Gewalt im Namen Buddhas

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In Burma und Sri Lanka kommt es immer häufiger zu Übergriffen radikaler Buddhisten auf Muslime. Oft werden sie von der Staatsführung unterstützt.

Die Gewaltexplosion kam ganz überraschend: In der zentralburmesischen Stadt Meiktila gab es Mitte März zunächst in einem Geschäft einen Streit zwischen einem muslimischen Goldhändler und einem buddhistischen Paar. Der Streit wurde heftiger, irgendwann flogen Fäuste. Kurze Zeit später tobte ein wütender Mob durch den Markt, zerstörte den Laden des Goldhändlers und brannte in der gesamten Innenstadt Moscheen und Häuser von Muslimen nieder. Doch das war erst der Anfang.

Heute sieht Meiktila aus, als sei eine schwere Naturkatastrophe durch den Ort gefegt. Ganze Stadtteile hat der Mob dem Erdboden gleichgemacht. Die muslimischen Viertel sind praktisch vollständig zerstört. Vor den Augen von Polizisten und Politikern haben die Gewalttäter Muslime ermordet und Häuser niedergebrannt. Erst drei Tage nach dem Beginn der Pogrome marschierte die Armee in Meiktila auf. Die Mörder zogen sich zurück – viele waren buddhistische Mönche.

Mordende und gewalttätige Mönche passen nicht in die Klischeevorstellungen, die man sich im Westen vom Buddhismus macht. Dabei ist der offensichtlich organisierten Gewalt in Meiktila eine monatelange Hetzkampagne im ganzen Land vorausgegangen. Diese führt ein prominenter Mönch an: Ashin Wirathu. Der heute 45-Jährige saß seit 2003 in Haft, weil er zu Gewalt gegen Muslime aufgerufen hatte. Im Zug der Freilassung politischer Gefangener kam er im vergangenen Jahr frei. In seinen Reden bezeichnet Wirathu Muslime – deren Vorfahren häufig aus Indien oder dem heutigen Bangladesch stammen und die etwa ein Zehntel der Bevölkerung Burmas ausmachen – herablassend als „Kala“, also Schwarze. Seine extrem rassistische Rhetorik erinnert stark an die antisemitischen Kampagnen der Nazis: Der Mönch fährt seit Monaten durch das Land, hält hetzerische Reden und fordert Buddhisten dazu auf, nicht in den Geschäften von Muslimen einzukaufen. Muslime hätten inzwischen die großen politischen Parteien unterwandert, behauptet der Mönch weiter. Eine Verantwortung für die Gewalteskalation in Meiktila – wo er kurz vor Ausbruch der Gewalt eine Rede gehalten hat – lehnt Wirathu ab.


Mob greift Lagerhaus an. Doch Burma ist nicht das einzige Land, in dem radikale Buddhisten gegen Muslime vorgehen. Auch in Sri Lanka häufen sich seit einigen Monaten Vorfälle, bei denen gewalttätige Buddhisten Geschäfte angreifen und auf Muslime einprügeln. Auch hier finden sich unter den Gewalttätern immer wieder Mönche.

Erst vergangene Woche hat in der Hauptstadt Colombo ein Mob das Lagerhaus einer Bekleidungskette angegriffen, die Muslimen gehört. Buddhistische Mönche gingen den Gewalttätern voraus, Hunderte von Menschen schlossen sich ihnen offenbar spontan an. Auf Aufnahmen ist zu sehen, wie Mönche Steine auf das Gebäude geworfen und Beleidigungen gebrüllt haben. Die Gewalttäter gingen auch – ähnlich wie bei den Pogromen in Burma – auf Journalisten los, die versuchten, über den Vorfall zu berichten. Erst, als sich die Gewalt auszuweiten drohte, griff die Polizei ein. Es war nicht der erste Vorfall dieser Art. Im Januar sind Buddhisten in eine Jura-Fakultät eingedrungen und haben offenbar wahllos auf Menschen eingeprügelt. Sie behaupteten, dass Prüfungsergebnisse zugunsten von Muslimen geändert worden seien. Im vergangenen April haben buddhistische Mönche in der Stadt Dambulla während der Freitagsgebete eine Moschee angegriffen und das Gebäude verwüstet. Immer wieder sprayen seitdem Unbekannte Beleidigungen an die Wände von Moscheen oder bringen Bilder von Schweinen an. Inzwischen kommt es auch immer wieder zu Übergriffen auf christliche Kirchen und Priester.

Als einige muslimische Gruppen in Sri Lanka kürzlich zu einem Proteststreik aufriefen, um gegen die anhaltende Gewalt zu protestieren, veröffentlichte eine radikale buddhistische Partei, die Teil der Regierungskoalition ist, eine eindeutige Erklärung. Darin rief sie die „singhalesischen Buddhisten“ dazu auf, „solchen muslimischen Extremisten eine Lektion zu erteilen, die sie nie vergessen werden“.

Inzwischen ist auch klar, dass Sri Lankas radikale Buddhisten Unterstützung von ganz oben haben. Bei einer Veranstaltung der Bodu Bala Sena (BBS), der bekanntesten der radikalen Gruppen, war kürzlich Gotabhaya Rajapaksa Ehrengast, Sri Lankas wortgewaltiger Verteidigungsminister. Der Bruder des Staatspräsidenten erklärte in einer Rede, dass die Mönche der Gruppe „das Land, die Religion und die Rasse“ beschützten. Er sei gekommen, um die Mönche zu „ermutigen.“

Die Kampagnen gegen die muslimische Minderheit Sri Lankas erinnern in frappierender Weise an die rassistische Hetze gegen die Tamilen, die stark dazu beigetragen hat, das Land in einen fast drei Jahrzehnte währenden brutalen Bürgerkrieg zu stürzen. Dem Krieg ging eine lange, rassistische Hetze gegen die überwiegend hinduistischen Tamilen voraus.

Aufruf zur Ruhe. 1983 wurden bei schweren anti-tamilischen Ausschreitungen bis zu 3000 Menschen ermordet, Tausende von Häusern wurden zerstört. Im selben Jahr brach der Bürgerkrieg offen aus, der erst im Jahr 2009 endete. Mehr als 100.000 Menschen kamen dabei ums Leben.

Zumindest in Burma melden sich nun verstärkt moderate Gruppen zu Wort. Politische Aktivisten fuhren vergangene Woche durch mehrere Stadtteile der ehemaligen Hauptstadt Rangun und verteilten tausende Aufkleber und T-Shirts, auf denen sie zu einem friedlichen Miteinander von Mitgliedern der verschiedenen Religionen aufriefen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2013)

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