Katerfrühstück: "Es droht konservativer Rückschritt"

Ulrich Kater
Ulrich Kater(c) Katharina Fröschl-Roßboth
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Ulrich Kater, Chefökonom der Deka-Bank, sprach über die wirtschaftlichen Gefahren eine Abschottungspolitik und prognostiziert steigende Zinsen – aber nicht vor 2020.

„So viel politisiert wurde schon lange nicht“, sagen langjährige Besucher des Europäischen Forum Alpbach. Und diese Feststellung gilt nicht nur für die Wirtschaftsgespräche, die Politik prägte auch die Finanzgespräche am Donnerstag. Aus einem einfachen Grund. „Politik ist das große Thema und nicht die Wirtschaft“, sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank. Beim traditionellen Katerfrühstück im Böglerhof hielt sich der Ökonom demnach mit exakten Prognosen zurück. Aufgrund der politischen Turbulenzen sei vieles „außerhalb unserer Analysemöglichkeiten“, gesteht er ein.
Interessanterweise habe das Thema Nummer eins, die Migration, so gut wie keine Spuren an den Finanzmärkten hinterlassen. Kater warnt aber davor, „Migration ökonomisch zu rationalisieren“. Einwanderung könne man nur mit Gesetzen und nicht mit wirtschaftlichen Rezepten begegnen.

Brexit als „Hammerereignis“

Dass die Briten für einen Austritt aus der Europäischen Union, also für den Brexit gestimmt haben, habe auch ihn „wie ein Hammerereignis überrascht“. Die Prognosen im Falle dieses völlig unerwarteten Exits waren an Pessimismus nicht zu überbieten. Die Märkte würden dramatisch reagieren, die Staatsschuldenkrise würde eine neue Dimension erreichen. Weltungergang quasi.
Aber was passierte tatsächlich an den Märkten? „Nichts“, attestiert Kater und fügt etwas ironisch hinzu: „Da sollte man sich als Brite seine Gedanken machen.“ Einzig Großbritannien werde es spüren, die Wachstumszahlen in Europa bleiben konstant. Kater plädiert aber für rasche Austrittsverhandlungen „ohne Vergeltung“. Langwierige Verhandlung führen nur zu Unsicherheit und erweisen sich als Konjunkturbremse.

Das britische Votum habe eines drastisch veranschaulicht: Keiner wisse, was sich unterschwellig im Wahlvolk regt. Und demnach sind auch die Auswirkungen auf die Märkte nicht abzusehen. Das bevorstehende Referendum in Italien, die Turbulenzen bei der Regierungsbildung in Spanien, Parlamentswahlen in Holland, Frankreich und Deutschland im nächsten Jahr. Die Politik bleibt ein bestimmender Faktor. Und mit ihr die Gefahr der Irrationalität wie im Falle des Brexit-Votums. Dass der Brexit jeden Briten ein Monatsgehalt kosten wird, sei mit einem „Na und?“ quittiert worden, betont der deutsche Ökonom.

Mit anderen Worten: Wir entscheiden gegen unsere wirtschaftlichen Interessen. Teilweise auch, weil wir nicht mehr glauben, dass es uns noch nie so gut gegangen ist. Dass das Bruttoinlandsprodukt längst wieder über dem Niveau vor der Finanzkrise ist. „Trotz materieller Erfolge herrscht Unzufriedenheit“, sagt Kater. Und immer mehr erleben die Welt als ungerecht, haben Bedrohungsängste. Kein Wunder bei Terrorismus und Migration. Und es entsteht der Eindruck, dass die Politik nichts dagegen tun kann. „Und die Notenbanker machen auch lauter Blödsinn“, bringt Kater die allgemeine Stimmungslage auf den Punkt und schlussfolgert: „Das ist die Geschichte, mit der man Wahlen gewinnt.“ Auch wenn die Geschichte nicht stimmt, sie wird geglaubt und vor allem: sie wird gefühlt.

„Uralte linke Antworten“

Diese Entwicklung sei geradezu prädestiniert für „uralte linke Antworten“, meint Kater. Aber die Wähler in Österreich, Deutschland, Frankreich und Holland wählen nicht die Umverteilung. Sie wählen die einfache Lösung der Rechten und Konservativen, die lautet: „Wir können das alleine besser machen.“ Abschottung statt Umverteilung. Die liberalen Zeiten erleben einen „konservativen Rückschlag“, sagt Ulrich Kater. Der Hass richtet sich gegen alles, was von Außen kommt. Migranten, Freihandel und natürlich Brüssel. Dieser „Superstaat Brüssel“ sei an allem schuld. Dieser aufgeblasene Macht-Apparat.

Tatsächlich beschäftigt der Verwaltungsapparat in Brüssel ungefähr genauso viele Menschen wie die Wiener Stadtverwaltung, betont Kater. Nur, dass die EU-Kommission 25 Prozent der Weltwirtschaft organisiert. Die Ausgaben dieses „Superstaates“ machen gerade einmal 3,5 Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung aus. Die Staatsquote in Österreich lag 2015 hingegen bei 51,7 Prozent. Es sei also ziemlich leicht zu belegen, wo die Apparatschiks zuhause sind.

Was die Geldpolitik der EZB betrifft, glaubt Kater daran, dass sie zu einer steigenden Inflation führen, und es dann auch zu einer „Normalisierung der Zinsen“ kommen wird. Nicht in den nächsten vier bis fünf Jahren allerdings. Nach vielen Jahren spricht Ulrich Kater in Alpbach also wieder von „steigenden Zinsen“. Bis es soweit kommt, bleibe der Aktienmarkt robust. Er rechnet mit Wertsteigerungen von durchschnittlich vier Prozent pro Jahr.

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