Ja!Natürlich-Chefin: "Bio ist teurer und muss es auch sein"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ja!Natürlich-Chefin Martina Hörmer erklärt, warum Biolebensmittel mehr kosten als konventionelle. Und dass dies für einkommensschwache Haushalte kein Problem sein muss.

Die Presse: Beim diesjährigen Forum Alpbach gab es hitzige Diskussionen zum Thema Ungleichheit. Bei Lebensmitteln ist es ja auch so, dass Bio so etwas wie eine elitäre Sache ist.

Martina Hörmer: Bio ist teurer und muss auch teurer sein. Aber mit elitärem Denken hat das nichts zu tun. Sondern damit, dass ein Biobauer ganz anders arbeiten muss als ein konventioneller Landwirt. Nehmen wir zum Beispiel das Ei.

Das in der Biovariante um etwa 30 bis 40 Prozent mehr kostet.

Stimmt. Weil in einem konventionellen Hühnerstall beispielsweise 20.000 Hühner sind. Ein Biobauer darf nur ein paar tausend haben. Und er braucht für jedes Huhn mindestens zehn Quadratmeter Auslauf, das heißt, er benötigt großzügige Außenflächen. Diese muss er aber auch noch beschatten – weil die Hühner ja nur gern hinauslaufen, wenn es draußen auch Bäume gibt. Dann muss man berücksichtigen, dass der Biobauer ausschließlich Biofutter verwendet– was ebenfalls teurer ist.

Womit wir beim Biopflanzenbau wären. Wieso ist er teurer? Immerhin ersparen sich die Bauern Düngemittel und so fort.

Das ist schon richtig. Aber der Ertrag ist geringer. Ein Bauer, der ständig düngt und spritzt, holt natürlich aus der Fläche mehr heraus. Da hat der Biobauer sicher 30 bis 40 Prozent geringere Erträge. Und er ist anfälliger gegenüber Schädlingen – und muss sich anders behelfen. Etwa mit Mausefallen. Biolandwirtschaft ist also schon um vieles aufwendiger; und es wird in kleineren Einheiten gearbeitet.

Das heißt wohl zwangsläufig, dass sich Haushalte mit geringen Einkommen Bioprodukte nie und nimmer werden leisten können – oder wollen.

Das sehe ich nicht so. Es ist eine Sache der Wertigkeiten und der Prioritätensetzung. Jeder hat ein Einkommen zur Verfügung, und jedem ist es freigestellt, wofür er sein Einkommen verwendet. Man kann auch gut und günstig mit Bio kochen. Letztlich geht es um die Frage: Wie wichtig ist mir meine eigene Gesundheit?

Na ja, es lebt ja kaum jemand bewusst ungesund. Das ist doch schon eine Frage des Einkommens, nicht wahr?

Wir geben heutzutage in Österreich durchschnittlich zwölf Prozent unseres Einkommens für Lebensmittel aus – vor 20 Jahren waren das um die 25 Prozent. Die Österreicher geben heutzutage eben Geld für andere Dinge aus: für Kleidung, Reisen, Elektronik. Der typische Haushalt in Österreich hat beispielsweise mehrere Fernseher. Das ist also schon eine Frage der Wertigkeit. Ich lass das nicht so gelten, dass man sagt: Die Armen können sich nicht gesund ernähren.

Wie hoch ist der Bioanteil am gesamten Lebensmittelmarkt?

In Österreich liegen wir bei etwa sieben Prozent. Aber es ist ein stetig wachsender Markt – und er wächst schneller als der Markt für konventionelle Lebensmittel.

Wie hoch kann der Marktanteil von Bioprodukten realistischerweise werden?

Ich meine, mehr als 30Prozent werden nicht drin sein. Weil ja auch nicht jeder Konsument die Biophilosophie mitträgt. Da gibt es ja auch keine Grundwahrheit.

Sie gibt es allerdings bei den Preisen. Bei welchen Bioprodukten gibt es die höchsten Preisunterschiede zu konventionellen Produkten?

Bei Fleisch sind sie am größten. Vor allem beim Hühnerfleisch, weil das Halten von Biohühnern so aufwendig ist. Sie kosten also das Doppelte. Bei Bioäpfeln ist der Preisunterschied genau so hoch, weil es bei Äpfeln leicht zu Problemen mit Wetter oder Schädlingen kommen kann.

Als Verfechterin bzw. Anbieterin von Biolebensmitteln stehen Sie dem EU/US-Freihandelsabkommen TTIP vermutlich höchst skeptisch gegenüber.

Wir stehen in erster Linie zu Österreich – wir sollten uns das bewahren, was wir haben.

Der Rewe-Konzern ist auch massiv gegen Gentechnik aufgetreten. TTIP und Gentechnik: zwei Themen, gegen die auch die „Kronen Zeitung“ kampagnisiert (hat). Ist das ein Zufall? Immerhin ist Rewe ein wichtiger Anzeigenkunde der „Krone“.

Natürlich ist das ein Zufall. Das Blatt vertritt eben aus Überzeugung seine Linie – und hat neben uns auch andere große Inserenten. Gentechnik widerspricht dem Biogedanken, weil sie die Natur nicht so arbeiten lässt, wie diese es vorsieht. Gentechnik ist ein künstlicher Eingriff in die Natur.

Aber dass die „Kronen Zeitung“ die Anliegen Ihres Konzerns so hingebungsvoll vertritt, ist Ihnen sicher nicht unrecht?

Natürlich freue ich mich, wenn wir Verstärkung haben. Österreich ist doch stolz auf seine Biobauern. Und wir sind stolz darauf, dass jeder zehnte Landwirt ein Biobauer ist. Aber das heißt, dass neun von diesen zehn Bauern konventionelle Landwirte sind – und deren Lobby ist natürlich größer. Wenn wir also Unterstützung bekommen, dann ist das schon gut.

ZUR PERSON

Martina Hörmer ist Geschäftsführerin der Biomarke Ja!Natürlich. Sie ist seit dem Jahr 2002 für die Eigenmarken des Rewe-Konzerns (Billa, Merkur) zuständig. Zuvor sammelte Hörmer Managementerfahrung in der Markenartikelindustrie im In- und Ausland. Ja!Natürlich, gegründet 1994, ist mit einem Marktanteil von 50 Prozent Österreichs größte Biomarke. Zuletzt betrug der Jahresumsatz 355Millionen Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2015)

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