Verhinderte Aufstände und Kinder statt Partys

Elisabeth Gehrer
Elisabeth Gehrer(c) Michaela Bruckberger
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Auch außerhalb des Kongressdorfs sind die Augen auf Alpbach gerichtet. Erinnerungen eines langjährigen Forumsbesuchers.

Der große, schlanke, geradezu hagere Mann ist aus den Alpbacher College-Tagen kaum wegzudenken. Stets freundlich lächelnd, stets aufgeschlossen und interessiert, ist er heute der Elder Statesman des Forums: Heinrich Pfusterschmid-Hardtenstein. Der frühere Diplomat hat das Forum von Alpbach-Gründer Otto Molden 1992 übernommen und verantwortete es bis zum Jahr 2000.

Damals, so konnten wir unisono feststellen, war er der am besten geeignete Mann, um die Zukunft des Forums zu sichern. Als Mann des Ausgleichs meisterte er bestehende Schwierigkeiten souverän. So etwa 1997, als die neu formierte „Unter-40-Gruppe“ des Forums gegen überkommene Strukturen aufbegehrte. Man sprach von einem Aufstand und einer unsicheren Zukunft des Forums. Allerdings: Die Kritik richtete sich ausdrücklich nicht gegen Pfusterschmid-Hardtenstein – er holte vielmehr mehrere Jung-Alpbacher in die Gestaltungsgremien des Forums. Damit war die aufkeimende Revolution beendet und der gewiefte Diplomat sorgte durch die Einbindung der Jungen auch für neuen Schwung.

Alpbach thematisiert Wissenschaft, Bildung, die Gesellschaft und den einzelnen Menschen, Herausforderungen, Umbrüche und Gefahren unseres sozialen Systems. Ein Überblick über die Jahresthemen zeigt zwar stets neue, ins Ohr gehende Titel, das Prinzip ist aber immer das Wechselspiel zwischen Innovationen und deren Auswirkungen. Wegen des vorgegebenen Titels kommt man nicht nach Alpbach. Es sind die Fachgespräche, deshalb verbringen die Angehörigen der jeweiligen Community – Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Recht oder Gesundheit – einige Tage hier.

Unterbelichtet blieb in den vergangenen Jahren die Seminarwoche (heuer mit 16 einzelnen Seminarrunden), die vom Gründungsgedanken her das eigentliche Herzstück der Alpbacher Tage bildete. Da sitzen tatsächlich Teilnehmer aus allen Altersstufen, vor allem aber Junge, gemeinsam mit Professoren im Kreis. Abends verfasst jemand ein Protokoll, auf das am kommenden Tag die Diskussion aufbaut. Noch in den 1990er Jahren wurden die meisten Seminare in den stimmungsvollen Stuben einiger alter Bauernhöfe abgehalten.

Alpbach als Ort der Begegnung

Die Tagungsörtlichkeiten machen auch den Wandel über die sieben Jahrzehnte Alpbach deutlich. Im August 1945 begann man im damals noch überschaubaren Böglerhof (der Wirt war der Bruder des zweiten Alpbach-Gründers Simon Moser). 1954 wurde mit dem Paula-von-Preradović-Haus ein eigenes Kongresszentrum geschaffen. Als das Forum größer und größer wurde, ging es auch mit diesem Gebäude nicht mehr. Ein Neubau wurde beschlossen. Während der Baujahre konnte das Forum in das Schulgebäude der Gemeinde ausweichen. Bis heute werden die Klassenräume als Tagungsorte genutzt. Nun, 16 Jahre später, wird das Congress Centrum neuerlich ausgebaut.

Einzelne Nobelpreisträger oder internationale Spitzenpolitiker bleiben mir als langjährigem Alpbach-Teilnehmer in Erinnerung. Aber der immense Wert der Alpbacher Tage liegt in der Begegnung. Hier ist es eine ausgemachte Sache, dass jeder jeden ansprechen kann, der Student den Spitzenwissenschaftler, die Vertreter aus den wirtschaftlichen und politischen Verbänden die Kirchenoberen, Landeshauptleute und Minister. Jedes einzelne Gespräch kann zum Höhepunkt werden.

Und für den Journalisten ist es ein geradezu lockeres Umfeld, um Interviews im Gastgarten bei Kaffee oder Bier zu führen. Da spricht es sich leichter, da lernt man sein Gegenüber von einer völlig neuen Seite kennen. Nun, ein Gespräch ist mir besonders präsent, hatte es doch eine politische Kampagne ausgelöst. 2003 kam die damalige Bildungsministerin Elisabeth Gehrer zu den Technologiegesprächen. Sie hatte vorher einen Artikel der „Zeit“ über das Generationenproblem gelesen und suchte mich sofort auf, um via „Die Presse“ einen Appell an die junge Generation loszulassen. „Was macht das Leben lebenswert“, sagte sie, „etwa wenn man von Party zu Party rauscht, ist es das Single-Leben?“

Die Augen auf Alpbach

Die Bildungsministerin hatte sich damit Luft verschafft. Darauf musste sie aber herbe und über Wochen anhaltende Kritik in Kauf nehmen. Politische Gegner unterstellten Gehrer prompt den Slogan „Kinder statt Partys“. Was sie so gar nicht gesagt hatte.
Womit nur eines deutlich wurde: Was hier gesprochen und getan wird, kann zu nachhaltigen Auswirkungen führen. Denn auch außerhalb des Kongressdorfes sind die Augen auf Alpbach gerichtet.

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