Das Schicksal des Euro - in der Hand von Millionen

Dijsselbloem
Dijsselbloem (c) REUTERS (FRANCOIS LENOIR)
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Ob die gemeinsame europäische Währung zum Erfolg wird, entscheiden weder Ökonomen noch Politiker – sondern 350 Millionen Europäer.

Alpbach ist so etwas wie ein europäischer Mikrokosmos: Es gibt vielfältige Meinungen, jeder vertritt seine, aber im Endeffekt reden oft alle aneinander vorbei – so sie überhaupt miteinander reden. Am Beispiel der Alpbacher Finanzmarktgespräche: Die wurden gestern feierlich eröffnet, von Finanzminister Hans Jörg Schelling himself. Und Schelling hat in seiner kurzen Ansprache auch die ihm wichtige Botschaft verkündet. Nämlich: „Die Eurokrise ist in Wahrheit eine Staatsschuldenkrise.“ Er untermauerte das mit recht plakativen Zahlen: Europa stelle sieben Prozent der Weltbevölkerung – Tendenz sinkend. Der Kontinent zeichne für 25 Prozent der Weltwirtschaftsleistung verantwortlich – Tendenz ebenfalls sinkend. Und auf Europa entfielen 50 Prozent der weltweiten Sozialausgaben – Tendenz steigend.

Sprach's, verließ das Podium – und den Saal. Was dem ihm folgenden Redner so überhaupt nicht recht war. Der deutsche Ökonom Heiner Flassbeck vertritt nämlich eine völlig konträre Meinung – und bedauerte, dass er mit dem österreichischen Finanzminister darüber nicht diskutieren könne.

Der stets wortgewandte Flassbeck sieht Europa nämlich überhaupt nicht in der Schuldenkrise. Von europäischen Politikern werde dies immer wieder behauptet, „und sie versuchen damit die falsche Krankheit zu kurieren“. In Wahrheit leide die europäische Wirtschaft darunter, dass die Konsumnachfrage nicht stimuliert werde. Flassbeck verwies auf die USA und Japan, die ein weitaus stärker verschuldet seien als Europa, wirtschaftlich aber deutlich besser da stünden. Aber die Euro-Finanzminister würden die Augen davor verschließen und die Diskussion verweigern. So wie Schelling.

Ein besseres Leben mit dem Euro?

Allerdings: Als der des Abends dann doch wieder auf einem Podium auftauchte, da war Flassbeck seinerseits längst am Weg in die deutsche Heimat – und so kam es am Ende nur noch zu einem Meinungsaustausch unter relativ gleich Gesinnten. Denn Schellings Büro war es gelungen, den Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem nach Alpbach zu holen – und der hatte erstaunlich gute Nachrichten für die Anwesenden. Nachrichten, die wohl auch Flassbeck interessiert hätten. „Alle Länder in der Eurozone haben sich verbessert und bewegen sich aus der Krise raus. Alle Länder bis auf Griechenland“, so der Chef der Eurogruppe. Das Krisenland müsse seinerseits am Reformprogramm festhalten um ultimativ dieselben Früchte zu ernten wie etwa Irland, das mit vier Prozent so rasch wächst wie sonst niemand in der Eurozone.

Wirklich erfrischend war Dijsselbloems Offenheit. Klipp und klar legte der Niederländer dar: „Die Existenz des Euro ist nur gerechtfertigt solange er den Menschen garantiert, dass sie mit ihm ein besseres Leben aufbauen können.“ Leider habe zu viel vom Wachstum vor der Krise auf billigem Geld beruht, weshalb die Korrektur in der Krise so heftig ausgefallen ist. „Jetzt müssen wir das wieder umdrehen“, so Dijsselbloem – und offenbarte zwischen den Zeilen, was wir instinktiv doch alle wissen: Podiumsdiskussionen sind Silber, aber ob der Euro Gold sein kann, das entscheiden nicht die Ökonomen und nicht die Politiker – sondern 350 Millionen Europäer.

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