Von der Wiese in den Plenarsaal

(c) Katharina Fröschl-Roßboth
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Gab es 1945 nur ein kleines Haus, so fasst heute allein der größte Saal des Congress Centrums 500 Personen. Nun wird es neuerlich ausgebaut.

„Wagt ihr schon wieder zu sitzen / am mittäglich sorglosen Abhang?“ Mit diesen Worten beginnt die „Alpbacher Elegie“, die Paula von Preradović 1947 verfasst hat. Inspiration dafür holte sich die Lyrikerin, aus deren Feder auch Österreichs Bundeshymne stammt, auf jener Bergwiese, auf der heute das Congress Centrum steht.

Von dem gläsernen Bau ist damals noch nichts zu sehen. Die rund hundert Teilnehmer der „Internationalen Hochschulwochen“ – gegründet 1945 von Preradovićs Sohn Otto Molden und dem Philosophiedozenten Simon Moser – halten sich in den drei Gasthäusern des Bergdorfes auf. Bei Sonnenschein werden die Vorlesungen und Debatten hinaus ins Freie verlegt, mit Decken und Klappstühlen Sitzkreise geformt und über Philosophie, Politik, Literatur und Kunst diskutiert.

Um permanent ausreichend Dächer über den Denkern zu haben, fällt Mitte der 1950er-Jahre die Entscheidung, ein Kongresshaus in Alpbach zu errichten, benannt nach Preradović. In den Folgejahren gehen hier (frühere und spätere) Berühmtheiten ein und aus, darunter der Psychiater Viktor von Weizsäcker, der Nobelpreisträger Erwin Schrödinger, die Philosophen Herbert Marcuse und Ernst Bloch, der Ökonom Friedrich von Hayek, der Physiker Werner Heisenberg. Auch die Philosophen Karl Popper und Theodor W. Adorno sowie der Soziologe Theodor Geiger geben dem „schönsten Blumendorf Europas“ die Ehre.

Glaskegel sorgt für Tageslicht

Im August 1999 löst das Congress Centrum das Preradović-Haus ab. „Bei der Errichtung des Gebäudes wurden die Bewahrung des einmaligen Ortsbildes und ein möglichst geringer Energieverbrauch im laufenden Betrieb berücksichtigt“, sagt Geschäftsführer Georg Hechenblaikner. Im Haus finden sich zwei Foyers, ein Plenarsaal für 500 Personen und fünf Seminarräume. „Die geniale Architektur des Gebäudes umfasst einen zentral platzierten Glaskegel und eine südseitig ausgerichtete Glasfassade, die für viel Tageslicht sorgen“, erläutert Hechenblaikner. Bis 2014 stieg die jährliche Teilnehmerzahl des Europäischen Forums auf rund 4500 Personen an – für heuer wird mit ähnlichen Zahlen gerechnet.

Das Congress Centrum platzt demnach aus allen Nähten: „Im großen Saal mussten öfters Leute stehen. Das wird in Zukunft nicht mehr passieren“, sagt Hechenblaikner und zeigt auf die Baugrube, die neben dem Gebäude klafft und von einem Zaun abgeschirmt wird. Seit dem Frühjahr wird das Congress Centrum für rund 10,5 Millionen Euro erweitert. „Zwei Drittel des Gebäudes stehen schon“, sagt Hechenblaikner. Die zweistöckige Tiefgarage, die Platz für 115 Autos bietet, ist bereits gemauert, darüber ist schon den Grundriss des neuen Gebäudeteils erkennbar.

Wo jetzt die Skulpturen der „Thinkers at work“ sitzen, werden ein großes Foyer, drei Seminarräume zu je 85 Quadratmetern und ein 426 Quadratmeter großer Plenarsaal entstehen. Die Räumlichkeiten sind durch bewegliche Wände getrennt und können zu einem Saal mit einer Gesamtfläche von 685 Quadratmetern zusammengefasst werden. Licht kommt durch eine große Glasfassade und einen Lichtschacht – denn der Zubau soll, wie schon der bestehende Gebäudeteil, im Hang versinken. Von der Straße aus wird man eine Glasfassade mit großzügigem Vorplatz sehen, aus der Vogelperspektive soll das Gebäude dagegen nahezu unsichtbar sein: Das Dach des Zubaus soll mit einer Blumenwiese bedeckt werden, mit Fußpfaden zum Wandern und Spazieren. Im Winter wird der Bögler-Feldlift für Kinder und Skianfänger wieder den Betrieb aufnehmen.

Ambitionierter Zeitplan

Von dem erweiterten Zentrum soll nicht nur das Forum Alpbach profitieren. „Wir haben viele Kongresse und Firmenveranstaltungen“, sagt Hechenblaikner. Die meisten Kunden wollen mit Tischen arbeiten, im Erwin-Schrödinger-Saal können wir so aber nur 240 Personen unterbringen. Das ist kritisch klein.“ Der neue Plenarsaal soll in der Maximalvariante Platz für 500 Menschen mit Tischen bieten. Für den Bau verantwortlich ist die Firma Bodner aus Kufstein – die drei Alpbacher Baufirmen hätten sich bei der internationalen Ausschreibung nicht beworben, so Hechenblaikner. „Das ist ihnen eine Nummer zu groß.“ Konzipiert wurde die Erweiterung vom Innsbrucker Architekten-Team DIN A4.

Während des Forums werden die Bauarbeiten „komplett eingestellt“, betont der Geschäftsführer. Erst im September werden die Arbeiten wieder aufgenommen. Im November soll der Rohbau stehen und mit Erde bedeckt werden, dann folgt der Innenausbau. Die Wand hinter der Rezeption wird abgerissen; der neue Gebäudeteil geht dann nahtlos in den jetzigen über. Der Haupteingang wird sich beim neuen Teil befinden.

Pünktlich zum nächsten Europäischen Forum sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Hechenblaikner: „Der Zeitplan ist ambitioniert, aber es muss hinhauen. Es gibt keine Alternative.“

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