Ein „Silicon Austria“ für das Land

EUROP�ISCHES FORUM ALPBACH 2016: PG TECHNOLOGIEGESPR�CHE / LEICHTFRIED
EUROP�ISCHES FORUM ALPBACH 2016: PG TECHNOLOGIEGESPR�CHE / LEICHTFRIED(c) FORUM ALPBACH/MARIA NOISTERNIG (MARIA NOISTERNIG)
  • Drucken

80 Millionen Euro fließen in die Weiterentwicklung von Mikroelektronik. Die neue Förderinitiative wurde zum Auftakt der Alpbacher Technologiegespräche präsentiert.

Alpbach. Was den Schweizern mit den Uhren gelungen ist, das sollen die Österreicher mit einer neuen Plattform für Elektronik und Mikroelektronik schaffen: nämlich weltweit dafür Bekanntheit zu erlangen. Das wünscht sich zumindest Infrastrukturminister Jörg Leichtfried (SPÖ), der gestern, Donnerstag, zum Auftakt der Alpbacher Technologiegespräche die Geburtsstunde des „Silicon Austria“ verkündete. Insgesamt 80 Millionen Euro fließen in die neue Förderinitiative, 50 davon in ein neues Forschungszentrum. Unter anderem sollen vier Stiftungsprofessuren und eine Pilotfabrik eingerichtet werden. An den technischen Unis sollen zwei „Fab Labs“ mit Experimentierräumen entstehen. Die genauen Schritte sollen im Herbst festgelegt werden.

Das entspricht der erst gestern von IV-Präsident Georg Kapsch und Forschungsratsvorsitzendem Hannes Androsch geforderten Fokussierung in der Forschungsförderung: Beide hatten davor gewarnt, sich in der Forschungsförderung in zu vielen Einzelthemen zu „verzetteln“. Für die Industriellenvereinigung begrüßte Generalsekretär Christoph Neumayer heute die Initiative; ebenso Hannes Androsch – auch als Aufsichtsratsvorsitzender bei AT&S.

Hinter „Silicon Austria“ stecken eineinhalb Jahre Vorarbeit und Gespräche mit Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Und so waren – alphabetisch nach Firmennamen um den Tisch gereiht – führende Köpfe aus Wirtschaft und Industrie vor Ort, um eine gemeinsame Absichtserklärung zu unterschreiben.

Die Basis sei gut, meinten die politisch Verantwortlichen. Schließlich seien in Österreich 188 Unternehmen in dem Bereich aktiv. Sie erwirtschaften mit rund 63.000 Mitarbeitern etwa 77 Millionen Euro Umsatz, 17 Millionen in Österreich. Forschung und Entwicklung konzentrieren sich auf die Standorte Wien, Graz, Linz mit Hagenberg sowie Villach und Klagenfurt. In 93 Organisationen – darunter Unis, FH und Forschungseinrichtungen – sind weitere 4000 Personen beschäftigt. Sie alle sollen künftig noch stärker zusammenarbeiten.

Vorreiter oder Nachzügler?

Und so sind sich alle Akteure einig, was den Bedarf betrifft: „Die Elektronik ist heute, was die Elektrizität einst für die Entwicklung war, nur dass den Wandel jetzt ein unglaubliches Tempo kennzeichnet“, sagte Hannes Androsch. Bei AT&S wisse man schon, welche Werkstätten und welche Ausrüstung man in fünf Jahren brauche, um Produkte herzustellen; nur gäbe es beides heute noch nicht. Es sei entscheidend, ob man die künftige Entwicklung als „Vorreiter oder als Nachzügler“ erlebe. Gemessen an international investierten Beträgen seien die 80 Millionen Euro zwar nicht viel, für österreichische Verhältnisse aber wieder schon, so Androsch weiter.

Die Industrievertreter unterstrichen die Bedeutung der Initiative: Sie sei ein wichtiger Schritt, für den es aber auch höchste Zeit sei, sagte etwa AT&S-Vorstandsvorsitzender Andreas Gerstenmayer: „Wir sprechen über Industrie 4.0, in Wirklichkeit sind wir aber auf dem Weg zur Gesellschaft 4.0.“ Die durch die technologische Entwicklung erwarteten Veränderungen würden sich „wie ein Nervensystem“ durch alle Lebensbereiche ziehen, so Infrastrukturminister Leichtfried.

„Silicon Austria“ soll eine Brücke zwischen allen Akteuren schlagen; so wie es auch gelte, die einzelnen Elektronikkomponenten miteinander zu einem System zu verknüpfen. Fürchtet man bei so viel Zusammenarbeit nicht die Konkurrenz? Die Anwesenden waren sich einig: Trotz Wettbewerbs brauche es eine Plattform für die Zusammenarbeit. Silicon Austria könne wichtige Impulse liefern, um sich auf dem internationalen Markt noch besser zu behaupten. Denn dort sind die meisten der anwesenden Unternehmen ohnehin schon gut positioniert: „In jedem dritten Handy weltweit steckt ein Siliziummikrofon aus Villach“, erklärte Infineon-Vorstandsvorsitzende Sabine Herlitschka.

„Die Schule neu erfinden“

Weil Hightechunternehmen die besten Köpfe brauchen, müssten bei der digitalen Revolution auch die Schulen mitziehen, sagte Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) anschließend. Man arbeite bereits an Strategien, die „Digital Skills“ zu verbessern. Pädagogen müssten stärker auf die neuen Technologien geschult werden, diese sollen Bestandteil von Aus- und Weiterbildung sein.

Außerdem brauche man neues, digitales Lernmaterial in allen Fächern – diese stellte sie aber auch gleich infrage: Man müsse prüfen, ob der derzeitige Fächerkanon noch der richtige sei. Alternativ könnten zu einem Thema verschiedene Kompetenzen vermittelt werden – neben Kreativität, Mut und Verantwortung etwa auch Entrepreneurship. „Wir müssen Schule und Unterricht neu erfinden“, schloss sie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.