Die unbeirrbaren Rufer in der Wüste

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Georg Kapsch und Hannes Androsch kämpfen Seite an Seite für mehr Forschungsbudget, eine neue politische Führung des Landes und eine wahre Bildungsreform.

Alpbach. Alpbach war und ist ein politischer Ort. Das Forum Alpbach war und ist eine politische Veranstaltung. Auch wenn dessen Präsident, Franz Fischler, stolz darauf ist, die österreichische Innenpolitik einigermaßen erfolgreich aus dem inhaltlichen Programm verdrängt zu haben. Mehr oder weniger. Dennoch war es Alpbach, das Christoph Leitl die Kulisse bot, mit scharfer Kritik am Wirtschaftsstandort Österreich und am schleichenden Abstieg des Landes („abgesandelt“) die schon länger geführte Debatte über den Kurs Österreichs neu zu befeuern.

Zwei Jahre später stoßen zwei der drei bekanntesten und wichtigsten Industriellen in dieselbe (und noch ein paar andere) Kerben. Voest-Chef Wolfgang Eder war nicht zugegen, würde die meisten Aussagen aber vermutlich unterschreiben. Industriellenvereinigungs-Chef Georg Kapsch und AIT-Chef Hannes Androsch formulierten erstmals ihre Forderungen nach Veränderungen in Österreich auf allen Ebenen. Beide Herren verdeutlichten dies mit folgenden Zahlen: Österreich gebe 12.619 Euro pro Studierenden aus, die Schweiz 50.152 Euro, Bayern 29.348 Euro. Und dennoch liege der Schuldenstand Österreichs im Vergleich über den beiden Ländern.

Aber Androsch und Kapsch kritisieren nicht nur den Mangel an Wissenschaftsbudget in Österreich, sondern vermissen generell jedwede Art von Leadership. Kapsch: „Dieses Land braucht endlich eine Aufbruchstimmung. Es braucht eine Führung, die den Mut hat, etwas zu tun.“ Nachfrage: „Hat die Führung, also die Regierung, das nicht?“ Kapsch: „Einige haben es oder könnten es haben. Aber das Regierungskollektiv nicht.“ „Aber hat das Kollektiv einen Chef?“ Kapsch: „Der Bundeskanzler hat nicht einmal eine Richtlinienkompetenz wie die deutsche Kanzlerin.“ „Das heißt, es ist die Kompetenz das Problem, nicht der Kanzler?“ Kapsch: „Sie werden mich jetzt nicht zu einer Kompetenz-Debatte über den Kanzler bringen.“

Androsch: „Ich sage das schon: Selbst mit einer Richtlinienkompetenz brauchte man eine Richtung.“ Beide sagen auch, dass es eine generelle Veränderung der österreichischen Haltung geben müsse. Androsch: „Mein Sohn hat sich an der TU Graz für das Architekturstudium beworben. Die Kandidaten mussten ein Motivationsschreiben schicken. Ein Test war dann nicht notwendig, das hat als Zugangsbeschränkung offenbar gereicht.“ Der Sohn wurde übrigens genommen.

Industriestandort ausbauen

Eine weitere Einschätzung teilen beide: Nur Länder mit Industrie konnten die Weltwirtschaftskrise einigermaßen glimpflich durchstehen. Nun wäre es höchst an der Zeit, den Industriestandort auszubauen beziehungsweise zu verteidigen. Dafür müssten Politik, Unternehmer und das Bildungssystem sich viele intensiver mit der Digitalisierung und Roboterisierung der Industrie auseinandersetzen. Vor allem aber müsse die Bürokratie endlich rückgebaut werden. Genüsslich las Kapsch einen Vergleich vor: „In Österreich braucht eine Baugenehmigung für ein Unternehmen im Schnitt 194 Tage, in Schweden 116 Tage.“ Noch Fragen?

Kapsch sieht Unterstützung in der Bevölkerung für seine Forderungen, er verweist auf eine Gfk-Umfrage (Sample 2000), laut der 70 Prozent der Befragten steuerliche Erleichterungen für Unternehmer gut finden würden. Und 83 Prozent für mehr Budget für Forschung und Entwicklung plädieren.

Und auch wenn der Posthornton schockgefroren scheint: Die Forderung beider einsamer Wüstenrufer nach einer echten Bildungsreform, die nur in einer Neuorganisation und Reduktion der Schulbehörden münden kann, wird wieder formuliert. Wir schreiben Alpbach 2015. 2016 könnte leider ähnlich klingen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2015)

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