuvor führende Positionen im Investmentbanking der Raiffeisen-Gruppe inne.

Michael Buhl (55) gehört dem Börse-vorstand seit 2005 an. Zuvor hatte der Jurist (Uni Wien, Insead Fontainebleau) eine Bankkarriere bei der Creditanstalt und der Erste Bank absolviert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2014)

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