Ökonom Schneider: "Den Leuten reicht's, sie sind geladen"

„Die Bürger empfinden die Steuern ungerecht verteilt.
„Die Bürger empfinden die Steuern ungerecht verteilt."(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Friedrich Schneider würde im Zuge einer Steuerreform den Eingangssteuersatz senken, Dienstreisen und Dienstautos abschaffen und Länder und Gemeinden in die Pflicht nehmen.

Am Tag, an dem Finanzminister Michael Spindelegger als Finanzminister und ÖVP-Chef zurückgetreten ist, sitzt Friedrich Schneider im Gastgarten des Hotels Berghof in Alpbach. "Was würden Sie tun, wären Sie der nächste Finanzminister?" Die Frage ist - wie man sagt - aufgelegt. Und der Ökonom und Professor an der Universität Linz hätte viel zu tun, wäre er neuer Herr in der Wiener Himmelpfortgasse. Er würde nicht viel Zeit verlieren mit Reformen. „Den Leuten reicht's, sie sind geladen", sagt er. „Die Bürger empfinden die Steuern ungerecht verteilt."

Dass Einkommensschwache „ohnehin keine Steuer zahlen", wie es oft heißt, lässt er nicht gelten. Denn arme Menschen zahlen zwar keine Lohnsteuer, seien aber von indirekten Steuern, etwa der Mehrwertsteuer oder Mineralölsteuer, viel stärker betroffen. Menschen, die netto knapp 1000 Euro verdienen, würde trotzdem eine Steuerlast von „14 bis 16 Prozent" aufgebürdet, sagt er im Gespräch mit der „Presse". „Die Belastung der unteren Einkommensschichten ist hoch bei uns."
Ein Finanzminister Schneider würde eine Steuerreform „in zwei Etappen" in Angriff nehmen. Zuallererst würde er den Eingangssteuersatz von 36,5 auf 25 Prozent senken. Damit erfüllt er übrigens eine lang gehegte Forderung der SPÖ. Doch die Preisfrage lautet ohnehin: Wie finanziert man die Steuerentlastung?

"Subventionen kürzen"

„Ich würde Subventionen kürzen", sagt der Ökonom. In Österreich werden 16 Milliarden Euro an Förderungen verteilt. „Wenn man eine Milliarde einspart, würde das keiner merken." Und er würde Steuerprivilegien abschaffen. Dienstreisen, Dienstwagen etwa wären bei ihm nicht mehr absetzbar. Und 13. und 14. Gehalt würde Schneider höher besteuern.

Im zweiten Schritt würde der Linzer Professor Länder und Gemeinden in die Pflicht nehmen. „Gebt ihnen eigene Steuern, schafft Verantwortung", würde er rufen, wäre er Finanzminister.

Die Grundsteuer sollen die Gemeinden einheben. Dann wäre die Akzeptanz der Steuerzahler höher. Wenn etwa die Alpbacher künftig die Immobiliensteuer an die Kommune entrichten, könnten sie auch gleich abstimmen, was mit dem Geld passiert. Schneider würde zudem klare Zuständigkeiten schaffen, etwa im Bildungswesen. Das derzeitige System - Bund zahlt, die Länder schaffen an - sei völlig intransparent. „Bildung ist Ländersache", würde er als Minister fordern.

Steuermoral hänge nicht nur von der Steuerbelastung ab, sondern auch von der „Einstellung des Bürgers zum Staat". Und damit kommt Schneider zu seinem eigentlichen Leib-und-Magen-Thema. Schließlich ist der gebürtige Deutsche, der seit 1986 in Linz lehrt, einer breiten Öffentlichkeit wegen seiner Studien zur Schattenwirtschaft bekannt. Der Pfusch erwirtschafte acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts, errechnete er. Ohne Schattenwirtschaft wäre dieses Land weniger lebenswert, fügt er hinzu. „Ohne Pfusch wären viele Menschen unzufriedener", sagt er. Jedes zweite Einfamilienhaus in Österreich werde mehr oder weniger am Fiskus vorbei errichtet. Viele Familien würden sich einen voll versteuerten Hausbau nicht leisten können. Und: „Schwarzarbeit sorgt für Beschäftigung." Drei Viertel des schwarz erwirtschafteten Geldes werden gleich wieder ausgegeben, beleben also die Wirtschaft.

Pfusch schafft Zufriedenheit

Dass das Geschäft ohne Rechnung in jüngster Zeit prosperiert, liege in erster Linie an der steigenden Steuerbelastung. Die Steuerquote dürfte heuer nach Berechnung des liberalen Think Tank Agenda Austria die 45 Prozent-Marke überschritten haben. „Ab einer Steuerbelastung von knapp 50 Prozent steigt die Steuerhinterziehung dramatisch an", warnt Schneider.
Steuerrevolutionen beginnen schleichend, weiß Schneider. Noch ein letztes Mal schlüpft er kurz in die Rolle des Finanzministers. Wäre er für eine Millionärs-Steuer zu haben? „Nicht sofort, sondern zu einem späteren Zeitpunkt", sagt Schneider. Denn er stimmt dem scheidenden Finanzminister zu, dass eine Millionärs-Steuer „vom Ertrag her lächerlich ist". Sie würde allerdings ein Gefühl für Steuergerechtigkeit vermitteln. Wenn aber Millionärs-Steuer, dann würde Schneider den Spitzensteuersatz erst ab einem Jahreseinkommen von 120.000 Euro einheben. Dass derzeit ab einem Jahresgehalt von 60.000 Euro 50 Prozent Steuern anfallen, nennt der Linzer Professor „leistungsfeindlich".

Zur Person

Friedrich Schneider wurde 1949 in Konstanz geboren. Seit 1986 ist er Professor der Volkswirtschaftslehre an der Johannes Kepler Universität in Linz. Sein Spezialgebiet ist Wirtschafts- und Finanzpolitik. Einer breiten Öffentlichkeit ist Schneider aufgrund seiner Berechnung der Schattenwirtschaft bekannt. Seinen Studien zufolge werden aktuell acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts am Fiskus vorbei erwirtschaftet. Laut Schneider sind vor allem zwei Faktoren für Schwarzarbeit verantwortlich: die Steuerlast und das Vertrauen der Bürger in den Staat.

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