Als AC/DC den Trachtengürtel rockte

(c) Katharina Fröschl-Roßboth
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Meist sind es ganz traditionelle Motive, die Georg Leitner auf Leder stickt. Doch manchmal sind die Kundenwünsche genauso ausgefallen wie sein Beruf: Er ist Federkielsticker.

Wenn Georg Leitner an seinem Arbeitsplatz sitzt, dann sieht es aus, als reite er in einem Sattel. Und tatsächlich: das Gerät, auf dem er Platz genommen hat, heißt Nährössl. Was Leitner dort macht, hat lange Tradition, ist aber dennoch außergewöhnlich. Der 51-Jährige ist Federkielsticker. Er treibt die in feine Streifen geschnittenen Kiele von Pfauenfedern durch das Gürtelleder – nachdem er mit einer Ahle, einem spitzen Werkzeug, ein Loch gestanzt hat. Eine mühevolle Arbeit.
Die Muster und Ornamente entwirft er jeweils zuvor gemeinsam mit seinen Kunden. Erst wird eine Skizze ausgearbeitet, diese auf das Leder übertragen. Und dann geht es an die Arbeit am Nährössl.

Viele Kunden hätten eine genaue Vorstellung, wie die Stickerei aussehen solle, sagt Leitner. Sie wünschten sich Wappen, Zunftzeichen oder Schriftzüge. Ein Kunde aus Salzburg, ein eingefleischter Fan der australischen Hard-Rock-Band AC/DC, erzählt Leitner, habe einen ganz speziellen Wunsch gehabt: „Er wollte das Logo der Rockband auf seinen Ranzen gestickt haben.“ Kein Problem für Leitner. Am Anfang sei er überrascht gewesen, sagt Leitner, aber später war auch er begeistert: „Es hat richtig gut ausgeschaut.“

Kein Problem war es für ihn auch, als der deutsche Dirigent Enoch zu Guttenberg, Vater des über eine Plagiatsaffäre gestolperten früheren deutschen Verteidigungsministers, vor ein paar Jahren ganz dringend einen Ranzen gestickt haben wollte. Sollte Leitner, so die Vorgabe, das gute Stück zum gewünschten Termin liefern, versprach ihm zu Guttenberg einen Gamsbock. Leitner legte sich ins Zeug, wurde rechtzeitig fertig und wenig später nach Salzburg zur Jagd eingeladen. Die Trophäe ziert mittlerweile seine schmucke Werkstatt in Reith im Alpbachtal.

Bis zu 100 Arbeitsstunden

Ranzen übrigens sind breite Trachtengürtel. Je nachdem, wie aufwändig ein Muster zu sticken ist, kosten sie zwischen 800 und 3500 Euro. Schließlich dauert es bis zu 100 Arbeitsstunden, bis ein Stück gefertigt ist. Und wenn Leder und Stickerei hochqualitativ sind, dann hält es beinahe ewig. Leitner hat so ein antikes Exponat in seiner Werkstatt ausgestellt. Rund 200 Jahre ist das in Bayern gefertigte Stück alt, 5000 Euro hatte ihm einst ein Sammler geboten. Leitner winkte ab. „Der Ranzen ist unverkäuflich.“

Dementsprechend achtet Leitner auch bei seinen Produkten auf die Qualität und kauft nur Rindsleder von einem Familienbetrieb in der Umgebung, der auf vegetabile, also pflanzliche Gerbung setzt: „Dadurch wird das Leder nicht grau.“ Und auch die Federn stammen – ausschließlich – von Pfauen aus Tirol: Nach der Mauser der Tiere im Herbst grast Leitner die Bauernhöfe ab und kauft die Federn auf. Und ja, das verwundere vielleicht, es gebe genügend Pfauen.

Um fünf Uhr in der Werkstatt

Neben Ranzen und Handtaschen sind Träger für Lederhosen sehr gefragt. Und zu einem beliebten (Weihnachts-)Geschenk hätten sich Ledergürtel mit eingestickten Initialen entwickelt. Doch nicht nur in der Vorweihnachtszeit ist Leitner fest am Werken.

Arbeitsbeginn für den Zwölf-Stunden-Arbeitstag ist um fünf Uhr früh. Trotzdem bleibt ihm genügend Zeit für andere Leidenschaften: das Bergsteigen und Skitourengehen. Vor wenigen Tagen erst kehrte er von einer Eiger-Besteigung aus der Schweiz zurück. Und gerne erinnert er sich auch an die Klettereien am Aiguille Dibona in den französischen Alpen. Ein Bild des unglaublich spitz und schlank aufragenden Berges, das in seiner Werkstatt hängt, erklärt die Begeisterung dafür wie von selbst. Und mit ein klein wenig Stolz in der Stimme erzählt er auch von seiner Grönland-Expedition, bei der sogar eine Erstbesteigung auf dem Programm stand. Und jetzt freut er sich auf den Korsika-Urlaub in ein paar Tagen: Auch dort wird geklettert.

Lernen vom Vater – noch immer

Monopolist in seinem Beruf ist Leitner nicht. Vier, fünf Betriebe gebe es in Österreich, die von der Federkielstickerei leben könnten, sagt er. Ganz im Gegensatz zu seinem Vater Hansl, der in den 1950er-Jahren der einzige Sticker im Land gewesen sei. Er hatte das Handwerk im Südtiroler Sarntal gelernt und dann in Reith den Betrieb gegründet. Georg Leitner entschloss sich schon mit 15 Jahren, den Beruf zu erlernen, machte (weil Federkielsticken ein freies Gewerbe ist) eine Lehre als Sattler und Tapezierer und lernte beim Vater. Und von ihm lernt er noch immer: „Mein Vater ist heute 88 Jahre alt und jeden Tag in der Werkstatt. Und ich kann mir noch immer etwas von ihm abschauen.“

Federkielsticker Georg Leitner, Neudorf 27, Reith im Alpbachtal. www.federkielstickerei-leitner.at

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