Gleichheit beim Forum? Noch nicht erreicht

(c) Katharina Roßboth
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Mit „Das Fell der Tante Meri“ gelang Theodora Bauer ihr Romandebüt. Ungleichheit in Gestalt der Migration ist Thema ihres nächsten Buchs.

Ja, es gebe sie, diese euphorischen Momente der Gleichheit unter den Teilnehmern, sagt Theodora Bauer. Die junge Literatin, die im Vorjahr mit „Das Fell der Tante Meri“ ihr viel beachtetes Romandebüt vorgelegt hatte, ist heuer zum dritten Mal in Alpbach zu Gast. „Momente der Gleichheit gibt es, wenn man bei einer Veranstaltung gemeinsam denkt – auf Augenhöhe mit den Vortragenden.“

Doch je länger das Forum dauere, je näher die Wirtschafts-/Politikgespräche rückten, „desto eher sieht man dicke Autos und Männer in maßgeschneiderten Anzügen mit entschlossenen Schritten.“ Das Klientel ändere sich im Verlauf jedes Forums. Und man sieht, mit welcher Agenda Menschen hierher kommen würden: „Junge oft nur, um ihren CV aufzubessern, andere mit dem Fokus des gemeinsamen Denkens.

Oft werde behauptet, Alpbach sei „eine Welt im Kleinen“. Doch das sei es nicht, sagt Bauer. „Es ist ein Elitenclash in den Tiroler Bergen“. Nur Teilnehmer aus gewissen Schichten hätten Zugang. Man müsse sich in einem bestimmten Umfeld bewegen, um überhaupt davon zu erfahren und um das Angebot letztlich wahrnehmen zu können. Auch das sei eine Form von Ungleichheit – eine ungewollte, wie Bauer unterstellt.

Vermutlich ebenso ungewollt war der „Empfangseklat“, der sich vor gar nicht so langer Zeit ereignete: Ein Empfang, der davor immer offen für alle gewesen war, wurde in eine Art Zwei-Klassen-Gesellschaft umgewandelt: Mit einer Aufteilung in „echte“ Gäste und Stipendiaten. Auch sie wurden – keine Frage – verpflegt, allerdings in einem „Kinderzelt“ und nicht bei den „Großen“.

„Sie sind nicht dümmer“

Ungleichheit sei die eingeschränkte Partizipationsmöglichkeit ganzer Gesellschaftsgruppen ohne Grund, sagt Bauer: „Sie sind nicht dümmer, aber sind dennoch abgeschnitten, weil sie etwa nicht die gleiche Sprache sprechen.“ Drücken demnach Ungleichheit und Diversität Gleiches aus? Diversität meine gleichwertige, gleichberechtigte Teilnehmer, deren Unterschiede akzeptiert werden. Diversität sei gleichsam die gute Form der Unterschiedlichkeit, die es endlich geschafft habe, Thema zu werden.

Apropos Diversität: Zur geschlechtsspezifischen Diversität hat sich Bauer, geboren 1990, zuletzt auch in einem „Presse“-Debattenbeitrag geäußert und sich „ohne schlechtes Gewissen als Feministin“ bezeichnet.
Ob „Ismen“ wie der Feminismus Ungleichheit verstärkten oder abschwächten, komme auf den jeweiligen „Ismus“ an, sagt sie. „Es gibt diesen Abwehrreflex, weil man alle ,Ismen‘ für totalitär und vereinnahmend hält.“ Doch für Bauer drücken „Ismen“ auch Solidarität aus – man müsse sich nur intensiv mit ihnen beschäftigen, die Geschichte und mögliche zukünftige Bedeutungen kennen. „Feminismus ist ja keine Partei oder Armee, die in eine Richtung marschiert“, sagt Bauer: „Und ich teile nicht die Meinung jeder einzelnen Person.“

Bloß würden viele, die über Feminismus sprechen, nicht wissen, was im Moment diskutiert werde und nur einzelne Aspekte herauspicken. Das führe zu geradezu paradoxen Ergebnissen: „Das ist, wie wenn man Paradeiser, Gurken und Paprika mag, aber Gemüse ganz furchtbar findet.“
Feminismus ist für sie kein Programm mit festgeschriebenen Forderungen, sondern die Auseinandersetzung damit, wie sich Ungleichheit beseitigen lässt. Wobei das Ziel nicht Gleichheit, sondern gleichwertige Ungleichheit sei – ohne hierarchische Wertung, was besser und schlechter ist.

Motiv: Wirtschaftsflucht

Ungleichheit in Gestalt der Migration ist auch das Thema ihres nächsten Buches, an dem sie gerade arbeitet. Dafür hat sie sich intensiv mit der Geschichte burgenländischer Emigranten Anfang des 20.?Jahrhundert beschäftigt, als ganze Landstriche entvölkert wurden. „Diese Migranten strömten als Wirtschaftsflüchtlinge nach Chicago und andere amerikanische Metropolen.“ Bauer erzählt von fiktiven Charakteren, die es so geben hätte können, von „ganz seltsamen“ Verbindungen und Familiengeflechten durch Emigration und Rückkehr in die alte Heimat. Und – bevor das zum Begriff wurde – von Networking. „Mir ist wichtig, ein Thema zu bearbeiten, bei dem Menschen aus dem heutigen Österreich Migranten waren.“

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