AfD-Gründer: "Europa schnell bei Katastrophenszenarien"

(c) Katharina Fröschl-Roßboth
  • Drucken

Der Ausstieg wirtschaftlich schwacher Länder wie Griechenland aus dem Euro wäre richtig, sagt Ökonom Bernd Lucke, der einst die AfD gegründet und sie wegen ihrer Ausländerpolitik verlassen hat.

Die Presse: War der Brexit etwas, das Sie gefreut hat?

Bernd Lucke: Er ist keine Katastrophe, aber die Briten schneiden sich ins eigene Fleisch. Es wäre besser gewesen, sie wären in der EU geblieben.

Ihr Parteikollege Hans-Olaf Henkel hat vor dem Referendum gesagt: „Wenn Brexit, dann Dexit“. Wäre das eine gute Idee?

Nein. Ich glaube, das war von ihm eine Überspitzung. Was er eigentlich sagen wollte ist, dass sich die EU verändern muss, um die kommenden Jahrzehnte überstehen zu können. Das hat Hans-Olaf Henkel mit dieser Verkürzung sagen wollen. Keiner von uns hält einen Austritt aus der EU für sinnvoll.

In Ihrem Parteiprogramm heißt es, dass man unter Umständen wieder die D-Mark einführen sollte.

Auf die Frage, ob wir aus der EU austreten sollen, ist meine Antwort ein klares Nein. Andererseits wollen wir den Euro verlassen – als letzte Option, wenn alles andere nicht hilft, die Misere, die wir mit dem Euro angerichtet haben, zu beseitigen. Wir bevorzugen aber, dass die Länder den Euro verlassen, die Schwierigkeiten damit haben. Bedauerlicherweise wird das Ausscheiden eines kranken Eurolandes von der Politik immer wieder verhindert.

Das Fallenlassen eines Landes hätte drastische Konsequenzen, etwa für Griechenland – aber auch für die EU.

Ich finde Ihre Ausdrucksweise „fallen lassen“ bezeichnend für eine gewisse Geisteshaltung. Mein Verständnis von Europa ist, dass man zu seiner Verantwortung steht. Dann kann man nicht fallen gelassen werden, sondern muss selbst entscheiden, was man fiskalpolitisch tut. Ich glaube, dass Griechenland nicht in eine wirtschaftliche Katastrophe abgleiten würde.

Es gab aber jedenfalls entsprechende Befürchtungen.

Man ist in Europa schnell, Katastrophenszenarien an die Wand zu malen. Griechenland würde über die Runden kommen, weil es eine eigene Währung abwerten könnte.

Es wäre aber Vertrauen in eine weltweite Währung verloren.

Viel Vertrauen in Griechenland hat man ja jetzt auch nicht...

Aber in den Euro.

Ja, aber das überträgt sich nicht auf Griechenland. Suchen Sie sich Investoren, die dort investieren wollen, solange es in Euro ist. Ich sehe keine. Ich glaube auch nicht, dass Vertrauen dadurch erzeugt wird, dass man einer großen Währung angehört. Schauen Sie sich die Schweiz an.

Europa als Wirtschaftsraum hat ja auch vom Volumen her Vorteile mit einer Weltwährung.

Was hat Griechenland davon, im Euro zu sein? Nichts. Sie haben eine Misere beim wirtschaftlichen Wachstum, sie haben ein Viertel ihres Einkommens in den letzten zehn Jahren verloren.

Das ist nicht die Schuld des Euro, sondern weil der Staat nicht effizient ist, weil keine Steuern gezahlt werden, weil die Wirtschaft schlecht aufgestellt ist.

Das ist richtig, das müsste in Ordnung gebracht werden. Aber der Euro ist auch ein Problem, weil griechische Produkte zu teuer sind. Was man auch bedenken muss: Eine Währungsunion kann funktionieren, wenn Unterschiede in der wirtschaftlichen Stärke einzelner Regionen ausgeglichen werden durch Wanderungsbewegungen. In der EU haben wir die Freizügigkeit auf dem Papier, aber arbeitslose Griechen wandern nicht in großer Zahl nach Österreich aus. Und das wäre auch nicht erwünscht. Europa ist nicht ein Volk, sondern eine Staatengemeinschaft mit sehr verschiedenen Völkern.

Polen gingen nach England. Rumänen und Bulgaren nach Österreich – auch Deutsche. Da tut sich schon einiges.

Aber britische Arbeitnehmer haben sich verdrängt gefühlt von der osteuropäischen Einwanderung. Gerade dieses Gefühl hat maßgeblich dazu geführt, dass die Leute raus aus der EU wollen.

Auf der anderen Seite bekommt man gesuchte Fachkräfte.

Da kommen natürlich ein paar, aber die meisten, die kommen, sind nicht die, die verzweifelt gesucht werden.

Die AfD feiert in Deutschland große Erfolge, tut es Ihnen leid, dass Sie nicht mehr dabei sind?

Nein, sie feiern Erfolge mit Themen, die ich nicht für richtig halte. Ich habe die AfD mit einem anderen Thema gegründet, der Kritik am Euro. Nur ist das jetzt bei ihr in den Hintergrund getreten. Fast alle Eurokritiker haben die Partei verlassen, weil das keine Leute waren, die eine pauschale Zuwanderungsfeindlichkeit auf die politische Agenda heben wollen.

Unter Ihrer Führung gab es derbe Sprüche wie „Nepper, Schlepper, Euro-Retter“ oder „wir sind nicht das Weltsozialamt“.

Ich bin nicht für jeden einzelnen Plakatslogan der Texter gewesen, aber ich halte diese Sprüche für richtig, weil man als Oppositionspartei auch zuspitzen muss. Man muss sagen können, dass man nicht das Weltsozialamt sein will.

Es impliziert, dass man es ist.

Oder, dass man es nicht sein soll.

Naja, das wirkt schon anders.

Viele Flüchtlinge sind gekommen, weil Deutschland gute Sozialleistungen hat. Wir bieten politischen Flüchtlingen Asyl und nehmen Bürgerkriegsflüchtlinge auf. Das finde ich völlig richtig. Aber Deutschland soll einen Teil mittragen, nicht nicht alle Tore öffnen.

Was wäre die Lösung?

Wir als ALFA haben eine atmende Obergrenze vorgeschlagen, die sich daran orientiert, was die Städte und Gemeinden entscheiden, wie viele Menschen sie integrieren können. Die wissen, wie viele Arbeitsplätze, Wohnungen, Schulplätze etc. sie haben. Ich vertraue darauf, dass auch unsere Gemeinderäte und Bürgermeister keine hartherzigen Menschen sind. Aber ich bin gegen das österreichische Modell, dass man einfach eine Zahl nennt, weil das willkürlich ist.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Symbolbild
Home

Rüsten gegen Google, Amazon und Facebook

Europa hinke bei der Digitalisierung den USA weit hinterher, warnt Ex-Wifo-Chef Karl Aiginger. In die selbe Kerbe schlägt EU-Kommissar Oettinger: Ohne europäische Digitalstrategie „werden wir untergehen“.
Home

"EU muss eigene Einnahmequelle erschließen"

Die Eurozone sollte eine eigene Steuer für Aufgaben einheben, die auf nationaler Ebene nicht erfüllt werden können, sagt Daniela Schwarzer, Forschungsdirektorin im Vorstand des German Marshall Funds of the United States.
Home

Der Sprung ins kalte Wasser und die Frauenquote

Johanna Rachinger, Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek, und Margarete Schramböck, CEO beim Mobilfunkbetreiber A1, sprachen über weibliche Unternehmensspitzen und Führungsstile.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.