Das Silber vom Gratlspitz

Der Hunt vom Gratlspitz: Dieser Wagen (heute im Museum in Brixlegg) beförderte vor 200 Jahren in Alpbach Kupfer- und Silbererz.
Der Hunt vom Gratlspitz: Dieser Wagen (heute im Museum in Brixlegg) beförderte vor 200 Jahren in Alpbach Kupfer- und Silbererz.(c) Katharina Roßboth
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Vor 500 Jahren war Tirol eine Weltmacht im Silberbergbau – und Alpbach war voll mit dabei. Erst im 19. Jahrhundert ging das Bergbauzeitalter zu Ende, heute erinnern nur wenige Relikte daran.

Bevor Alpbach in den 1930er-Jahren für den Tourismus entdeckt wurde und heute zu einem hochrangigen Kongressort aufgestiegen ist, war die idyllisch auf 1000 Metern Seehöhe gelegene Siedlung ein typisches Bergbauerndorf. Eine Welt der harten bäuerlichen Arbeit, abgeschieden von der Welt, ohne Straßenverbindung hinunter ins Inntal.

Doch das war nicht immer so: Vor einigen Jahrhunderten war Alpbach schon einmal ein geschäftiger Ort: Hier wurden mit großem Erfolg Metallerze geschürft. Alpbach liegt mitten in einer geologischen Zone mit reichen Erzvorkommen: So verbirgt etwa der Schwazer Dolomit, aus dem die mächtige Felswand des Gratlspitz oberhalb des Ortskerns besteht, in seinem Inneren große Kupfer- und Silberlager. Aber auch die Schiefer, Sandsteine oder Breccien auf der anderen Seite der Alpbacher Ache sind von Erzbändern durchzogen. Diese Erze weckten schon früh die Begehrlichkeit des Menschen. Spätestens Mitte des 14. Jahrhunderts wurde mit dem Abbau begonnen. Die erste gesicherte Nachricht findet sich im Rattenberger „Salbuch“ aus dem Jahr 1416.

Im späten 15. Jahrhundert stieg Tirol für rund 100 Jahre zu einer Weltmacht im Silberbergbau auf – und Alpbach war voll mit dabei. Von nah und fern strömten hoch spezialisierte Bergleute herbei, das zuvor beschauliche Schwaz hatte plötzlich 20.000 Einwohner und war eine der größten Städte im Habsburgerreich. Die hoch verschuldeten Landesfürsten mussten immer mehr Bergrechte an das Augsburger Handelshaus Fugger abtreten – auch jene im Alpbachtal.

Stollen und Halden am Berg

Neben dem Lueggraben in Inneralpbach war das hiesige Zentrum des Bergbaus der „Thierberg“ – wie der Gratlspitz früher hieß. Vor allem an dessen Nord- und Ostseite wurden die Lagerstätten durch immer weiter vorgetriebene Schächte und Gänge erschlossen. Im Lauf der Zeit entstanden 34 Stollen, einige Mundlöcher können Wanderer auf und um den Gratlspitz bis heute in der Landschaft entdecken. Ebenso ausgedehnte Schutthalden und die Reste von Knappenhäusern. Wie wichtig der Bergbau war, zeigen Flurnamen in unmittelbarer Nähe – etwa Schatzberg oder Silberalm.

Die Erzgewinnung war eine mühselige Handarbeit: Die Tagesarbeit eines Bergmanns entspricht einem Stollenvortrieb um einen Zentimeter. Die Erzgewinnung wurde trotz der hochalpinen Lage mit anhaltender Schneedecke ganzjährig betrieben. Das Erz musste aufwändig vom tauben Gestein getrennt und ins Tal getragen werden. Dabei waren viele Hände nötig: Allein im Thierberg-Revier zählte man Ende des 16. Jahrhunderts rund 760 Knappen.

Sie hatten auch technische Hilfsmittel: Vor 30 Jahren stieß man in einem Stollen am Gratlspitz auf einen 200 Jahre alten „Hunt“ – einen Wagen zur Beförderung von Steinen und Erz – in perfektem Erhaltungszustand. Der Fund war eine Sensation, denn es handelt sich dabei um einen „Spurnagelhunt“ – einer Art Zahnradbahn aus Holz. Der Wagen wurde auf Holzbohlen geschoben, die Spur wurde durch einen Zapfen gehalten und auf Steigungsstrecken waren in die Bohlen Stufen eingearbeitet, damit der „Truhenläufer“ beim Schieben des Hunts mehr Halt hat.

Nach einer aufwendigen Restaurierung im damaligen Forschungszentrum Seibersdorf (heute AIT, Mitveranstalter der Technologiegespräche) wurde der Hunt vom Gratl-spitz das Prunkstück des Tiroler Bergbau- und Hüttenmuseums Brixlegg. In den Vitrinen kann man weitere Fundstücke vom Gratlspitz bewundern, etwa hölzerne Kübel, Erztröge, Wasserschaufeln, Kienspäne oder eine angerostete Maultrommel.

Aber auch in Alpbach selbst findet man einige Überreste aus dem glorreichen Tiroler Silberzeitalters: Der heutige Böglerhof dürfte auf einen Erzkasten (ein Lager für abfuhrbereites Erz) zurückgehen. Im 16. Jahrhundert wurde er von den Fugger übernommen und zum Sitz des Berggerichts – in der heutigen Fuggerstube. Aus dieser Zeit stammen auch das Eingangsportal und das Steinfenster mit Eisenfensterlade links davon. Ähnlich ist es beim Gasthof Jakober – neben Bögler das zweite Wirtshaus mit jahrhundertelanger Tradition: Dort trägt das Steinportal die Jahreszahl 1608, in der Eingangshalle ist ein Spitzbogenfenster erhalten. Ein Erbe dieser Zeit sind auch Chor und Turm der Alpbacher Pfarrkirche zum Hl. Oswald, überdies waren die steinernen Grundmauern einiger Höfe wohl ursprünglich Erzlager.

Erschöpfte Lagerstätten

Das Ende des Bergbaus kam schleichend: Nach der Entdeckung Amerikas strömte immer mehr billiges Silber nach Europa und in die Welt. Zudem begannen sich viele der Lagerstätten zu erschöpfen: Noch im 16. Jahrhundert fand der Tiroler Bergbauboom sein Ende. Auf niedrigerem Niveau wurde der Bergbau weitergeführt – bis der letzte Knappe 1850 den Gratlspitz verließ.

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