Mit dem Handbike auf der Überholspur

Josef Margreiter
Josef Margreiter(c) Katharina Roßboth
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Josef Margreiter ist der einzige Alpbacher, der im Rollstuhl sitzt. Er spielt Posaune, führt eine Skischule - und trank einst Tee mit Prinz Charles.

In die Berge zog es Josef Margreiter schon immer – ob auf Skiern oder mit dem Fahrrad. Mittlerweile wurden daraus ein Monoski und ein Handbike. Mit letzterem fährt der 62-Jährige zwischen 5000 und 6000 Kilometer im Jahr. „Einmal durfte unser Verein ein Stück auf der Autobahn fahren“, erzählt Margreiter. „Die Polizei hat das ermöglicht.“ Ein anderes Mal radelte der dreifache Vater mit dem Handbike die Großglockner Hochalpenstraße hinauf. Die meiste Zeit über benützt er jedoch ein anderes Gefährt: „Ich bin der einzige Alpbacher, der im Rollstuhl sitzt – seit einem Unfall vor 16 Jahren.“

Geboren wurde Sepp, wie er im Bergdorf gerufen wird, als fünftes von sechs Kindern – drei Buben, drei Mädchen. Nach der Schule machte er einen polytechnischen Lehrgang, fortan half er am elterlichen Bauernhof. Dabei hätte er eigentlich Abfahrer werden wollen. „Mein Vorbild war Karl Schranz“, sagt Margreiter. „Ich war ehrgeizig, habe mir die Latte schon immer hoch gelegt“, sagt er. Doch ein Unfall durchkreuzte seine Pläne: Beim Training für die Tiroler Jugendmeisterschaft in Lienz war er zu schnell unterwegs, prallte in einen Stacheldrahtzaun und brach sich das rechte Schien- und das Wadenbein. Es folgten neun Wochen Gips und ein immenser Trainingsrückstand. „Aus der Traum“, zuckt Margreiter mit den Achseln.

Skilehrer mit „Rasenmäher“

Ganz aufgeben wollte der Alpbacher, der seinem Rollstuhl heute meist einen, wie er sagt, „Rasenmäher“ vorspannt (ein motorisiertes Zuggerät, um leichter über steile Hänge und Gehsteigkanten fahren zu können), den Skisport aber nicht. Im Winter 1969 bestritt er seine erste Saison als Skilehrer im Alpbachtal. Bald wurde aus dem Hobby mehr: Margreiter nahm Unterricht in Salzburg und Tirol, lernte Englisch – „man muss sich schließlich mit den ausländischen Gästen unterhalten können“ – und absolvierte die Prüfung zum Landesskilehrer. Zwei Winter später durfte er sich bereits staatlich geprüfter Skilehrer nennen.

Fortan lehrte er vor allem Kindern das Wedeln auf zwei Brettern – heute unterrichtet er auch Menschen mit Behinderungen. Ende der 1970er erweiterte sich der Kundenkreis auf britische Soldaten. „Da ich sehr schnell war, wurde ich ausgewählt, um mit den Armeeteams zu trainieren“, erzählt der Großvater. Vor einer Woche wurde sein zweites Enkelkind geboren, im September wird er den 37. Hochzeitstag mit seiner Frau Monika feiern. Irgendwann kam ihm der Gedanke, eine Skischule führen zu wollen. 1991 erfüllte er sich den Wunsch und übernahm die Alpbacher Skischule. „Die gibt es seit 1932“, sagt er stolz. „Sie ist eine der ältesten in der Region.“ Im Büro hat er derzeit drei Mitarbeiter, in der Wintersaison wird aufgestockt. Dann haben wir bis zu 60 Skilehrer hier im Ort. Die kommen aber nicht nur aus der Region, sondern auch aus Schweden, Deutschland und Großbritannien“, zählt er auf.

Dann kam das Jahr 1999. Genauer gesagt: der 27. Mai – und änderte alles. „Im Sommer arbeitete ich gemeinsam mit einem Bruder und einem Kollegen als Holzfäller“, schildert Margreiter. „Wir haben im Wald gearbeitet, ich trug einen Helm und einen Gehörschutz“, erinnert er sich. Etwas oberhalb von ihm, habe ein Kollege einen Baum gefällt, „der leider schon ein wenig morsch war“. Daher fiel er in die falsche Richtung: „Mir auf den Rücken.“

Wenn Minuten entscheiden

„Ich hatte Glück im Unglück“, sagt er, während er seine Schildkappe mit dem Skischul-Logo kurz abnimmt. „Der Notarzt, der mit dem Hubschrauber gekommen ist, hat gleich erkannt, dass ich innerlich am Verbluten bin. Er hat mich bei den Rippen aufgemacht und Drainagen gelegt, damit das Blut abrinnen konnte“, sagt er mit leicht bebender Stimme. Später habe er den Arzt wieder getroffen. „Das war knapp, noch ein paar Minuten länger und es wäre zu spät gewesen“, habe dieser ihm gesagt. Seither glaubt Margreiter an Bestimmung: „Ich habe noch etwas zu tun, sonst wäre ich nicht mehr auf dieser Welt. Mittlerweile habe ich auch fast keine Schmerzen mehr.“

