Mitterlehner: „Wer die Ärzte braucht, soll zahlen“

NATIONALRAT: MITTERLEHNER
NATIONALRAT: MITTERLEHNER(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Der Wissenschaftsminister sieht die Länder und die Spitalsträger in der Verantwortung, bessere Bedingungen für Jungmediziner zu schaffen.

Die Presse: In Alpbach herrscht in der Uni-Szene traditionell einträchtige Stimmung. Wird es immer noch so sein, wenn Sie das Budget für die Jahre 2016 bis 2018 präsentiert haben?

Reinhold Mitterlehner: Das werden die nächsten Wochen zeigen, wenn ich die Gespräche mit dem Finanzminister führe. Einige der Teilnehmer hätten sich ja gewünscht, dass Michael Spindelegger auch zu den Alpbacher Hochschulgesprächen gekommen wäre.

Ist sich Spindelegger der Bedeutung des Themas bewusst?

Ich denke schon. Wir stecken im fünften Jahr einer Wirtschaftskrise, in der täglich auf die große Bedeutung der Wissensgesellschaft hingewiesen wird. Und wenn man sieht, dass wir in Österreich 1,5 Prozent des BIP für den tertiären Sektor ausgeben, die USA aber 2,8 Prozent, dann sieht man: In dem Bereich kann man sicher nicht die Heckenschere anlegen.

Die Unis fordern eine Milliarde – tragen Sie das mit?

Das ist eine semantische Frage. Für uns beinhaltet die Milliarde auch Bauten und Forschung. Der Kern ist: 615 Millionen Euro sind für die Abgeltung der Inflation notwendig. Wenn wir das erreichen, sollten wir das als Lösung interpretieren. Und nicht semantische Streitigkeiten austragen.

Zuletzt drohten Medizinstudenten mit der Abwanderung wegen der fehlenden Entlohnung im Praxisjahr. Warum fällt es Österreich so schwer, gut ausgebildete Menschen im Land zu halten?

Ein Problem ist, dass uns gesicherte Daten fehlen. Wir haben nur eine Umfrage unter Studierenden, die besagt, dass 42 Prozent der Medizinabsolventen überlegen, das Land zu verlassen. Genaueres wissen wir noch nicht. Wir müssen uns aber auf jeden Fall mehr einfallen lassen, wenn wir die Menschen im Land halten wollen. Da sind aber diejenigen gefordert, die für den Gesundheitsbereich verantwortlich sind.

Das heißt, Sie sehen sich nicht in der Verantwortung.

Die Rollenverteilung ist klar. Derjenige, der die Mediziner braucht, muss sich auch selbst darum kümmern, Anreize zu schaffen. Für die Umsetzung im Bereich der Gesundheitsversorgung sind die Landesregierungen und die Krankenhausträger zuständig.

Wie können Anreize aussehen?

Da geht es nicht nur um Geld, sondern um vieles mehr: Zukunftsperspektiven, Hilfe bei der Wohnungssuche und Ähnliches. Wenn man zudem etwa beim klinisch-praktischen Jahr noch eine finanzielle Honorierung in Aussicht stellt, würde sich die Chance, die Menschen zu halten, noch verbessern.

Die Entlohnung soll aber nicht aus dem Wissenschaftsministerium kommen?

Wenn ein Curriculum das klinisch-praktische Jahr festschreibt, werde ich als Minister nicht sagen: Das bezahle ich auch noch. Dann muss derjenige in die Kasse greifen, der die Absolventen haben will, also der Krankenanstaltsträger. Im Burgenland und Vorarlberg wird das gemacht.

Wie viel?

Das könnten zwischen 400 und 600 Euro pro Monat sein. Man kann auch differenzierter vorgehen: Im städtischen Bereich muss man das womöglich nicht anbieten, um junge Ärzte anzuziehen. Im ländlichen Bereich vielleicht schon. Es geht hier auch um einen positiven Wettbewerb der Regionen.

Sind die Länder säumig, sich da Ideen einfallen zu lassen?

Säumig ist ein zu starker Begriff. Ich glaube, wir haben die Potenziale nicht optimiert.

An den Unis stützt sich Österreich auf eine Quotenregelung für inländische Studierende, um einen Medizinermangel zu verhindern. Brauchte es nicht auch hier endlich eine echte Lösung?

2016 haben wir die nächste Verhandlung mit der EU. Da werden wir versuchen, die derzeitige Regelung zu verlängern.

Immer wieder werden Forderungen laut, die Quote auf andere Fächer, etwa Psychologie, auszudehnen.

Das kann ich mir vorstellen, ist aber derzeit spekulativ. Anfang des Jahres werden wir die derzeitigen Zugangsbeschränkungen evaluieren. Und dann diskutieren wir mit der SPÖ, wie es weitergeht. Eine Quotenregelung für weitere Fächer wäre eine Variante.


Rektorenchef Heinrich Schmidinger hat zuletzt in der „Presse“ EU-weit abgestimmte Zugangsregeln gefordert. Wäre das etwas, wofür Sie in Brüssel eintreten würden?
Eine europaweite Lösung wäre natürlich interessant. Aber wir dürfen nicht immer davon ausgehen, dass 50 Prozent eines Jahrgangs unbedingt studieren müssen. Sondern wir müssen auch bedarfsorientiert fragen: Was braucht unsere Gesellschaft?

ZUR PERSON

Reinhold Mitterlehner (58) hat Ende 2013 unter großem Protest neben dem Wirtschafts- auch die Wissenschaftsagenden übernommen und folgte damit Karlheinz Töchterle als Uni-Minister nach. Er stammt aus Helfenberg in
Oberösterreich und studierte Rechtswissenschaften an der Universität Linz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2014)

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