Ein Alpbacher Autor, mit der Heimat versöhnt

(c) Katharina Fröschl-Roßboth
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Der Schriftsteller Robert Prosser ist inzwischen wieder gern in Alpbach, vor allem zum Schreiben. Heute stellt er einen Teil seines noch unveröffentlichten zweiten Romans vor – in einer Performance, mit Videos und Dosenklappern.

Mittlerweile ist Robert Prosser (32) wieder versöhnt mit seiner Heimat Alpbach. Nicht zuletzt deshalb, weil er derzeit sehr viel unterwegs ist. Im Frühjahr war er in Kasachstan und in Kirgisistan, um dort Deutschstudenten in Lyrik zu unterrichten und darin, wie man Gedichte vorträgt. Demnächst geht es zu einem Literaturfestival in Montenegro, dann nach Bosnien. „Das taugt mir voll, dass ich fürs Schreiben viel unterwegs bin“, sagt er. „Das wollte ich immer haben.“

Gesät hat diesen Samen wohl irgendwie der deutsche Schriftsteller Karl May mit seinen Reiseerzählungen vom Orient bis nach Amerika, die Prosser als Zehnjähriger verschlang. Wirklich stark wurde der Drang, aus dem Tiroler Alpinmassiv – wie er es gern bezeichnet – wegzugehen, ein paar Jahre später. „Eigentlich, sobald es bei mir mit Hiphop und Graffiti losging“, erzählt er. „Da waren Interessen da, die hier niemals zu befriedigen gewesen wären. Eine Neugier, die man nur woanders stillen konnte.“

Armdrücken mit Fischler

Stillen konnte er diesen Drang zum Beispiel in Wien, wo Prosser Komparatistik sowie Kultur- und Sozialanthropologie studierte. Und wo er immer noch lebt, zur Hälfte zumindest. Die andere Hälfte der Zeit – jener Zeit zumal, die er nicht in Zentralasien verbringt oder am Balkan – ist der junge Vater inzwischen wieder in Alpbach. Dort öffnete er vor zwei Tagen als erster Einheimischer sein Wohnzimmer für „Hausbesuch Europa“, eine aktuelle Inszenierung des Künstlerkollektivs Rimini Protokoll, die einige Tage im Dorf gastiert – Armdrücken mit Forumspräsident Franz Fischler inklusive („Die Presse“ berichtete).

„Ich schätze Alpbach als Rückzugsort“, sagt Prosser. „Und um zu schreiben.“ Zuletzt etwa an einem Buch über Bosnien und Wien, über Srebrenica und Sufis, über Flüchtlinge und über illegale Graffitis. Es ist Prossers zweiter Roman, der im kommenden Jahr erscheinen soll: „Die riesige Sonne, ein entfesseltes Pferd“. Unter diesem etwas sperrigen Titel trägt der Alpbacher heute, Mittwoch, in einer Performance im Erwin-Schrödinger-Saal in Alpbach auch einen ersten Teil daraus vor.

Es ist eine Art innerer Monolog eines Graffitisprayers in Wien, versetzt mit Ausschnitten aus den Gesprächen, die der Autor bei seinen Recherchen in Bosnien geführt hat. Mit Videos aus der Stadt Srebrenica, die wegen des Massakers im Bosnienkrieg zu unrühmlicher Bekanntheit gelangte. Und mit dem Klappern von Lackdosen, gewissermaßen als musikalische Untermalung. „Dieser Text – es ist einer von drei Teilen des neuen Buchs – eignet sich gut für eine Performance, weil er sehr rhythmisch ist.“ Diese rhythmische Sprache ist nichts Neues, es ist eher ein Markenzeichen des Autors, der in Wien unter anderem Lesereihen gestaltet und für Österreich das Projekt „Babelsprech“ kuratiert, ein Forum für junge deutschsprachige Lyrik.

Hiphop, Avantgarde und Beat

„Prosser schafft mit Elementen des Hip-Hop, der Wiener Avantgarde und Beat-Literatur eine eigene originelle und hochartifizielle Prosa“, urteilte die Jury des Priessnitz-Preises vor zwei Jahren über seine beiden ersten Bände „Strom“ und „Feuerwerk“. Diese seine Sprache verleihe „in ihrer überbordenden Sprachlust, in ihrer Rasanz, Spontanität und strengen Rhythmik“ Figuren, Alltagsereignissen und den Besonderheiten verschiedener Kulturen eine unmittelbare Präsenz.

Auch, wenn Prossers erste zwei Bände unter „Prosa“ (oder: „ausufernde Prosa“ laufen, stellt sich da die Frage nach dem Verschwimmen in Richtung Lyrik. Was Prosser eigentlich gleich ist, wie er meint. „Da lege ich mich nicht so fest, das ist wie mit Alpbach und Wien“, sagt er. „Was mir wichtig ist, ist Dichtung. Und das ist, wenn man bewusst etwas mit Sprache macht.“

Für dieses bewusste Arbeiten mit der Sprache wurde er auch bei seinem vorigen Buch, seinem ersten Roman „Geister und Tattoos“, gelobt. Ständig werde da der richtige, ja der einzige zutreffende Ausdruck gesucht, schreibt Simon Leitner vom Wiener Literaturhaus in seiner Rezension. Am Ende sitze jedes Wort. Prosser überlasse beim Schreiben nichts dem Zufall. Jedenfalls nichts, was Sprache angeht. Anders als beim Thema.

Zufällig nach Armenien

Denn nach Armenien, dem Land, in dem sich der Roman zuträgt, hat es ihn auf einer Reise eher zufällig hinverschlagen. Interessanterweise schöpfte er für die Geschichte aber auch Inspirationen aus seiner Heimat. Je mehr er sich eingearbeitet habe, desto klarer sei ihm geworden, dass diese beiden Welten im Grunde gar nicht so verschieden seien. „Berge, egal ob in Tirol oder im Kaukasus, stellen eine Welt dar, die von Archaik und Gewalt geprägt ist und nichts mit romantischen Idealen zu tun hat“, sagte er einmal zur „Presse“. „Ältere Alpbacher, die das Buch gelesen haben, haben sich sehr an ihre eigene Jugend erinnert gefühlt.“

Dass es in einem zukünftigen Buch tatsächlich um Alpbach geht, um das Dorf, in dem seine Familie väterlicherseits seit vielen Generationen lebt („Die kommen von irgendwelchen Bauern ganz tief in Inneralpbach“), ist übrigens nicht ausgeschlossen. Er habe schon seit einer Weile Versatzstücke im Kopf, die mit Dorf und mit Alpen zu tun hätten, sagt Prosser. „Aber das ist noch sehr tief in der Schublade.“

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