Wie tote Orte wieder lebendig werden

Robert Schabus
Robert Schabus(c) Katharina Roßboth
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Filmemacher Robert Schabus über Initiativen, durch die ausgestorbene Orte wieder belebt werden, über Fehler in der Raumplanung und autoritäre Politik.

Was tun, wenn Orte sterben? Wenn die Jungen wegziehen, um in Städten zu arbeiten, Geschäfte abwandern und mit Gasthäusern, die zusperren, das Sozialleben zu verenden droht? Schicksale, wie sie viele Orte erleiden – und an denen einige nachhaltig zu Grunde gegangen sind. Filmemacher Robert Schabus hat sich für seine Dokumentation „Ort schafft Ort. Wie Baukultur Menschen und Orte verändert“ auf die Suche nach Dörfern und Städten gemacht, in denen es gelungen ist, Orte wiederzubeleben.

Und ist dabei zum Beispiel nach Hopfgarten im Osttiroler Defereggental gekommen. Ein Ort, rund 730 Einwohner, der bis vor 15 Jahren sukzessive am Entschlafen war. Ein Dorf, in dem, als das letzte Wirtshaus schloss, auch noch die soziale Drehscheibe abhanden kam. „Es war ein Ort am Absterben, der Bedarf nach Erneuerung war groß“, sagt Schabus. Und die Osttiroler waren mutig: Im Rahmen der Dorferneuerung wurde ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben, die Entscheidung fiel auf einen modernen, Bau, ein Kulturhaus, in dem ein Veranstaltungszentrum, ein Café und die örtliche Feuerwehr untergebracht wurden. Ein schräger Bau, der erst oft kritisiert wurde, aber die Gemeinde setzte ihn gegen viele kritische Stimmen durch. „Wenn man zusammensteht, kann man etwas riskieren, man muss nicht immer im Lederhosenstil bauen“, argumentierte Bürgermeister Franz Hopfgartner dereinst.

Progressives Bauerndorf

Und so hat sich das kleine Dorf zum raumplanerischen Vorzeigeort entwickelt: Das Kulturhaus war Anstoß für eine neue Politik der Bürgerbeteiligung, mittlerweile ist es breit akzeptiert und hat das kulturelle und soziale Leben nachhaltig in Schwung gebracht. Junge Leute haben die Perspektive, ihren Ort mitzugestalten und vielleicht nicht abzuwandern. „Das Spannende daran war, es ist ein sehr konservatives Dorf und hat so eine progressive Entwicklung gemacht. Es ist ein Spagat, aber dort ist er gelungen. Die Leute sind heute stolz, das zu haben, und identifizieren sich mit dem Ort“, sagt Schabus.

Von fünf auf 60 Einwohner

Eine Entwicklung, wie sie in den acht Orten – vier in Österreich, vier in Deutschland – gelungen ist, die er für den Film besucht hat, der in Kooperation mit der Initiative Landluft, einem Verein zur Förderung der Baukultur in ländlichen Räumen, entstanden ist.

Und solche können in den kleinsten Orten glücken: Etwa im Lüchow in Mecklenburg-Vorpommern. Ein Dorf, das beinahe aufgegeben wurde, nachdem es 2003 nur noch fünf Einwohner zählte. Bis es zufällig von einem Architektenpaar entdeckt wurde, das beschloss, sich dort niederzulassen und unter anderem eine Food-Cooperative, eine Schule und einen Kindergarten initiierte. So kamen erst die Kinder aus der Umgebung in das Dorf, in den vergangenen zehn Jahren hat sich dieses zu einem Magneten für Menschen entwickelt, die am Land leben wollen und die ihr Zusammenleben gemeinschaftlich organisieren wollen. Heute zählt Lüchow rund 60 Einwohner, kaum ein altes Haus steht noch leer, und der Ort gilt als Paradebeispiel, was Sanierung, Neubauten und die Gestaltung von Freiräumen betrifft. Ein solcher Ort, ein Anziehungspunkt für Junge, Kreative, für Leute, die ländlich, aber gemeinschaftlich organisiert leben wollen, ist auch nahe Linz entstanden: Ottensheim, ein 4500-Einwohner-Ort an der Donau.

Wandel entstand aus Protest

Dort kam der Umbruch, als eine Bürgerinitiative gegen den Plan der Gemeinde, das Amtshaus aus dem Ortskern an den Rand zu verlagern, protestiert hat. Daraus entstand die Bürgerliste „pro O.“, deren Kandidatin Ulrike Böker wurde zur Bürgermeisterin gewählt (sie spricht heute übrigens ebenfalls in Alpbach, siehe Veranstaltungshinweis zum unteren Artikel). Das sanierungsbedürftige Amtshaus am Marktplatz wurde umgebaut, auch Räume für Veranstaltungen, Vereine oder Märkte sind darin entstanden. In Ottensheim hat sich seither eine lebendige Kulturszene entwickelt – und eine neue Kultur in der Politik etabliert: Neuen Bauprojekten geht eine Phase der Bewusstseinsbildung und Konzeption voraus, die Bevölkerung ist in diese eingebunden.

Neben Ottensheim, Hopfgarten und Lüchow porträtiert Schabus im Film das oberösterreichische Hinterstoder, das Vorarlberger Zwischenwasser, Luckenwalde in Brandenburg, Weyarn in Bayern und Volkenroda in Thüringen.

Politik allein reicht selten

Was eint diese Orte und Projekte? „Die Impulse stammen selten von der Politik allein. Oft braucht es aber nur ein, zwei engagierte Bürger, um etwas in Gang zu setzen. Und das gelingt am Land, wo Wege kürzer sind, man die Verantwortlichen kennt, leichter. In der Politik ist die Scheu, auf Bürgerbeteiligung zu setzen, oft groß. Aber so fallen die besten, weil tragfähigsten Entscheidungen, und es setzt einiges, was das Gemeinschaftsleben und die Lebensqualität betrifft, in Gang“, sagt Schabus.

Und Bürgerbeteiligung könnte so manch eine Bau- und Raumplanungssünde verhindern. Als die sieht Schabus etwa Fachmarkt- und Einkaufszentren, für die nach wie vor täglich Flächen umgewidmet und versiegelt werden – und die von politischer Seite mit dem Argument der Investitionsförderung und dem Schaffen von Arbeitsplätzen durchgesetzt werden.

„Da handelt die Politik in den Gemeinden oft zu autoritär“, sagt Schabus. Und ohne zu bedenken, dass genau diese Zentren ihre Ortskerne aussterben lassen und dort Arbeitsplätze verloren gehen.

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