Italiens Regierungschef Monti ist zurückgetreten

Italiens Regierungschef Monti zurueckgetreten
Italiens Regierungschef Monti zurueckgetreten(c) AP (Gregorio Borgia)
  • Drucken

Der Wirtschaftsprofessor, der seit November 2011 ein Fachleutekabinett führte, überreichte Präsident Napolitano am Freitag seine Rücktrittserklärung.

Italiens Premier Mario Monti ist zurückgetreten. Der 69-jährige Wirtschaftsprofessor, der seit November 2011 ein Fachleutekabinett führte, überreichte dem Präsidenten Giorgio Napolitano am Freitag seine Rücktrittserklärung. Zuvor hatte Monti in der Abgeordnetenkammer noch das Haushaltsgesetz 2013 durchgebracht. Am Samstag wird Napolitano politische Beratungen mit den Präsidenten der Abgeordnetenkammer sowie des Senats, Gianfranco Fini und Renato Schifani starten. Danach wird er das Dekret zur Auflösung der beiden Parlamentskammern unterzeichnen. Der 24. Februar gilt als wahrscheinlichster Wahltermin.

Unabhängig vom Ausgang der Parlamentswahlen wird die nächste Regierung in Italien den Reformweg fortsetzen müssen, den das Fachleutekabinett in die Wege geleitet hat. Das betonte Monti in seiner letzten Ansprache vor dem Rücktritt. "Ich hoffe, dass dieser Einsatz für Reformen im Land auch in der nächsten Legislaturperiode fortgesetzt wird", so Monti. Die Interessen des Landes müssten über private Anliegen überwiegen, mahnte der Premier bei einem Treffen mit Diplomaten des Außenministeriums.

"Schwierige, aber faszinierende Zeit"

Dank der Bemühungen der Regierung sei Italien zuverlässiger und für ausländische Investoren attraktiver geworden, sagte Monti. Italien habe an Ansehen zurückgewonnen und bewiesen, dass es Kraft und Willen für Neubeginn habe. Italien werde ein "verantwortungsvoller Protagonist auf der internationalen Bühne" sein, erklärte Monti. Seine 13-monatige Amtszeit bezeichnete der Premier als "schwierig, aber faszinierend".

Vor zwei Wochen hatte die rechtspopulistische Partei "Volk der Freiheit" (PdL) von Silvio Berlusconi Montis Technokratenregierung die Unterstützung versagt. Daraufhin erklärt Monti, dass er nach der Verabschiedung der Schuldenbremse für das kommende Jahr das Handtuch werfen wird, weil er im Parlament über keine tragfähige Mehrheit mehr verfügt.

"Kulturrevolution" durch Monti

Unter der Führung des Eurokraten und Ex-EU-Kommissars Monti, der am 16. November 2011 das Ruder seines von der Staatspleite bedrohten Landes übernommen hatte, wurden Sexskandale, populistische Slogans und peinliche Fauxpas der Ära von Montis Vorgänger Berlusconi schnell vergessen. Mit Nüchternheit und rigoroser Sachlichkeit hat Monti innerhalb weniger Wochen eine Stilwende im Land vollzogen, die begeisterte Anhänger des "Professors" sogar als "Kulturrevolution" bezeichnen. Perfekte Manieren, britischer Humor gepaart mit bescheidenem Auftreten lösten die schräge "Bunga-Bunga-Ära" Berlusconis ab.

Mit Volldampf arbeitete der parteiunabhängige Regierungschef konsequent an der Sanierung der Staatskassen und den Maßnahmen zum Wirtschaftsaufschwung. Dabei scheute er sich nicht davor, auch durchaus unpopuläre Maßnahmen zu ergreifen.

