Start-ups: "Wenn es jemand schafft, bin ich es"

(c) Katharina Fröschl-Roßboth
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Israel hat eines der attraktivsten Start-up-Ökosysteme der Welt. Das sei aus der Not heraus entstanden, sagen die Branchenkenner Chemi Peres und Eugene Kandel.

Israel ist kaum größer als Niederösterreich. Es hat circa so viele Einwohner wie ganz Österreich, so gut wie keine Bodenschätze und lebt in einem ständigen Bedrohungszustand. Trotzdem hat es das Land geschafft, in den vergangenen 25 Jahren eines der weltweit erfolgreichsten Ökosysteme für Start-ups aufzubauen. Oder, besser gesagt: gerade deshalb.

„Vor 120 Jahren hatte Israel nichts, kaum Bäume, Wasser oder fruchtbares Land, keine Energie, keine Industrie. Jede Art von Exzellenz, die man heute im Land findet, hat sich aus diesen Bedürfnissen heraus entwickelt“, sagt Eugene Kandel. Kandel ist Leiter von „Start-Up Nation Central“, einer israelischen Non-Profit-Organisation, die Start-ups unterstützt, die richtigen Kontakte zu knüpfen.

Auch die Innovationskraft und der Unternehmergeist, aus denen sich Israels Start-up-Branche speist, ist damals entstanden. Und ziehe sich bis heute durch die israelische Gesellschaft. „Das ist die Quelle des Erfolgs der israelischen Technologieunternehmen“, sagt Kandel. Mehr als 5000 aktive Start-ups gebe es im Land, jedes Monat würden zwischen 60 und 100 neue gegründet. Das „Global Start-Up Ecosystem Ranking“ erklärte die Hauptstadt Tel Aviv im Vorjahr wiederholt zum attraktivsten Start-up-Ökosystem außerhalb der USA. Das hat viele Gründe, und manche davon erinnern an die Geschichten, die man vom kalifornischen Silicon Valley hört. „In Israel gibt es eine Kultur, in der Risikobereitschaft begrüßt und gefördert wird. Die Hierarchien sind flach und Scheitern wird nicht verurteilt. Deshalb können Menschen raus gehen und Dinge einfach ausprobieren“, sagt Chemi Peres.

Peres ist Co-Gründer von Pitango Venture Capital, der größten Venture-Capital-Gruppe in Israel. Pitango vergibt Beteiligungskapital an Firmen. „Innovation ist Teil der israelischen Geschichte“, sagt Peres, nennt aber auch noch andere Gründe für das florierende Unternehmertum in Israel: „Wir haben keinen regionalen Markt, das zwingt dich als Unternehmer, erfinderisch zu sein und dich früh auf den weltweiten Erfolg auszurichten.“ Israelische Gründer würden von Anfang an global denken – vor allem an den wichtigsten Markt, die USA. „Hier werden Unternehmen für den globalen Markt geschaffen“, sagt Peres.

Große Probleme und Budgets

Einer der wichtigsten Treiber von Innovation in Israel ist das Militär. Der Präsenzdienst bei den Streitkräften ist verpflichtend – zwei Jahre für Frauen, für Männer sogar drei Jahre. Viele von ihnen sind in Technologie-Einheiten beschäftigt. „Junge Menschen bekommen dort früh viel Verantwortung, mit großen Budgets und großen Problemen, die sie lösen müssen. Das ist eine hervorragende Schule für Unternehmertum“, sagt Peres.

Und Kandel ergänzt: „Es gibt ihnen viel Selbstvertrauen. Mit Anfang 20 haben eine Top-Ausbildung und ihre Einstellung ist: Wenn es jemand schafft, bin ich es.“
Beispiele wie Israel oder das Silicon Valley haben eine magische Anziehungskraft auf Regierungen in aller Welt. Auch Österreichs Infrastrukturminister Jörg Leichtfried (SPÖ) hat vorige Woche in Alpbach die Geburtsstunde des „Silicon Austria“ angekündigt. 80 Millionen Euro sollen dafür bereitgestellt werden, davon 50 Millionen für das Herzstück: Ein neues Forschungszentrum für Elektronik und Mikroelektronik.

Kandel warnt aber davor, zu glauben, man könne ein Start-up-Ökosystem einfach so entwerfen. „Das muss sich natürlich entwickeln. Weder das Silicon Valley noch die Start-up-Branche in Israel wurde von irgendjemandem designt. Die Regierung kann unterstützen, aber Copy and Paste funktioniert nicht“, sagt Kandel. Es sei aber jedenfalls sinnvoll und wichtig, in Forschung und Entwicklung zu investieren, in Universitäten, in höhere Bildung, sagt Peres. So könnten Regierungen ein Umfeld schaffen, in dem sich Unternehmertum entwickeln kann. Auch in Israel gibt es übrigens finanzielle Unterstützung für Gründer, sie muss allerdings im Erfolgsfall zurückgezahlt werden. Und: Gefördert wird nur, was neu ist. Die Förderungen sind also immer marktorientiert.

Eine der wichtigsten Entwicklungen in Israel ist laut Peres und Kandel, dass immer mehr Gründer ihre Unternehmen behalten und ausbauen, statt sie so schnell wie möglich zu verkaufen. „Das hat sich in den letzten paar Jahren entwickelt“, so Kandel. „Viele bauen schon die zweite oder dritte Firma auf. Sie haben schöne Häuser, schöne Autos und spüren nicht mehr so einen großen Druck, ihre Firmen schnell zu Geld zu machen.“

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