Kateryna Shkel hat ihren Vater im Krieg verloren, Yevhenii Monastyrskyi wurde von Separatisten festgenommen und gefoltert.
Die vereinbarte Waffenruhe in der Ukraine hält nicht – immer noch nicht. Trotzdem wächst der Optimismus, zumindest bei Kateryna Shkel und Yevhenii Monastyrskyi. Die beiden Stipendiaten stammen aus Donezk und Lugansk. Sie verlor ihren Vater durch die Kämpfe in ihrer Heimat, er wurde von Separatisten festgenommen, verhört und gefoltert. „Die Ereignisse lassen viele zu Zynikern werden“, sagt Monastyrskyi. Doch man gibt nicht auf, hofft auf ein baldiges Schweigen der Maschinengewehre, auf faire Wahlen.
„Es war Freitag, der 13. Juni 2014, in Lugansk“, erzählt der 22-Jährige. „Ich hatte mich gerade mit Freunden getroffen, wir haben diskutiert, gingen vom Kaffeehaus nach Hause.“ Plötzlich habe ein Wagen vor ihnen Halt gemacht. Drei Männer seien ausgestiegen, hätten nach ihren Papieren verlangt. Die Freunde zeigten sie vor. „Einsteigen“, hieß es. „Sie nannten uns Provokateure, Spione.“ Monastyrskyi hatte gerade den Bachelor in Geschichte abgeschlossen. „Wir sind nicht betrunken, wir haben keine Gesetz gebrochen“, rief er den Kämpfern entgegen. Vergebens.
Eine Kalaschnikow wurde auf die Freunde gerichtet, sie stiegen ein. Im Quartier der Separatisten trennte man sie, verhörte sie, folterte sie. „Sie schlugen uns mit dem Schaft ihrer AK-47“, sagt der Stipendiat. „Wir mussten Blut aufwischen – von Menschen, die der Einschlag einer Bombe getötet hatte.“ Nach zwei Tagen kam einer der Kämpfer zu Monastyrskyi: „Sie nannten ihn ,Russe', er hatte ein russisches Abzeichen am Arm.“ Am dritten Tag kamen sie frei. „Wir hatten wirklich überlebt“, sagt der Stipendiat, „wir wünschten uns Alles Gute zum Geburtstag.“
Der Vater von Kateryna Shkel hatte weniger Glück. „Er kam eines Tages nicht mehr von der Arbeit nach Hause“, schildert die 19-Jährige. Sie war zu diesem Zeitpunkt in Kiew, wo sie Biotechnologie studiert. „Es war der Tag, bevor ich meine Eltern besuchen wollte, daheim in Donezk“, sagt sie. Den ganzen Vormittag über habe ihre Mutter versucht, ihren Mann anzurufen, doch er nahm den Hörer nicht ab. Mehrere Tage vergingen. „Wir hofften, er wäre nur verhaftet worden, so wie Yevhenii.“
Doch es kam anders. „Zwei Wochen später fand man seine Leiche neben anderen Toten in den Gruben eines stillgelegten Bergwerks“, sagt Shkel. Ihre Stimme zittert. „Es war furchtbar.“ Ihre Mutter fiel in eine schwere Depression. Doch die Studentin will nicht aufgeben. „Ich bin 19 Jahre alt, ich kann mich über Wasser halten, auch wenn das Leben sehr schwer ist.“
Russen und Ukrainer am Tisch
Die Schuldfrage stellt Shkel nicht. „Mich interessiert die Position der Russen nicht, auch nicht jene der Ukrainer“, betont sie wieder mit fester Stimme. „Ich bin Wissenschaftlerin und will die Welt neutral sehen.“ Konkret: vorurteilsfrei. „Vielleicht bin ich Idealistin, aber ich habe einen Traum“, sagt sie. Und dieser handle vom Frieden in der Heimat. Sie möchte wieder ohne Angst durch Donezk gehen. Momentan würden viele Bewohner die offene Straße meiden, zu groß sei die Gefahr, von Scharfschützen getroffen zu werden.
„Ich glaube, dass es eines Tages möglich sein wird, dass sich Russen und Ukrainer an einen Tisch setzen und miteinander reden können“, sagt sie. Bis es soweit ist, möchte sie ihr Studium fortsetzen, eines Tages eine Einrichtung ins Leben rufen, die es Kindern aus ärmeren Familien ermöglicht, eine Uni zu besuchen – „hätte ich nicht mein Stipendium bekommen, könnte auch ich nicht studieren.“