"Es gibt keine echten Alpbacher mehr"

Willi Kostenzer
Willi Kostenzer(c) Katharina Roßboth
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Willi Kostenzer kannte Toni Sailer, trug Maria Fekters Taschen, führte ein Pub in London und kann sich von seiner Heimat nicht trennen.

Elegant schlängelt sich die Straße den Berg hinauf. Wer auf ihr Richtung Congress Centrum fährt, passiert die Banken, die Bäckerei, den Jakober und den Böglerhof. Nicht so jeden Freitagabend. Denn sommers stimmt die Musikkapelle vor der St. Oswald-Kirche auf das Wochenende ein: die Einheimischen und die Gäste. Und ihn: Willi Kostenzer.

Der 74-Jährige ist kein Mitglied der Kapelle, spielt kein Instrument, obwohl sein Vater ein guter Harfenist und Harmonika-Spieler war. Mit der Musik hat er dennoch einiges am Hut. Oder auf der Kappe, die sein Markenzeichen ist: Er sitzt Freitagabend regelmäßig auf einem Sessel auf der Straße vor der Kirche, zu seinem linken Fuß ein Glas Rotwein. „Ich blockiere die Straße, damit die Autos das Platzkonzert nicht stören“, sagt er. „Zum Fahren ist nachher auch Zeit“, rechtfertigt er sich gegenüber verwunderten Touristen. Andere animiert er: "Mehr klatschen!"

Als die Concorde über London flog

Dass Kostenzer nicht ungern im Mittelpunkt steht, ergibt sich aus seiner Biografie: Nach dem Besuch der Volksschule und einer Lehre als Zimmermann verdiente er sich als Wanderführer und Skilehrer sein Geld, das er auch in Anteile an den Liftanlagen in Alpbach steckte. In den 1950er Jahren kam er auf diese Weise bei den internationalen Skirennen im Alpbachtal in Kontakt mit Anderl Molterer und Toni Sailer. Auch als Reiseleiter war er tätig. Einer britischen Kollegin folgte er nach London.

„Es war die Zeit der Beatles“, erinnert er sich. „Ich habe Fenster geputzt und ein Pub geführt.“ So war er auch Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre im Vereinigten Königreich und dabei, als die Concorde erstmals über den Buckingham Palace flog. In so manchem Sommer verschlug es ihn hingegen damals an den Gardasee, weit häufiger auf Kreuzfahrtschiffe, wo er bis heute Reisende bei Laune hält, wenn er mit Tiroler Musikgruppen über den Ozean fährt.

Willi Kostenzer
Willi Kostenzer(c) Katharina Roßboth

Seiner Heimat hat er trotzdem stets die Treue gehalten. Immerhin ist er eines der wenigen Originale des Bergdorfes. „Heute gibt es keine Alpbacher mehr, ich bin einer der letzten“, sagt Kostenzer. Zur Welt gekommen im Haus seiner Eltern. Nicht so wie heute, wo alle ins Krankenhaus nach Schwaz oder Kufstein fahren würden. „In Alpbach kenne ich jeden“, sagt er. Und so kannte er auch den Nobelpreisträger Erwin Schrödinger, der seine letzten Lebensjahre im Ort verbrachte. Jeden Tag sei er schließlich an dessen Balkon vorbeigegangen. Genau will er sich auch noch an das Forum erinnern, bei dem der von Bundeskanzler Bruno Kreisky als Finanzminister geschasste Hannes Androsch seinem Nachfolger Herbert Salcher zuwinkte.

Die Politiker kommen zu ihm

Im Jahr 1992 bekam Kostenzers Lebenslauf einen weiteren Eintrag dazu: Die nächsten sechs Jahre sollte er als Hausmeister im Congress Centrum arbeiten. In dieser Zeit habe er es mit der „Vorbereitung“ auf den „Tiroltag“ einmal fast zu ernst genommen und damit beinahe die offizielle Eröffnung des Forums verschlafen. „Am Vorabend gab es ein paar Bier zu viel“, gibt er zu. „Erst gegen zehn Uhr bin ich im Büro aufgewacht, da ist es draußen schon rund gegangen.“

Als Hausmeister war er immer nahe an den prominenten Gästen dran. Auch an den Politikern. „Ich gehe aber nicht zu ihnen hin. Ich brauche ja nichts von ihnen“, sagt er. Stattdessen kämen Forumspräsident Franz Fischler oder UN-Generalsekretär Ban Ki-moon auf ihn zu. Er war auch dabei, als die Frau des Spitzendiplomaten eine Wanderung unternahm. Und für Ex-Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) trug er die Koffer.

Dürfte sich das dritte von sechs Geschwistern einen Besucher für Alpbach wünschen, wäre es der russische Präsident Wladimir Putin. „Weil er aktuell wohl der mächtigste Mann ist“, begründet Kostenzer. Und, weil ihm eine Frage unter den Nägeln brennt: „Warum will er Lebensmittel verbrennen lassen?“ Sollte es nicht zu einem Treffen kommen, sei das auch verkraftbar, meint Kostenzer, der gerade seine nächste Kreuzfahrt plant.
Und immer noch auf der Suche ist: „Dreimal war ich kurz davor, eine Frau zu heiraten, für den letzten Schritt hat es aber nicht gereicht. Aber wer weiß, was kommt?“

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