China: Die größte Organisation der Welt

(c) AP (Ng Han Guan)
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Auf ihrem 18. Parteitag bestimmt die Kommunistische Partei Chinas derzeit den künftigen Kurs des Landes. Sie selbst muss sich um Nachwuchs keine Sorgen machen. In Scharen wollen Chinesen beitreten.

Wang Qi hat sich vor einiger Zeit tatsächlich einmal die Frage gestellt: Was bringt es mir, Mitglied der Kommunistischen Partei zu sein? Beamtin ist sie nicht, eine Karriere beim Militär strebt sie auch nicht an. Und bei einem Staatsunternehmen ist sie ebenfalls nicht angestellt. Die 32-Jährige leitet ein kleines Logistikunternehmen am Rande Pekings. Inzwischen ist sie aber dennoch froh, dazuzugehören. Um den Zuschlag für ein weiteres Gelände in der Nähe ihres gepachteten Firmengrundstücks zu erhalten, hatte sie neulich bei der zuständigen Behörde ihre Parteimitgliedschaft angegeben. „Das hat mir definitiv geholfen“, erzählt sie. Und bestechen, wie sonst bei Behörden in China häufig üblich, musste sie die Beamten auch nicht. „Das gehört sich nicht unter Genossen.“

Wang Qi ist eine von 82 Millionen Mitgliedern, die Chinas Kommunistische Partei derzeit zählt. Damit ist die KP der Volksrepublik die größte und wahrscheinlich auch mächtigste Organisation der Welt. Mitgliederschwund muss sie nicht befürchten. Wer Beamter oder sonst auf eine Weise in den Staatsdienst möchte, kommt um eine Mitgliedschaft nicht herum. Aber auch wer in einem Staatsunternehmen aufsteigen will, braucht ein Parteibuch. Längst ist es auch unter jungen Privatunternehmern, Studenten, ja selbst unter Künstlern üblich, sich um eine Aufnahme zu bemühen. „Die Mitgliedschaft ist denn auch nicht so sehr ein politisches Bekenntnis“, erzählt Wang Qi. Sie bringe Status und praktische Vorteile. „Wer in China was auf sich hält, wird Kommunist.“

Schwierige Aufnahme. Und doch sind es gerade einmal rund fünf Prozent der erwachsenen Bevölkerung, die es tatsächlich in die Partei schaffen. „Die Aufnahme ist gar nicht so einfach“, sagt Luo Xu. Der 32-Jährige arbeitet für ein staatliches Medienunternehmen im Westen von Peking und berichtet für den dortigen Fremdsprachendienst. Acht Mitarbeiter zählt seine Abteilung. Bis auf zwei sind sie alle bei der KP. Luo hat sich bereits in seiner Schulzeit um eine Mitgliedschaft bemüht. An seiner Schule schaffte es aber nur einer von tausend. Er gehörte zunächst nicht dazu.

Als Student versuchte er es ein weiteres Mal. Er musste zunächst bei der „örtlichen Parteizelle“ einen Antrag stellen. Gleich zu Beginn des ersten Semesters belegte er einen entsprechenden Kurs. Marx stand auf dem Programm, auch die Lehren Maos – aber nur in einem Lehrbuch. Die Werke selbst musste er nicht durcharbeiten. Dafür lieferte er in regelmäßigen Abständen eine Art Gesinnungsaufsatz ab, in denen er begründete, was ihn zur Mitgliedschaft motiviert. Luo hatte im zweiten Anlauf Erfolg. Noch bevor er mit seinem Studium an der Fremdsprachenuniversität in Peking fertig war, hat ihn die Partei nach einer feierlichen Eidablegung aufgenommen.

Dabei haben Chinesen schon in der Kindheit mit der KP zu tun. Den Jungen Pionieren der Kommunistischen Partei gehört noch so gut wie jedes chinesische Kind an, sobald es in die Schule kommt. Viel Politik steht aber noch nicht auf dem Programm, aber sie lernen etwas über das große Vorbild, den braven Soldaten Lei Feng, der seinen Kameraden unermüdlich und selbstlos half und ihnen abends sogar noch die Socken wusch. Erst mit 14 beginnt der Auswahlprozess. Schüler, die mit guten Noten oder durch soziales Engagement auffallen, haben gute Chancen, dem Kommunistischen Jugendverband beizutreten. Dort beginnt dann auch der politische Unterricht. Eine Vollmitgliedschaft ist aber erst mit dem 18. Lebensjahr möglich.


Strategie statt Ideologie. Das Beitrittsalter ist ganz entscheidend. Liang Junwei hat sich erst mit 41 für die Partei interessiert. Der heute 52-Jährige war damals noch einfacher Fabrikarbeiter in einem Staatsunternehmen für Lötkolben in der Provinz Hebei. Er wollte aufsteigen. Sein damaliger Vorgesetzter wollte das auch. Aber ohne Parteibuch sah auch er keine Möglichkeit. Also hieß es für Liang: Antrag stellen, Kurs belegen und Lehrbücher durcharbeiten. „Ich hatte große Schwierigkeiten“, erzählt der gelernte Techniker. Ein Buch hatte er mehr als 20 Jahre nicht mehr angefasst. Nun musste er büffeln. Inzwischen hat er seinen Vorgesetzten beerbt, der inzwischen als Parteisekretär in der Firmenleitung sitzt. Sehr viel weiter geht es für Liang in der Partei- und damit auch Firmenhierarchie jedoch nicht. „Einen hohen Posten kann ich mir abschminken“, sagt er. Er sei der Partei zu spät beigetreten.

Lötkolbenbauer Liang nimmt regelmäßig an den Sitzungen im Betrieb teil. Dabei gehe es vor allem um Planzahlen und Firmenstrategien, erzählt Liang. Die Sitzungen seien deswegen sehr wichtig. „Nur manchmal“, sagt Liang und lacht, „schauen wir auch mal, wie das Ganze mit den Lehren von Marx im Zusammenhang steht.“ Aber das passiere wirklich selten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2012)

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