Alpbach: Als in der "Waschkuchl" geschlachtet wurde

Der 73-jährige Alpbacher Ludwig Lederer.
Der 73-jährige Alpbacher Ludwig Lederer.(c) Die Presse (Katharina Roßboth)
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Ludwig Lederer spielte als Jugendlicher für die Besucher des Forums Tanzmusik, sein Vater baute das Kongresszentrum mit auf. Er erzählt, wie sich das Dorf der Denker im Laufe der Zeit verändert hat.

Wer zum ersten Mal nach Alpbach kommt und seine Unterkunft sucht, ist anfangs womöglich etwas irritiert. Oder zumindest orientierungslos. Nicht, weil das Dorf besonders groß oder unübersichtlich ist. Sondern weil die Nummerierung der Häuser sich auf den ersten Blick an keinerlei rasch ersichtliche logische Ordnung zu halten scheint. Denn: Die Bezifferung orientiert sich am Bauzeitalter der Gebäude.

Mit ein bisschen Glück trifft man als Suchender aber auf Ludwig Lederer: Der 73-jährige Alpbacher hat jahrelang als Briefträger gearbeitet. Er weiß daher ganz genau, wo sich die einzelnen Gebäude befinden. Und: „Ich helfe den Forum-Besuchern bei der Suche immer gern", sagt er. „Für Menschen, die von außerhalb kommen, ist das ja auch wirklich kompliziert."

Aber auch abseits geografischer Anliegen lohnt es sich, sich mit Lederer zu unterhalten. Und vielleicht sogar mit ihm eine kurze Runde durch das Dorf zu schlendern. Lederer ist hier aufgewachsen, er kennt jede Ecke und weiß, wie sich seine Heimat durch das Forum verändert hat. „In den vergangenen Jahren hat sich wahnsinnig viel getan", sagt er. Und in den drei Wochen im Sommer, in denen das Forum stattfindet, befinde sich das Dorf im Ausnahmezustand.

Vor einigen Jahrzehnten („Damals, als man im Dorf nur drei Herren per Sie angesprochen hat: den Doktor, den Pfarrer und den Bürgermeister.") sah das Bergdorf noch etwas anders aus: Die „Waschkuchl" zum Beispiel war ein Schlachthaus. Am Gebäude führte damals auch die einzige Straße im Dorf vorbei. Im Winter kam es dort immer wieder zu Problemen, „da war ich noch ein Schulkind". „Die Straße war ziemlich rutschig, da sind oft Leute mit ihrem Auto gegen die Hauswand gefahren", erzählt er. Sand habe man damals schließlich nicht gestreut.

Dort, wo sich jetzt der Souvenir-Shop befindet, gab es einen Gemischtwarenhandel. Das ehemalige Forum-Alpbach-Büro musste einer Bushaltestelle weichen. Der Alpbacher Dorfladen war hingegen ein Kuhstall - und auch am Standort des jetzigen Gasthofs „Flo" wurde Vieh untergebracht. „Nur der Bäcker, der war immer schon da", sagt Lederer. Die Häuser, die sich oberhalb des Lokals befinden, seien aber großteils in den letzten 15 bis 20 Jahren entstanden.

Die „Schnitzstube", die sich auf dem Weg von der Dorfmitte Richtung Kongresszentrum befindet, war früher das Feuerwehrhaus. In dem kleinen Holzturm wurden die Schläuche zum Trocknen aufgehängt. „Die meisten Besucher wissen das nicht und wundern sich, warum es diese kleine Hütte gibt", so Lederer.

Ein Kino im Gemeindehaus

Im Gebäude des Gemeindeamtes gab es früher wiederum ein kleines Kino. „Alle 14 Tage wurde dort ein Film gezeigt. Es war bummvoll", sagt Lederer. Jetzt befindet sich dort das Probelokal für die Musikkapelle, auch der Chor übt hier.

Auch in Sachen Musik hat Lederer einiges zu erzählen - er ist immerhin seit 58 Jahren bei der Musikkapelle dabei und spielt Klarinette, Saxofon und Gitarre. Bei schlechtem Wetter nutzt man auch das Kongresszentrum und spielt dort das eine oder andere Konzert. Außerdem hat er als 18-Jähriger auch in einem Trio mitgespielt: „Wir sind in einer Stube vom Böglerhof aufgetreten und haben Tanzmusik für die Forumsbesucher gespielt." Das habe sich ausgezahlt: „Wir haben gratis Wein und Bier bekommen, und ein bisschen Geld haben wir auch noch verdient. Es hat gedauert bis in die Früh."

Das Forum hat Lederer aber schon viel früher begleitet. Sein Vater war Maurer, als das Kongresszentrum gebaut wurde. „Wir haben ihm immer seine Jause gebracht", erzählt er.

Anfangs gab es auch zu wenig Schlafplätze für die zahlreichen Gäste. Als Lederer schon etwas älter war, bot er den Besuchern selbst Ferienwohnungen an. „Da haben so manche wichtige Experten bei mir übernachtet. Erst später gab es die größeren Hotels", erzählt er.
Musiker, Vermieter von Ferienwohnungen, Briefträger - das waren übrigens noch lange nicht alle Jobs von Lederer. Zunächst arbeitete er als Maurer, dann züchtete er 25 Jahre lang Haflinger. Bauern gebe es heute in Alpbach aber übrigens nicht mehr viele. Genauer gesagt nur zwei - „die Milchbauern", wie Lederer erklärt.

Eine ganz besondere Bekanntschaft

Trotzdem ist es laut Lederer in Alpbach nicht so wie in anderen kleinen Ortschaften am Land, dass die Jugend scharenweise aus dem Dorf verschwindet: „Es kommen auch viele neue dazu. Die Menschen gehen ja studieren, da lernen sie Leute aus anderen Gegenden kennen. Und viele ziehen dann gemeinsam zurück nach Alpbach."
Was Lederer aber nicht daran hindert, jeden Dorfbewohner zu kennen. Das merkt man, wenn man mit durch das Zentrum marschiert. Stolz ist er vor allem auf eine engere Bekanntschaft: Die Firmpatin seiner Frau war Erwin Schrödingers Gattin, erzählt er, als er an dem Haus des verstorbenen Physikers vorbeischlendert. Jene Gebäude, die sich oberhalb des Schrödinger-Hauses befinden, seien allerdings alle erst vor wenigen Jahren erbaut worden.

„Hier haben wir eine strenge Bauordnung", erzählt Lederer. Der obere Teil des Hauses müsse aus Holz bestehen, unten seien Ziegel erlaubt. Wie neu ein Gebäude ist, kann man also am Holz erkennen - ist es noch hell, hat das Haus noch nicht viel mitgemacht. Oder man schaut auf die Hausnummer. In dieser Hinsicht ist die Nummerierung dann doch praktisch.

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