Popstar Varoufakis und seine alpine Show

Yanis Varoufakis
Yanis VaroufakisForum Alpbach/Andrei Pungovschi
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Ökonomen-Streitgespräch. Leidenschaft schlägt Vernunft: Im Schlagabtausch mit ifo-Chef Clemens Fuest hatte der griechische Ex-Finanzminister Lacher und Applaus auf seiner Seite. Aber nicht unbedingt bessere Argumente.

Yanis Varoufakis weiß, wie er sein Publikum in den Bann zieht. Mit düsterer Miene skizziert der frühere griechische Finanzminister, zu welch grimmen Folgen der falsch konstruierte Euro führen könne: zu Fremdenhass, Erstarken der „Nazi-Parteien“, schließlich zum europäischen Bruderkrieg zwischen Griechen und Deutschen, Süden und Norden. Wenn die EU nicht den einzig möglichen Weg zum Heil einschlägt, den der Vereinigten Saaten von Europa. Zuvor noch aber müsse ein riesiges Investitionsprogramm her, kein Kleinkram wie der Juncker-Plan, finanziert mit frisch gedrucktem Geld aus der Notenpresse. Das werde die „Stimmung drehen“. Der „Traum des von allen geteilten Wohlstands“ ließe sich neu träumen, „im Licht eines frischen Morgens“. Es ertönen Fanfaren im Geiste. Es ertönt Applaus im Saal.

Was sagt darauf ein nüchterner Ökonomen-Kollege wie Clemens Fuest? Sein Vorgänger als Chef des Münchner ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, wäre auf die apokalyptischen Visionen eingestiegen, freilich mit einem konträren Fazit: Griechenland pleite gehen lassen, den Euro rückabwickeln. Fuest aber ist ein Mann der leisen Töne, der „nicht so pessimistisch“ sein will, der auf ein dezentrales Europa setzt, weil es für den Superstaat keine Mehrheiten gibt. In seinem nicht idealen, aber machbaren Europa können Banken wieder pleite gehen, weil die Aktionäre das Risiko tragen und die Bankenunion die Abwicklung regelt.

Das klingt nach Maß und Ziel, verzichtet auf gefährliche Experimente – und weckt keine Emotionen. Der Applaus bleibt aus. Fuest hatte es von Beginn an geahnt: „Es ist nicht populär, den Kapitalismus zu verteidigen.“ Dennoch stellte er sich mit Verve dem Thema des vielleicht spannendsten Panels der Wirtschaftsgespräche: „Marktwirtschaft – neu denken oder neu starten?“ Nein, der Markt führe nicht systematisch zu mehr Ungleichheit. In der Welt als Ganzes, zeigt er mit Zahlen, ist sie in den letzten Jahrzehnten gesunken, und das nicht durch Umverteilung, sondern durch die Öffnung Chinas für den freien Handel. In den USA gehe die Schere auf, nicht aber in Deutschland und Österreich. Doch Medien und Öffentlichkeit seien wie „besessen“ von der populären, aber falschen Botschaft – mit der Folge, dass wir „Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität verlieren“. Und nochmals nein, die Finanzkrise sei nicht durch entfesselte Märkte entstanden, sondern durch falsche Regulierung – die es Banken erlaubte, zu wenig Eigenkapital zu halten und ihre Risken statt den Investoren den Steuerzahlern umzuhängen. Also nicht zu viel Kapitalismus, sondern zu wenig.

Das alles wischt Varoufakis mit großzügiger Geste vom Tisch. Alle westlichen Staaten litten unter der „giftigen“ Ungleichheit, sicher auch Deutschland mit seinen prekären Minijobs. Und er zaubert, zur Kurzweil der Zuhörer, ein neues Kaninchen aus dem Hut. Wieder grollt der Donner: Die Automatisierung werde Millionen Jobs vernichten, auch die der Anwälte und anderer Wissensarbeiter (kollektives Schlucken im Saal).

„Come on, Clemens!“

Hier ist die rettende Lösung des linken Hoffnungsträgers: ein bedingungsloses Grundeinkommen, finanziert durch einen Fonds, in den alle Unternehmen einen Teil ihres Kapitals einzahlen müssen. Diese Sicherheit fürs Leben könnte ungeahnte „Kreativität freisetzen“. Wieder: vom Dunkel zum Licht. Und wieder kommt das differenzierte Halbdunkel von Fuests Argumentation rhetorisch schwer dagegen an: „Sympathisch, aber falsch“ sei die Idee, der Fonds nichts anderes als eine neue Steuer. Sie würde viele vom Arbeiten abhalten, die Einnahmen würden ausfallen. „Wenn es finanzierbar wäre, hätte es schon längst ein Land gemacht“.

„Wir leben eben nicht im Paradies, und unser Einkommen müssen wir uns schon verdienen“, so stehe es in der Bibel. Da gibt es dann doch Applaus. Und launiges Gegenfeuer: „Come on, Clemens!“ Das Publikum hatte seine Freude daran, es hätte noch stundenlang zuhören können. Keine Eintracht, eine konträre Sicht auf die Welt – aber eine verdammt gute Show.

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