Italien: Neue Ermittlungen gegen Berlusconi

Italien Neue Ermittlungen gegen
Italien Neue Ermittlungen gegen(c) REUTERS (GIORGIO PEROTTINO)
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Nur Tage nach dem Comeback des Medienzaren beschäftigt sich die Justiz gleich zweifach mit ihm: Im Fall eines umstrittenen Wahlkampfbriefs geht es um "Stimmenkauf".

Rom/P.k./Ag. Das zeitliche Zusammentreffen ist zumindest bemerkenswert: Nur drei Tage nach der Parlamentswahl in Italien, die ein Comeback von Ex-Premier Silvio Berlusconi mit sich brachte, gab Neapels Justiz bekannt, gegen den Medienzaren wegen Korruption zu ermitteln. Es geht dabei um einen Vorfall aus 2006: Berlusconi soll einen Senator der Partei „Italien der Werte“ mit drei Millionen Euro bestochen haben, damit dieser zum Berlusconi-Lager überläuft.

Dieses Lager gab sich denn am Donnerstag auch tief empört: „Nach der Wahl, da die Italiener wieder einmal ihr Vertrauen in Berlusconi bestätigt haben, beginnen die Staatsanwälte wieder ihren Feldzug“, erklärte der Berlusconi-Vertraute Maurizio Lupi.

In direktem Zusammenhang mit der Wahl stehen die ebenfalls am Donnerstag bekannt gewordenen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft von Reggio Emilia wegen Stimmenkaufs. Es geht um jenen umstrittenen Wahlkampfbrief, in dem Berlusconi den Wählern versprochen hat, ihnen die gesamte 2012 gezahlte Immobiliensteuer zurückzuerstatten. Die Ermittlungen belasten nun die durch den Wahlausgang ohnehin komplizierte Regierungsbildung.

Nach dem praktisch verlorenen Wahlsieg ist der Linksdemokrat Pier Luigi Bersani unter heftigen Beschuss aus der eigenen Partei geraten. Bersani sei ein „Mann aus dem 19.Jahrhundert“, sagte der frühere, immer für Angriffe aus dem Hinterhalt bekannte Premier Massimo D'Alema: „Wir haben im letzten Monat so viele Fehler gemacht.“ Andere Parteifunktionäre fordern bereits den Rücktritt Bersanis.

„Ein Toter, der spricht“

Bei der Parlamentswahl am vergangenen Sonntag und Montag hat das Mitte-links-Bündnis um Bersani viel schwächer abgeschnitten als erwartet. Es kam auf 29,55Prozent der Stimmen und holte gegenüber Silvio Berlusconis Mitte-rechts-Lager lediglich einen Vorsprung von 0,37Punkten heraus. Das Wahlgesetz verschafft Bersani im Abgeordnetenhaus damit zwar eine absolute Mehrheit der Sitze. Er kann damit aber nichts anfangen, weil die beiden Kammern des Parlaments in der Gesetzgebung gleichrangig sind und Berlusconi im Senat drei Mandate mehr als die Sozialdemokraten errungen hat.

Ein erster Versuch Bersanis, mit der „Fünf-Sterne-Bewegung“ von Beppe Grillo ein Regierungsbündnis anzubahnen, wurde von Grillo brüsk zurückgewiesen: Zusammenarbeit sei allenfalls „in Einzelfragen“ denkbar, schrieb der Chef der Bewegung, die mit 25,55 Prozent der Stimmen aus dem Stand zur stärksten Einzelpartei im Abgeordnetenhaus wurde.

Der Vorstoß wiederum, den Berlusconi zu „weiträumigen sachdienlichen Absprachen“ im Senat unternommen hat, stößt bei den Sozialdemokraten auf empörte Ablehnung. Auf diese Weise sind die einzigen Koalitionsmöglichkeiten, die Bersani rechnerisch zu einer Mehrheit im Senat verhelfen würden, vorerst verbaut.

In seinem Blog attackiert Grillo den Chef der Sozialdemokraten aufs Härteste. Bersani sei „ein Toter, der spricht“, und ein „politischer Stalker“, schreibt Grillo. Ihm als Regierungschef das Vertrauen auszusprechen sei unmöglich, schließlich hätten die Sozialdemokraten zuletzt „jedwede Schweinerei“ Mario Montis mitbeschlossen.

Grillo unter Druck von Anhängern

Hingegen bezieht Grillo aus den eigenen Reihen heftige Kritik an seiner Verweigerungshaltung. „Die sinnvollen Gesetze, die wir wollen – wie willst du sie durchsetzen, wenn du eine Regierungsbildung blockierst?“, fragt ihn ein Anhänger der Bewegung im Blog. Eine Viola Tesi aus Florenz macht sich gar zu Sprecherin von Grillos Wählern: „Ihr seid unsere Angestellten. Euer Mandat habt ihr von uns. Verhandeln wir mit der Partito Democratico. Stellen wir ihnen die richtigen Bedingungen für eine Reformregierung zum Besten Italiens.“ Der Appell hat unter den Anhängern Grillos inzwischen mehr als 40.000 Unterstützer gefunden.

Wie sich die 153 gewählten „Grillini“, von denen keiner parlamentspolitische Erfahrung hat, künftig in der Volksvertretung verhalten werden, das will Beppe Grillo mit ihnen erst in den nächsten Tagen diskutieren.

Auf einen Blick

Italiens Justiz gab am Donnerstag neue Ermittlungen gegen den konservativen Ex-Premier Silvio Berlusconi bekannt: In einem Fall soll er dem Senator einer anderen Partei Geld geboten haben, damit er ins Berlusconi-Lager überläuft. Im anderen Fall geht es um einen Wahlkampfbrief, in dem Berlusconi den Wählern versprochen hat, ihnen die 2012 gezahlte Immobiliensteuer zurückzuerstatten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2013)

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