USA/ Türkei: Der seltsame Fall des Reza Zarrab

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Die US-Behörden nahmen einen türkischen Banker fest. Er soll mit einem Iraner Geldflüsse aus Teheran verschleiert haben. Die Causa ist unangenehm für die AKP.

Wien/Ankara/Washington. Gesprächsthemen hätte es ohnehin genug gegeben. Die Strategie in Syrien, die Auslieferung des im US-Exil lebenden islamischen Predigers Fethullah Gülen: Amerikas Außenminister Rex Tillerson hat für seinen heutigen Besuch in Ankara eine dicke Aktentasche gepackt, aber nur kurz vor seiner eintägigen Reise ist ein weiteres, heikles Thema hinzugekommen. Am Mittwoch haben US-Behörden den türkischen Top-Banker Mehmet Hakan Atilla am New Yorker Flughafen JFK festgenommen. Damit erhält eine bizarre Kriminalgeschichte zwischen den USA, der Türkei und dem Iran eine bemerkenswerte Wendung.

Die US-Justiz wirft Atilla vor, gemeinsam mit dem Geschäftsmann Reza Zarrab illegale Geldflüsse zwischen den drei Ländern koordiniert zu haben. Als stellvertretender Chef der staatlichen Halkbank habe Atilla Belege fälschen können, um den US-Behörden weiszumachen, dass hinter den Geldflüssen Lebensmittelhilfe für den Iran steckten. Tatsächlich aber hätten Zarrab und Atilla jahrelang Teheran geholfen, Sanktionen zu umgehen. Demnach haben sie über Briefkastenfirmen durch Goldverkauf lukrierte Millionensummen aus der Türkei über die USA in den Iran fließen lassen – und umgekehrt. Auch die Schlüsselfigur Reza Zarrab sitzt in Haft: Er wurde im März 2016 in Miami verhaftet. Die New Yorker Staatsanwaltschaft verfolgt den Fall beider Männer deswegen so „aggressiv“, wie sie sagt, weil die USA Transaktionen in den Iran streng sanktioniert haben. Washington duldet lediglich humanitären Zwecken dienende Überweisungen, etwa für Lebensmittel.

Unter normalen Umständen hätte die Causa Zarrab kaum Potenzial, um für diplomatische Verwicklungen zwischen Ankara und Washington zu sorgen. Nur: Der Fall geht bis in die höchsten Ebenen beider Regierungen. Zarrab, ein gebürtiger Iraner mit iranischem, aserbaidschanischem und türkischem Pass, unterhält ausgezeichnete Kontakte in die türkische Regierungspartei AKP. Als im Jahr 2013 Korruptionsfälle im engsten Kreis rund um Präsident Recep Tayyip Erdoğan an die Öffentlichkeit gelangten, stellte sich Zarrab als eine der zentralen Figuren heraus. Damals wurde er gemeinsam mit drei AKP-Ministersöhnen in Istanbul festgenommen, aber die türkische Justiz verfolgte den Fall nicht ernsthaft weiter.

Rudy Giuliani als Anwalt

Zarrab (und viele andere Beteiligte) erhielten bald ihre Freiheit zurück. Von den mutmaßlichen Goldgeschäften, Scheinfirmen und Halkbank-Kontakten erfuhr die Öffentlichkeit allerdings schon damals. Und davon, dass Zarrab offenbar eine Millionensumme an die gemeinnützige Stiftung Emine Erdoğans überwiesen hat, der Frau des Präsidenten.

Der 33-Jährige lebt seit vielen Jahren in der Türkei, er pflegt den Ruf eines „türkischen Gatsby“. Die Ursache seines Reichtums blieb lange im Dunkeln, einzig seine Heirat mit einer beliebten türkischen Popsängerin spülte Zarrabs Namen regelmäßig in die Klatschspalten. Als er vor einem Jahr in Miami verhaftet wurde, zeigte sich die AKP schwer verärgert. Genau so reagiert die Regierung nun über die Festnahme des Top-Bankers. Es sei kein Zufall, unkte Wirtschaftsminister Nihat Zeybekçi, dass Atilla so kurz vor dem Verfassungsreferendum Mitte April festgenommen worden sei. AKP-kritische Medien gehen davon aus, dass die amerikanischen Untersuchungen weitere, für Ankara unangenehme Wahrheiten ans Licht bringen könnten.

Aber auch in den USA sorgt der Fall Zarrab für seltsame Entwicklungen. Als Präsident Donald Trump die vakante Stelle des Staatsanwaltes in New Yorks Süden besetzten musste (wo auch der Fall Zarrab behandelt wird), dachte er zunächst an den Juristen Marc Mukasey. Geworden ist es schließlich Joon H. Kim, der die Causa des iranisch-türkischen Geschäftsmannes von seinem Vorgänger übernommen hat. Der Name Mukasey ist hier deswegen interessant, weil sein Vater Michael Teil des Anwaltsteams von Zarrab ist – wie seit kurzem auch Trump-Intimus Rudy Giuliani, der ehemalige Bürgermeister von New York. Giuliani und Mukasey sind in Sachen Zarrab vor einigen Wochen in die Türkei gereist, um mit Erdoğan über den prominenten Gefangenen zu sprechen. Heute wird Zarrab in Ankara wieder Thema sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2017)

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