Berlinbesuch: Kurz begrüßt Richtungswechsel in deutscher Flüchtlingspolitik

REUTERS/Fabrizio Bensch
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Deutschland habe seine Position in der Migrationsfrage "stark" verändert, sagt der Kanzler in Berlin. Zwar gebe es noch Meinungsunterschiede, doch das Verhältnis zur deutschen Kanzlerin sei dadurch nicht getrübt.

Der rote Teppich war für Sebastian Kurz vor dem deutschen Bundeskanzleramt ausgerollt. Und er schien es zu genießen, in lockerem Schritt die Reihen mit seiner Gastgeberin abzuschreiten. Ein ungleiches Paar: Angela Merkel, seit 2005 die mächtigste Frau Europas, und Sebastian Kurz, der jüngste Regierungschef des Kontinents. In der Flüchtlingskrise waren sie Gegenspieler. Doch davon ließen sich die zwei EVO-Parteifreunde nichts anmerken.

Freundlich und mit militärischen Ehren empfing die Regierungschefinden frisch gebackenen Kanzler vor dem deutschen Bundeskanzleramt. Die beiden fingen nach der offiziellen Begrüßung an, unbefangen zu plaudern, und zogen sich für ein einstündiges Gespräch ins deutsche Bundeskanzleramt zurück.

Schon kurz nach seiner Ankunft in Berlin - und noch vor seinem Gespräch mit der deutschen Regierungschefin, sagte Kurz, dass Deutschland seine Position in der Migrationsfrage "stark" verändert habe. "Das geht in die richtige Richtung", erklärte Kurz. Bei diesem Thema seien Deutschland und Österreich zwar nach wie vor dort und da nicht einer Meinung. Das sei legitim und notwendig. Doch die deutsche Regierung habe eine Kurskorrektur vorgenommen.

Kurz will nicht mehr in EU-Kasse einzahlen

Union und SPD hätten sich in ihren Sondierungsgesprächen für ihre neue Koalition auf eine Obergrenze geeinigt und sich zum Schutz der EU-Außengrenze bekannt. Tatsächlich legten sich die beiden deutschen Regierungsparteien vergangene Woche darauf fest, künftig nur noch 180.000 bis 220.000 Flüchtlinge pro Jahr aufzunehmen. Sie bezeichnen dies jedoch nicht explizit als Obergrenze.

Vor dem Treffen mit Merkel hatte Kurz keine Befürchtung, dass das Verhältnis zwischen ihm und der deutschen Kanzlerin aufgrund ihrer Ansichten in Flüchtlingsfrage getrübt sein könnte. Seit seinem Amtsantritt als ÖVP-Chef hätten er und die deutsche Kanzlerin mehrmals telefoniert und sich auch mehrmals in Brüssel getroffen.

Kurs hielt der österreichische Bundeskanzler auch in der Streitfrage des künftigen EU-Budgets: Die EU müsse nach einem Austritt Großbritanniens aus der EU ihre Ausgaben zurückfahren. "Es wäre zu einfach, wenn die Nettozahler einfach mehr in die Kassa einzahlen." Bei einem Austritt der Briten fallen pro Jahr elf bis 14 Milliarden Euro aus dem EU-Budget weg. Unter anderem deswegen will die EU-Kommission den EU-Staaten für den nächsten Finanzrahmen, der voraussichtlich von 2021 bis 2027 laufen wird, eine moderate Erhöhung abverlangen. Außerdem wird es bei Agrar- und Regionalhilfen zu Kürzungen kommen, von denen Österreich besonders profitiert. Im Gegensatz zu Österreich haben sich Frankreich und Deutschland bereits bereit erklärt, die EU finanziell zu stärken.

Auf einen Blick

Bundeskanzler Sebastian Kurz wird am Mittwoch und Donnerstag in der deutschen Hauptstadt Berlin neben seiner Amtskollegin Angela Merkel auch den Bundestagspräsidenten und früheren Finanzminister Wolfgang Schäuble (ebenfalls CDU) und den aus der Sozialdemokratie (SPD) stammenden Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier treffen. Zudem ist laut seinem Büro ein Solo-Auftritt in der TV-Talkshow von Sandra Maischberger (ARD) sowie ein "hochkarätiges Abendessen" im "Axel-Springer-Haus" vorgesehen, zu dem sich unter anderen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, Staatssekretär Jens Spahn (beide CDU) sowie die österreichische Schauspielerin Sonja Kirchberger und der österreichische Bundesliga-Fußballcoach Ralph Hasenhüttl (RB Leipzig) angesagt haben.

(cu)

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