Die Folgen: Drastischer Konsumrückgang

Vor allem der Einsatz gegen Steuerhinterziehung und Schattenwirtschaft hat sich Monti groß auf die Fahne geschrieben. So haben die Finanzfahnder begonnen, all jene aufzuspüren, die in Saus und Braus leben, dem Fiskus aber ein minimales Einkommen vorgaukeln. Mit Jachten, Ferraris und Hubschraubern zu prahlen, ist in Italien endgültig passé. Steuerkontrollen wurden systematisch durchgeführt, was kritische Reaktionen auslöste. Hoteliers, Geschäftsleute und Unternehmer klagten, dass die mehrstündigen Kontrollen der Steuerfahnder die Gäste verschrecken würden. Schließlich sei Italien doch kein Polizeistaat.

Die Gewerkschaften warfen ihm vor, in seinem von der Rezession geplagten Land zu wenig für die Ankurbelung der Wirtschaft getan zu haben. Berlusconi prangerte seinen Nachfolger als "Rezessionspremier" an. Mit einer lediglich auf Steuerpolitik basierenden Sanierungsstrategie habe er den Konsum in Italien erdrosselt und Investoren verschreckt. Italien erlebe den drastischsten Konsumrückgang seit dem Zweiten Weltkrieg, klagt der Kaufleuteverband Confcommercio. Bis Ende dieses Jahres dürfte das italienische Bruttoinlandprodukt um krasse 2,4 Prozent schrumpfen. 30 Prozent der italienischen Unternehmen rechnen im laufenden Jahr mit Verlusten, geht aus einem Bericht der Notenbank hervor.

Am Sonntag sagt Monti mehr zu seiner Zukunft

Die Zustimmung zu Montis Politik fiel angesichts seiner teils unpopulären Reformen zuletzt auf ein Rekordtief von 33 Prozent. Bei seiner Amtsübernahme hatten noch gut 70 Prozent der Italiener Monti vertraut. Auch die Behauptung seiner Gegner, im Dienst der hohen Finanz zu stehen, belastete Monti immer wieder. "Montis Technokraten und ihre Lobbys haben dem italienischen Volk und Parlament die Demokratie genommen", protestierte der Spitzenpolitiker der Lega Nord und Ex-Minister Roberto Calderoli.

Die Aussicht auf eine zweite Regierung Monti nach den Parlamentswahlen im Februar ist nicht unrealistisch. Gemäßigte Zentrumsparteien haben in Rom bereits ihre Bereitschaft signalisiert, eine zweite Regierung Monti zu unterstützen. Brüssel drängt Monti, sich politisch zu engagieren und seinen Reformenprozess fortzusetzen. Monti gibt sich noch bedeckt. Bei einer Pressekonferenz am Sonntag wird er voraussichtlich die Karten auf den Tisch legen und dem Land seine künftigen Schritte mitteilen.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Monti ruft Italiener zu Reformdebatte auf
Außenpolitik

Monti ruft Italiener zu Reformdebatte auf

Der zurückgetretene Premier Italiens veröffentlichte im Internet Pläne für eine weitere Amtszeit. Seine Landsleute ruft er zur Unterstützung auf.
Italien Mario Monti will
Außenpolitik

Italien: Mario Monti will an die Spitze gerufen werden

Der Premier kandidiert nicht direkt bei Parlamentswahl, hofft aber auf Führung aller, die seine Ideen teilen. Mit dieser Entscheidung stellt sich der 69-Jährige gegen Italiens große Parteien.
Leitartikel

Zwei ungewöhnliche Politiker, zwei ungewöhnliche Zugänge

Der eine will kandidieren, dann aber kein Mandat. Der andere will nicht kandidieren, würde dann aber zur Verfügung stehen. Über Frank Stronach und Mario Monti.
Monti schließt Kandidatur für Parlamentswahlen aus
Außenpolitik

Italien: Monti zu weiterem Engagement bereit

Der italienische Ex-Premier Mario Monti schließt eine Kandidatur für die nächsten Parlamentswahlen aus. Sollten ihm die Parteien allerdings den Posten des Premiers anbieten, steht er bereit.
Außenpolitik

Italien: Parlament aufgelöst, Neuwahl Ende Februar

Der zurückgetretene Premier Monti dürfte am Sonntag bekanntgeben, ob er ein zentrumsorientiertes Bündnis in den Wahlkampf führen wird.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.