Alpbach lebt von und mit der Politik

Busek und Schüssel
Busek und Schüssel(c) APA/Gindl Barbara
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Österreichs Regierung sucht Kontakt zu bedeutenden Persönlichkeiten. Verstimmungen gehören dazu, auch ein Boykott ging in die Geschichte ein.

Mitten in den Bergen: Alpbach, das so oft zitierte „Dorf der Denker“. Die Realität sieht freilich etwas anders, etwas politischer aus: Forum-Präsident Franz Fischler war ÖVP-Landwirtschaftsminister und EU-Agrarkommissar, Vizepräsident Caspar Einem Innen- und später Wissenschafts- und Infrastrukturminister, Vizepräsidentin Sonja Puntscher Riekmann war Grün-Abgeordnete im Nationalrat. Fischlers Vorgänger Erhard Busek war ehemals ÖVP-Obmann und Vizekanzler, Langzeitpräsident Otto Molden gründete in den 1960er Jahren eine eigene Partei.

Es ist keine Frage, dass in Alpbach geisteswissenschaftliche, gesellschaftsrelevante und wirtschaftsbezogene Konzepte entwickelt und diskutiert wurden. Aber stets wollten die Initiatoren, dass die Politik die Alpbach-Papiere zur Kenntnis nimmt, mehr noch: in ihre politischen Konzeptionen aufnimmt. Die Forumstage sollten niemals dem eigenen Selbstzweck genügen.
Die Politiker haben Alpbach für ihre Zwecke entdeckt. Unterrichtsminister Felix Hurdes kam erstmals 1946, so gut wie alle weiteren Unterrichts- und

Wissenschaftsminister (ab 1970 ein eigenes Ressort) folgten. 1950 stellte sich Regierungschef Leopold Figl ein, alle weiteren Bundeskanzler ließen Alpbach nicht aus. Wobei Bruno Kreisky schon 1955 als Staatssekretär des Außenministeriums in Alpbach mitdiskutierte. Mit den Themenspezialisierungen kamen die Außen-, Wirtschafts-, Justiz-, Technologie- und Gesundheitsminister. Und 1951 nahm Bundespräsident Theodor Körner höchstpersönlich den Spatenstich für ein Konferenzzentrum vor.

Innenpolitische Konfrontationen

Alpbach verstand und versteht sich als europäisches Forum, also auch als Diskussionsplattform für die europäische Politik. 1949 lud  Molden westeuropäische Politiker zum Gesprächsforum „Europa – Einigung oder Untergang des Kontinents“ ein. Damit erfolgte die Gründung der eigenen „Europäischen Gespräche“, aus denen die heutigen „Politischen Gespräche“ hervorgingen.

Wo freilich Politik mit im Spiel ist, bleiben Konfrontationen nicht aus. Bundeskanzler Bruno Kreisky und Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg waren in den Jahren der SPÖ-Alleinregierung (1970-83) große Förderer von Alpbach. Zu einem Knalleffekt kam es 2005 während der ÖVP-FPÖ-Regierung. Forum-Präsident Erhard Busek hatte einige Wochen vor Beginn des Kongresses von der Notwendigkeit der personellen Erneuerung der österreichischen Parteien und einem anstehenden Generationenwechsel gesprochen.

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (Buseks Nachfolger als ÖVP-Obmann) bezog diese Aussage als Kritik und Seitenhieb gegen seine Person. Darauf sagten Schüssel und gleich sechs Minister ihre zuvor angekündigten Vorträge ab. Der seinerzeitige Kommentar Buseks: „Wir sind ein europäischer, kein österreichischer Kongress.“ Denn mehrere europäische Minister folgten sehr wohl dem Ruf nach Alpbach.

Die Kongresse des Europäischen Forum haben sich als bedeutender erwiesen als momentane persönliche Verstimmungen. Acht Regierungsmitglieder erschienen im Folgejahr wieder, weiters drei EU-Kommissare und zahlreiche mitteleuropäische Politiker. Sie dokumentierten, dass Alpbach lebt.

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