Online-Lernplattformen: „Wir stehen erst am Anfang“

Mit MOOCs soll Uni-Bildung jedem frei zugänglich gemacht werden. Ob die Online-Kursewirklich ein Zukunftsmodell sind, darüber scheiden sich die Geister.

Begonnen hat seinerzeit alles mit einer Vorlesung des Standford-Professors Sebastian Thrun. Er hatte 2011 beschlossen seine Vorlesung „Einführung in die künstliche Intelligenz“ erstmals ausschließlich online anzubieten – und fand prompt 160.000 virtuelle Zuhörer. Seither gilt der Deutsche als Vorreiter der Massive Open Online Courses, kurz MOOCs. Nachahmer gibt es mittlerweile einige. Die Idee dahinter: Universitäre Bildung für jedermann frei und meist kostenlos zugänglich zu machen. Doch steht die universitäre Bildung per Mausklick tatsächlich für eine offene Bildung oder sind sie nur ein lukratives Geschäftsmodell? Diese Frage wurde beim CityScienceTalk bei den Alpbacher Hochschulgesprächen diskutiert.

Hannes Klöpper ist Managing Director der europäischen MOOCs-Plattform iversity.org. Er ist überzeugt: MOOCs sind die Zukunft – und ein Geschäftsmodell sind sie möglicherweise auch. „Wir stehen erst am Anfang. Aber da bahnen sich grundlegende Veränderungen an.“ Und an die Kritiker gerichtet sagt er: „Nur auf das zu schauen, was derzeit da ist und daraus Schlüsse zu ziehen, greift zu kurz.“ Auch an der Universität Graz beschäftigt man sich seit zwei Jahren intensiv mit dem Thema.

Seit März diesen Jahres werden gemeinsam mit der TU Graz Internet-Kurse unter www.imoox.at zu ausgewählten Themen angeboten. „Wir sind nicht darauf ausgerichtet, damit Geld zu verdienen“, sagt  Michael Kopp, Leider der Akademie für neue Medien an der Uni Graz. „Wir wollen mit den Mitteln, die wir haben, breite Bevölkerungsschichten mit Bildung versorgen.“ Kopp sieht die Entwicklung nicht ganz so rosig. „MOOCs in der Form wie heute wird es in fünf Jahren nicht mehr geben.“ Die Begründung: Viel zu teuer. „In Perfektion ist das mit dem Personalaufwand, den die Unis haben, nicht zu betreiben.“

Ungeheures Potenzial

Das sieht Sonja Puntscher-Riekmann, Vizepräsidentin Europäisches Forum Alpbach und Professorin an der Universität Salzburg, ähnlich. „Es kommt auf die Mischung der Systeme an. Wenn man mehr darauf setzen will, müssen sich die Universitäten dramatisch organisatorisch verändern und sich Mitarbeiter holen, die etwas davon verstehen.“ Das viel zitierte Motto „Scienes goes public“ sei jedenfalls kein einfacher Weg – aber ein durchaus denkbarer für die Universität Salzburg. „MOOCs haben ungeheures Potenzial, aber man muss das füllen können. Da bedarf es besonderer Skills der Lehrenden und eine Reorientierung der Uni. Aber ich halte es für machbar.“

Auch Gertrude Tumpel-Gugerell, Vize-Gouverneurin der Oesterreichischen Nationalbank und Mitglied im Universitätsrat der Montanuniversität Leoben, hält MOOCs für eine interessante Entwicklung, die man aber nicht überschätzen sollte. „Ob sich daraus ein Geschäftsmodell für eine Universität oder einen privaten Anbieter ergibt, kommt darauf an, welche Prioritäten Universitäten setzen.“ Sie hält das Thema Interaktion für ein noch ungelöstes Problem der MOOCs. „Das Lernen über Frage und Gegenfrage ist am PC nicht darstellbar.“

Fehlende Interaktivität

Iversity-Geschäftsführer Hannes Klöpper sieht das naturgemäß nicht so eng. „Es geht nicht darum, die Hochschule abzuschaffen oder den Bachelor auf online zu machen. Da würde es auch nur sehr wenige Interessenten geben. Es geht um Zusatzangebote.“ Zum Thema fehlende Interaktivität sagt er: „Bei uns sind die Kurse keine Vorlesungsmittschnitte. Ein guter Kurs macht sich vielmehr Gedanken, wie man 10.000 Leute ansprechen und mit denen arbeiten kann.“

Laut  Michael Kopp werden an der Uni Graz rund 30.000 Euro für MOOCs investiert ­ erreicht werden etwa 2000 Personen. „Es gibt meines Wissens kein Geschäftsmodell, das die Ausgaben der Anbieter wieder reinbringt.“ Auch die   iversity.org ist eine Venture Capital finanzierte Plattform. In Spanien wird ein ähnliches Modell von einer Stiftung finanziert; in Frankreich gibt es einen staatlichen Anbieter. „Wir sind also nicht die einzigen, die darin Sinn sehen“, sagt Klöpper. Gertrude Tumpel-Gugerell ist überzeugt, dass wenn eine renommierte Universität beginnt, Lerninhalte online zu stellen, sich die anderen dem Weg nicht entziehen können.

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