Muzicant zu Juden in Europa: "Wir sind immer die ersten Opfer"

Clemens Fabry
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Heute findet in Wien eine große Konferenz gegen Antisemitismus und Antizionismus statt. 60 bis 70 Prozent der Juden in Europa würden überlegen, Europa zu verlassen, sagt Ariel Muzicant, Vizepräsident des Europäischen Jüdischen Kongresses, in der "ZiB 2".

Nur 20 Prozent der Juden in Europa fühlen sich "sehr sicher" - das ist das Ergebnis einer Umfrage unter jüdischen Meinungsführern in Europa, die am gestrigen Dienstag veröffentlicht wurde. Vor zehn Jahren fühlten sich noch doppelt so viele Juden in Europa "sehr sicher". Eine Mehrheit der Befragten rechnet damit, dass der Antisemitismus zunimmt. Am heutigen Mittwoch findet zu dem Thema eine große Konferenz in Wien statt. "Die Situation der Juden in Europa ist schlimm", sagte dazu Ariel Muzicant, langjähriger Präsident der israelitischen Kulturgemeinde und Vizepräsident des Europäischen Jüdischen Kongresses am Dienstagabend in der "ZIB 2".

60 bis 70 Prozent der Juden in Europa würden überlegen, wegen des zunehmenden Antisemitismus Europa zu verlassen, so Muzicant. In Frankreich gebe es eine Zunahme der antisemitischen Vorfälle um 60 Prozent. In manchen Ländern hätten sich ganze jüdische Gemeinden bereits aufgelöst, zum Beispiel in Schweden. In Österreich sei die Situation eine der besten in Europa. "Es ist höchste Zeit zum Handeln", sagte Muzicant. Der Antisemitismus sei je nach Lesart zwischen 2500 und 3500 Jahre alt. "Wir werden ihn nicht ausrotten. Aber das, was derzeit in Europa passiert, ist so schlimm, dass wir sagen, enough ist enough".

Der Hass werde zu einer Katastrophe führen

Der Antisemitismus komme mittlerweile aus allen Ecken: Aus Israelfeindlichkeit, von den Flüchtlingen, die ihn mitbringen, und aus einem immer stärker werdenden Rechtsextremismus. Dieses Gemenge vereinige sich immer dann, wenn es gegen die Juden gehe. Die Juden würden diesmal aber nicht warten, bis noch Schlimmeres passiert, sondern irgendwann einmal Europa verlassen, sagte Muzicant, und warnte: "Immer, wenn es gegen die Juden ging, ging es später gegen alle". Der Hass, der jetzt geschürt werde, werde am Ende zu einer Katastrophe führen. "Und wir sind immer die ersten Opfer".

Heute, Mittwoch, findet in Wien eine Konferenz gegen Antisemitismus und Antizionismus statt. Zum Auftakt wird ein "Handbuch gegen Antisemitismus" präsentiert. Die österreichische Regierung will mit der Veranstaltung ein Zeichen zur "Sicherung des jüdischen Lebens in Europa" setzen. Angekündigt haben sich unter anderem der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald Lauder und Spitzenvertreter der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Ursprünglich wollte auch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu dabei sein. Er musste seine Teilnahme wegen der Regierungskrise in seinem Land aber kurzfristig absagen.

>>> Zum "ZiB 2"-Beitrag

(red.)

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