Fischler: „Das Forum ist ein politisches Unternehmen“

Franz Fischler
Franz Fischler Die Presse
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Forumspräsident Franz Fischler über Politiker, die sich profilieren wollen, die pragmatisch-politischen Grenzen der Europäischen Union und den Spirit of Alpbach.

Die Presse: Sie waren fünf Jahre Landwirtschaftsminister und zehn Jahre EU-Kommissar. Ist die Funktion des Forumspräsidenten ein Job für einen Politiker?

Franz Fischler: Teilweise ja, aber in einem anderen Sinn. Es geht nicht um Parteipolitik, um das ist es Gott sei Dank auch in Brüssel nur begrenzt gegangen. Worum es vielmehr geht, ist, Politik im eigentlichen Wortsinn zu betreiben. Politische Ideen zur Diskussion zu stellen, unterschiedliche Meinungen aufeinanderstoßen zu lassen, die Leute mit diesen zu konfrontieren und damit den Menschen, den Bürgern die Möglichkeit zu geben, sich ein Bild über die Zukunft zu machen, aber auch, sich klar zu werden, wo man ansetzen muss, um in unserer Gesellschaft etwas weiterzubringen.

Alpbach als politisches Unternehmen.

Es ist ein politisches Unternehmen. Aber nicht nur, auch Wissenschaften und Künste spielen eine große Rolle. Auch Politik wird sehr stark wissenschaftsbasiert diskutiert – und das steht Alpbach gut an. Der zweite große Flügel, der wissenschaftliche Flügel, hat von Anfang an eine zentrale Rolle gespielt und wurde auch massiv ausgebaut. Seit Beginn waren immer auch viele Studenten in Alpbach, die in erster Linie Seminare mit prominenten Professoren besucht haben. In diesen Seminaren sind nicht nur rein wissenschaftliche, sondern auch politisch relevante Themen behandelt worden.

Aber Alpbach geriet doch oft ins Fahrwasser der Politik, Regierungsmitglieder nutzten das Forum zur eigenen Profilierung.

Wenn Sie die vergangenen Jahre miterlebt haben, wissen Sie, dass das überhaupt nicht stimmt. Die Parteipolitik habe ich ganz gezielt abgestellt. Weil ich denke, dass Alpbach eine internationale, grenzüberschreitende Plattform sein soll und nicht dazu da ist, dass diverse Minister ihren Herbstauftakt für ihre Politik des nächsten halben Jahres machen. Das wird nicht mehr geduldet, und wenn Minister das wollen, werden sie nicht mehr eingeladen. Politiker sind aber herzlich eingeladen, sich in Fachdiskussionen einzubringen.

Sie haben in Alpbach auch Experten und Wissenschaftler, ein interessiertes Publikum – worauf legen Sie den Fokus?

Wir legen ihn einerseits nach wie vor auf junge Leute. Wir beginnen jedes Jahr mit der Seminarwoche, die mittlerweile von 700 bis 800 jungen Leuten besucht wird, die dann auch bei den anderen Veranstaltungen bleiben.

Die Jungen sind eine Zielgruppe.

Ja, und eine zweite sind junge Künstler. Diese Gruppe ist gegenüber den Anfängen des Forums etwas geschwunden, das wollen wir jetzt wiederbeleben. Und zwar nicht so, dass sie nur für das kulturelle Programm verantwortlich sind und zur Behübschung von Alpbach dienen. Wichtig ist, dass sie selbst kommen und in Alpbach mitdiskutieren. Gerade in einer Zeit, in der wir lernen müssen, mit komplexen Systemen und Problemen anders umzugehen, können Künstler aufgrund ihres Querdenkens sehr viel zur Lösung komplexer Probleme beitragen. Die dritte Zielgruppe sind die klassischen Stakeholder bei einem Kongress: Wirtschaftsleute, Wissenschaftler, Leute aus dem politischen Bereich.

Otto Molden hat in den ersten Jahren ein geeintes Europa als Ziel gesehen. Jetzt haben wir eine Einigung in der EU...

Ganz Europa ist da nicht drinnen.

Den Einwand habe ich erwartet.

Es ist völlig richtig, dass die Intention der Gründer war, zur Einigung Europas beizutragen. Damit war auch der Glaube verbunden, dass man durch die Förderung der Wissenschaft diese Einigung wesentlich bewirken kann. In der Zwischenzeit haben wir die Europäische Union, aber es ist wichtig zu betonen, dass Europa nach wie vor viel größer ist als die 28 Mitgliedstaaten. Es fehlen die Balkanländer, die noch nicht Mitglied sind, und beinahe ganz Osteuropa. Ich glaube, dass wir es früher oder später schaffen werden, den gesamten Balkan in die EU aufzunehmen, ich sehe aber nicht, dass die EU und Russland einmal eine Gemeinschaft bilden. Russland fühlt sich nach wie vor als eine imperiale Macht, die auf Augenhöhe mit der EU stehen möchte und sich nicht als Mitgliedstaat unterordnet. Da stößt man noch auf ein anderes Problem, nämlich dass eine geografische Abgrenzung Europas insgesamt nicht viel Sinn hat.

In einem seiner Bücher hat Molden Europa einschließlich der Ukraine gesehen.

Die Ukraine ist ein europäischer Staat. Aus pragmatisch-politischen Gründen ist jedoch eine Integration in die EU nicht in Sicht. Noch dazu, da gerade in den vergangenen Monaten von verschiedenen früher handelnden Personen wie Gorbatschow klargemacht wurde, dass die EU-Staatschefs wiederholt den Russen versprochen hätten, dass die Ukraine nicht in die EU aufgenommen wird.

Im Rückblick: Wo sehen Sie die großen Höhepunkte des Forums?

Der erste Höhepunkt war, dass man wenige Monate nach dem Krieg das erste Forum veranstaltet hat. Ein weiterer kam in den 1960er-Jahren: Da ist es gelungen, verschiedene Geistesgrößen wie Sir Karl Popper nach Alpbach zu bringen. Das Einmalige von Alpbach hat darin bestanden, dass man den Herrn Popper im Wirtshaus beim Würstelessen traf, man konnte sich dazusetzen und sozusagen auf Du und Du mit solchen Leuten reden.

Der sprichwörtliche Spirit of Alpbach.

Diese Atmosphäre, die da zustande gekommen ist, hat die Leute ungeheuer fasziniert. Dann kam ein weiterer Höhepunkt mit der Arbeit von Präsident Erhard Busek (2000 bis 2012, Anm.) hinzu. Er hat gewissermaßen die Idee von Alpbach in den Balkan getragen, von wo dann immer mehr Leute gekommen sind. Wir wollen jetzt einen Schritt weitergehen und noch mehr Internationalität nach Alpbach bringen. Wir versuchen auch, mit völlig neuen Formaten Aha-Erlebnisse zu schaffen, neue Formen der Kommunikation zu zeigen. Das können Teilnehmer miterleben und danach zu Hause in Zentral-, Ost- und Südosteuropa selbst ausprobieren.

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