Ist Österreich für den technischen Fortschritt gerüstet? IV-Präsident Kapsch und der Industrielle Hannes Androsch sehen nicht nur ein Mentalitätsproblem: Die Forschungsförderung sei zu zerklüftet organisiert.
Alpbach. In Österreich sei man schon stolz, wenn man 30 Millionen Euro in die Forschung investiere. Bei dieser Summe beginne man im Silicon Valley überhaupt erst über Projekte nachzudenken, sagt Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung. Auch Hannes Androsch warnt als Vorsitzender des Rates für Forschung und Technologieentwicklung davor zu „kleckern“: Tropfen brächten keine Blume zum Blühen und keinen Baum zum Wachsen.
„Setzen falsche Prioritäten“
Einen Tag vor der Eröffnung der Alpbacher Technologiegespräche forderten beide gestern in einem Schulterschluss klare Schwerpunkte in der Forschungsförderung. Denn die technologische Entwicklung sei entscheidend für den wirtschaftlichen Fortschritt. „Wir können nicht alles machen. Aber wir setzen die falschen Prioritäten“, sagt Hannes Androsch. Wichtige Voraussetzung für künftige Anwendungen sei auch eine bessere Dotierung der Grundlagenforschung, konkret des Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF.
Außerdem sei die Forschungsförderungsstruktur zu zerklüftet – eine Kritik, die kürzlich auch der Rechnungshof geübt hat. Alles sei zu kleingliedrig, es gäbe Doppelgleisigkeiten – neben den Gebietskörperschaften auch im Bund, wo die Vergabe der Mittel in mehreren Ministerien ressortiert. Kapsch schlägt daher vor, die gesamte Forschungsförderung in einem Innovationsministerium zu bündeln.
Wolle Österreich das von der Bundesregierung formulierte Ziel, „Innovation Leader“ zu werden, erreichen, müsse es sich außerdem noch weiter anstrengen. „Mit Mittelmaß werden wir nicht weiterkommen“, sagt Georg Kapsch. In Österreich herrsche große Angst vor Entscheidungen und Veränderungen, kritisiert der Präsident der Österreichischen Industriellenvereinigung. Außerdem fehlten zum Erfolg auch Visionen. Die brauche es aber, um voranzukommen, so Kapsch.
Schreckgespenster vertreiben
Für Kapsch geht es um grundsätzliche Einstellungen: Es müsse gelingen, die vorherrschende Technologieaversion in Technologieaffinität umzudrehen. Man baue viel zu oft Schreckgespenster auf, anstatt zu schauen, was eine Entwicklung bringen könnte. Das zu ändern sei eine Mentalitätsfrage, hier müsse man möglichst früh ansetzen.
Nämlich bereits im Vorschulalter bei den „Digital Natives“, fordert Androsch. Dabei gehe es nicht nur darum, ob man die Grundzüge der digitalen Welt beherrsche, sondern „wie man damit umgeht und wie man sie optimal für sein persönliches, geistiges und wirtschaftliches Fortkommen einsetzt“, ergänzt Kapsch.
Auf welche Themen man in der Forschungsförderung fokussieren solle, wollte Kapsch nicht sagen: Man könne aber nicht „Krethi und Plethi fördern“, sondern müsse überlegen, wo Österreichs Stärken lägen. Das wiederum müsse überlegt erfolgen: „Wir tendieren dazu, zu schnell auf einen Zug aufzuspringen, und dann geht uns die Luft aus“, so Kapsch.
Androsch zeigte sich hingegen skeptisch, ob Österreich sich etwa weiter massiv beim autonomen Fahrzeug engagieren solle: Dieses werde noch lange nicht praktikabel sein. (APA/gral)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2016)