Doch der Weg dorthin war steinig: Sechs Wochen lang lag Margreiter im Koma, drei Monate lang wurde er künstlich beatmet. „Ich hatte einen Lungenriss, eine Lungenquetschung und konnte lange nicht sprechen“. Hinzu kamen Frakturen im siebenten Halswirbel, im ersten, sechsten, siebenten, achten und neunten Brustwirbel. „Die Lähmung habe ich im siebenten Brustwirbel“, sagt Margreiter. „Gott sei Dank wurden die Nerven beim Halswirbel nicht verletzt – so kann ich meine Arme bewegen, ich spüre nur in den Fingern eine leichte Taubheit.“

„Ohne die Familie hätte ich das nicht geschafft“, sagt Margreiter. „Es war bitterhart, anfangs ist man nicht sattelfest in seinem Tun.“ Kraft gegeben hätten ihm auch die Musik. „Ich spiele, seit ich zehn Jahre alt bin, in der Blasmusikkapelle Posaune und Tenorhorn.“ Daneben tritt er öfters mit seiner Sechs-Mann-Gruppe auf. „Die fünf kamen nach dem Unfall auf die Intensivstation und meinten, sie warten auf mich, besetzen mich nicht nach“, sagt er mit Tränen in den Augen. Unter anderem hätten sie auf der Hochzeit von Markus Wasmeier gespielt. Der einstige deutsche Skirennläufer ist nicht der einzige Prominente, den Margreiter kennengelernt hat.

Zum Tee bei Prinz Charles

„Ich bin mit Jürgen Schrempp, Ex- Chef von Daimler Chrysler, Ski gefahren, sowie mit dem Zeremonienmeister der Queen und der Schneiderin von Lady Camilla“, sagt Margreiter. Mit Prinz Charles – so zeigt ein Foto in der Skischule, in der auch ein Paar Skier von Lindsey Vonn steht – habe er einst Tee getrunken. „Ich habe einem seiner Berater einst das Skifahren beigebracht, bis heute sind wir befreundet“, erklärt Margreiter. „Im September 2000 wurden wir nach England eingeladen.“ Charles sei sehr höflich gewesen, so der Unternehmer. Er habe ihn im Gegenzug auch nach Alpbach eingeladen. Gekommen ist er noch nicht. „Vielleicht wird es noch“, sagt Margreiter grinsend.

Bis es soweit ist, beschäftigt sich Margreiter mit der Information von Jugendlichen: „Ich fahre in Schulen und berichte vom richtigen Umgang mit Behinderten“, sagt er. Auch fährt er häufig mit dem Auto ins Innsbrucker Krankenhaus – „ich kann via Hebel mit der Hand Gas geben und bremsen“. Dort unterhält er sich mit anderen Querschnittgelähmten. „Ich versuche, ihnen Hoffnung zu geben“, sagt Margreiter. „Wenn ich ihnen sage, dass ich fast alles alleine kann – ich ziehe mich an und aus, steige selbst aus dem Bett auf, dusche mich alleine und mache Sport – dann beginnen ihre Augen zu leuchten.“ Ein Betroffener sei eben glaubhafter als Ärzte, denen ein solcher Schicksalschlag erspart geblieben sei. Allerdings stecke hinter all dem harte Arbeit: „Nie aufgeben lautet das Motto.“

Mit dem Rollstuhl durch Alpbach

Der Mühlbachweg bietet auf der Länge von einem Kilometer neun Stationen der Besinnung. Für Spazierfahrten eignen sich auch der Lueger- und der Greitergraben. Für eine längere Tour bietet sich der Höhenweg an – Einkehrmöglichkeiten sind das Gasthaus Roßmoos und die Jausenstation Wurmhof. Hoch hinaus kommt man bei einer Gondelfahrt auf das Wiedersberger Horn oder den Reitherer Kogel – sofern der Rollstuhl zusammenklappbar und nicht breiter als 64 Zentimeter ist. Etwas außerhalb von Alpbach bieten sich der Kräutergarten nach Hildegard von Bingen in Reith, der Berglsteinersee in Breitenbach, die kleinste Stadt Österreichs Rattenberg, die Basilika Mariathal in Kramsach sowie der dortige Museumsfriedhof und das Höfemuseum an.

Behindertengerechte Toiletten haben der Böglerhof, der Berghof, das Gasthof Rossmoos, der Alpbacherhof und Messer's. Arzt und Apotheker sind barrierefrei zu erreichen.

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